OGH 13Os36/96

OGH13Os36/9610.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.April 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Petschnigg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Davide Raimondo G***** wegen des Vergehens der versuchten Entwendung nach §§ 15, 141 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 15.März 1994, AZ 13 c Bl 733/94, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Presslauer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 15.März 1994, AZ 13 c Bl 733/94, verletzt § 2 Abs 5 StPO.

Text

Gründe:

Mit Urteil vom 25.Februar 1993, GZ 11 U 261/93-4, erkannte das Bezirksgerichte Innere Stadt Wien Davide Raimondo G***** nach einem entsprechenden Antrag auf Bestrafung des zuständigen Bezirksanwaltes wegen des Vergehens der versuchten Entwendung nach §§ 15, 141 Abs 1 StGB für schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe.

Der dem Verfahren zugrundeliegenden Anzeige zufolge hatte ein Warenhausdetektiv am 18.Jänner 1993 die Polizei zum Einschreiten gegen den Beschuldigten aufgefordert und angegeben, soeben dessen Versuch beobachtet zu haben, um 18.15 Uhr in dem Geschäft der B*****-Warenhandel-Aktiengesellschaft in ***** Wien, zwei Tuben Zahnpaste im Wert von 99,80 S unter dem Hemd zu verstecken und danach ohne Bezahlung den Laden zu verlassen. Die in der Sachverhaltsdarstellung der Polizeimeldung sinngemäß wiedergegebenen Angaben dieses Detektivs enthalten den Satz: "Die Ermächtigung zur Strafverfolgung wird erteilt" (S 12). Die Anzeige enthält als Beilage unter anderem eine Ermächtigung zur Strafverfolgung.

Dabei handelt es sich um eine unter Verwendung eines Formulars

abgegebene schriftliche Erklärung, die zwar den Namen des Betroffenen

nicht aufweist, jedoch die Erklärung enthält, daß "... im Auftrag der

Firma B*****, die Ermächtigung zur Strafverfolgung ..." "... gemäß §

141 StGB (Entwendung) ..." "... begangen am 18.Jänner 1992 um 18.15

Uhr ..." erteilt wird (S 13).

Über Berufung des Angeklagten gegen das Ersturteil hob das Landesgericht für Strafsachen Wien mit Urteil vom 15.März 1994, AZ 13 c Bl 733/93 (ON 11), gemäß § 477 Abs 1 (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b) StPO das angefochtene Erkenntnis auf und fällte einen Freispruch, weil es die Ermächtigung des öffentlichen Anklägers zur Verfolgung der Tat nicht als gegeben ansah.

Es stützte sich dabei darauf, daß zwar eine Ermächtigung im Akt erliege, in dieser jedoch kein Name eingesetzt sei. Sinn einer Ermächtigung sei es, dem durch eine Entwendung Geschädigten die Entscheidung zu ermöglichen, ob er den Täter verfolgt wissen wolle oder nicht. Der Geschädigte habe zu erklären, ob er eine konkrete Person ("Herrn A oder Herrn B oder Herrn C") gerichtlich verfolgen wolle oder nicht. Die Entwendung sei ein Ermäch- tigungsdelikt. Wenn in einer Ermächtigung der Name des zu Verfolgenden nicht eingesetzt sei, wäre diese nicht wirksam. Der erläuterte Sinn des Ermächtigungsdeliktes ergäbe, dem Geschädigten offenzuhalten, ohne Angabe von Gründen zu erklären, ob er eine konkrete Person verfolgt haben wolle. Eine Ermächtigung ohne Name des zu Verfolgenden sei daher keine gültige (S 65 f).

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmeinung, daß eine schriftliche Ermächtigungserklärung gemäß § 2 StPO für ihre Wirksamkeit unbedingt den Namen des Beschuldigten enthalten müsse, steht, wie der Generalprokurator in seiner gemäß § 33 Abs 2 StPO zu Recht erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde ausführt, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Gemäß § 2 Abs 5 StPO muß sich die Ermächtigung, bei der es sich ihrem Wesen nach um eine Zustimmung zur Strafverfolgung handelt, auf eine bestimmte Person beziehen. Daraus folgt, daß nur ein bekannter oder individualisierter Beschuldigter betroffen sein kann und die Erklärung weder künftige Täter erfassen noch Zweifel offen lassen darf, welche Person gemeint ist. Obzwar die spezielle Bezugnahme auf eine bestimmte Person am einfachsten und zweckmäßigsten durch Anführung des Namens geschieht, sind daneben auch andere Formen einer Willensbetätigung denkbar, welche den gleichen Effekt bewirken. Der Gesetzeswortlaut läßt nicht erkennen, daß schriftliche Ermächtigungserklärungen für ihre strafprozessuale Wirksamkeit ausdrücklich den Namen des Beschuldigten enthalten müssen und eine anderweitige eindeutige Bezeichnung einer bestimmten Person nicht ausreichen soll.

Im vorliegenden Fall geschah die Bezeichnung der bestimmten Person dadurch, daß die ohne Namensnennung gebliebene, jedoch die konkrete Tat bezeichnete Ermächtigungserklärung schon von vornherein als unselb- ständige Beilage zu der allein gegen Davide Raimondo G***** erstatteten Anzeige genommen wurde, wodurch unter den gegebenen Zuordnungsmodalitäten eine dem Willen des Ermächtigungsgebers entsprechende Zustimmung zur Strafverfolgung des Angezeigten klar auf der Hand lag.

Das Berufungsgericht bezweifelte auch gar nicht, daß sich die Ermächtigungserklärung auf diese Tat sowie den Angeklagten G***** bezog und daß die Zustimmung von einer Bevollmächtigung durch den Verletzten (SSt 47/55) gedeckt war. Sie wurde lediglich deshalb als ungültig erachtet, weil die schriftliche Erklärung den Namen des Beschuldigten nicht enthielt. Ein solches striktes Formalerfordernis ist aber weder ausdrücklich normiert, noch mit dem Gesetzeszweck vereinbar, einen Verletzten oder anderen Beteiligten nur deshalb nicht eine wirksame Verfolgungszustimmung zu gestatten, weil er allenfalls den Namen einer im übrigen (wie hier) ganz konkret bezeichneten Person nicht kennt, diese Person die Namensnennung verweigert oder einen falschen Namen gebraucht.

Der Äußerung des (ehemaligen) Angeklagten zur Wahrungsbeschwerde ist zu entnehmen, daß er selbst keinen Zweifel hegt, "welche Person gemeint sei" (deren Verfolgung die Ermächtigung betraf). Er meint aber, daß der Berufungssenat "im Rahmen freier Beweiswürdigung unter Berücksichtigung einer Formalität" eben keine Ermächtigung als erteilt ansah. Dies ist jedoch nicht der Kern der Argumentation des Berufungsgerichtes, welches eine Ermäch- tigung bezogen auf den Angeklagten gar wohl als gegeben ansah, jedoch diese mangels einer "Formalität" als nicht den Voraussetzungen des § 2 Abs 5 StPO entsprechend beurteilte.

Das Urteil des Berufungsgerichtes ist deshalb mit dem materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO behaftet, weshalb wie im Spruch die unter- laufene Gesetzesverletzung festzustellen war.

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