OGH 13Os40/96(13Os41/96)

OGH13Os40/96(13Os41/96)10.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. April 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel, Dr. Mayrhofer, Dr. Ebner und Dr. Rouschal als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Petschnigg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mehmet B***** wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen einen Vorgang im Verfahren des Oberlandesgerichtes Innsbruck, AZ 7 Bs 4/96, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Zehetner, des Verurteilten Mehmet B***** und der Verteidigerin Dr. Biernbaum zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Unterbleiben der Mitteilung der zur Berufung des Mehmet B***** abgegebenen Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck und die solcherart unterlassene Einräumung einer Frist zur Gegenäußerung verletzen § 35 Abs 2 StPO.

Der im Anschluß an diese Gesetzesverletzung ergangene Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 9. Jänner 1996, AZ 27 Bs 4/96 (= GZ 23 Vr 588/95-28 des Landesgerichtes Feldkirch), wird gemäß § 292 letzter Satz StPO aufgehoben, und es wird dem Oberlandesgericht Innsbruck aufgetragen, dem Gesetz gemäß vorzugehen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 21. September 1995, GZ 23 Vr 588/95-16, wurde Mehmet B***** des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 und 106 Abs 1 Z 1 und 3 StGB schuldig erkannt. Gegen dieses Urteil meldete der Angeklagte am Montag, dem 25. September 1995 (Postaufgabe), Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe an (ON 17). Am 22. November 1995 wurde dem Verteidiger des Angeklagten eine Ausfertigung des Urteils zugestellt (RS bei ON 16) und am 1. Dezember 1995 auf dessen Urgenz (ON 23; vgl ON 17) auch das Hauptverhandlungsprotokoll vom 21. September 1995. Am 19. Dezember 1995 (zur Post gegeben am 20. Dezember 1995) führte der Angeklagte unter Rückziehung der Nichtigkeitsberufung die Berufung wegen Schuld und Strafe aus (ON 24).

Das Oberlandesgericht Innsbruck übermittelte den Akt samt der darin enthaltenen Rechtsmittelausführung der Oberstaatsanwaltschaft zur Einsichtnahme (AS 215). Die Oberstaatsanwaltschaft gab daraufhin - ersichtlich gestützt auf das Hauptverhandlungsprotokoll (S 163) - die Stellungnahme ab, die Berufung des Angeklagten als unzulässig zurückzuweisen, "weil der Angeklagte in der Hauptverhandlung im Beisein seines Verteidigers einen Rechtsmittelverzicht abgegeben hat" (S 217).

In der Folge faßte das Oberlandesgericht Innsbruck - ohne die Äußerung der Oberstaatsanwaltschaft dem Angeklagten gemäß § 35 Abs 2 StPO zuzustellen - am 9. Jänner 1996 in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß, die Berufung des Angeklagten als unzulässig zurückzuweisen (ON 28).

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in der gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, stehen die unterbliebene Mitteilung der zur Berufung abgegebenen, Anfechtungsvoraussetzungen betreffenden und substantiierten Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft und die solcherart unterlassene Einräumung einer Frist zur Gegenäußerung durch den Angeklagten mit § 35 Abs 2 StPO nicht im Einklang.

Weil dies Mehmet B***** zum Nachteil gereicht, war spruchgemäß zu erkennen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte