OGH 13Os10/96

OGH13Os10/9610.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.April 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Petschnigg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Christian Karl G***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Franz K***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Wr.Neustadt als Schöffengericht vom 19.Oktober 1995, GZ 40 Vr 399/95-14, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr.Fabrizy, des Angeklagten Franz K***** und des Verteidigers Dr.Nurschinger zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des unmittelbaren Täters enthaltenden) Urteil wurde Franz K***** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er als Strafgefangener Ende November, Anfang Dezember 1994 in der Strafvollzugsanstalt Hirtenberg den Justizwachebeamten Christian G***** dazu bestimmt hatte, mit auf Schädigung des Staates in seinem konkreten Recht auf gesetzmäßigen Strafvollzug gerichtetem Vorsatz seine Befugnis, im Namen des Bundes zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Justizanstalt Hirtenberg zu sorgen, wissentlich zu mißbrauchen, indem er dem Angeklagten ca 20 Gramm Cannabisharz überließ. Der Angeklagte hatte den unmittelbaren Täter aufgefordert, für ihn das Suchtgift in die Justizanstalt zu schmuggeln (B).

Rechtliche Beurteilung

Seine dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Die Mängelrüge (Z 5) behauptet Undeutlichkeit des Ausspruches zur subjektiven Tatseite. Das Schöffengericht stellte jedoch zunächst fest, der Justizwachebeamte habe im Bewußtsein gehandelt, durch die Überlassung von Suchtgift an einen ihm zur Betreuung übergebenen Strafgefangenen seinen amtlichen Obliegenheiten zuwider zu handeln und damit den Staat in seinem Recht auf Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in einem Gefangenenhaus zu schädigen (US 6), womit es inhaltlich konstatierte, daß der Erstangeklagte sowohl in bezug auf seinen Befugnismißbrauch als auch auf die Schädigung des Bundes wissentlich handelte (§ 5 Abs 3 StGB). Mit der von der Beschwerde gerügten Feststellung, der Zweitangeklagte habe bei seiner auf das Einschmuggeln von Suchtgift gerichteten Aufforderung im Bewußtsein der faktischen und rechtlichen Tragweite für beide Angeklagte gehandelt (US 6 und 11), wurde zum Ausdruck gebracht, daß der Beschwerdeführer nicht nur selbst wissentlich in bezug auf den Befugnismißbrauch und die Schädigung des Bundes handelte, sondern daß auch die wissentliche Tatbegehung durch den Justizwachebeamten von seinem Vorsatz umfaßt war. Der behauptete Begründungsmangel liegt damit nicht vor.

Die zunächst den Mangel an Feststellungen zur subjektiven Tatseite relevierende Rechtsrüge (Z 9 lit a) entbehrt infolge Vernachlässigung der bereits dargelegten Urteilskonstatierungen der prozeßordnungsgemäßen Darstel- lung. Das Erstgericht stellte in diesem Zusammenhang "doppelte Wissentlichkeit" (vgl Fabrizy in WK, § 12 Rz 60) des Beschwerdeführers im Sinne des Wissens vom wissentlichen Befugnismißbrauch des unmittelbaren Täters fest, obgleich für die Strafbarkeit des Extraneus am Amtsmißbrauch dessen Wissen vom bloß vorsätzlichen (§ 5 Abs 1 StGB) Befugnismißbrauch des Intraneus genügt (Mayerhofer/Rieder, StGB4, § 302 E 83; Fabrizy aaO).

Desweiteren ist die Beschwerdeansicht, Straflosigkeit liege vor, weil das Einschmuggeln von Suchtgift in eine Justizanstalt nicht zu den Amtsgeschäften der Justizwache gehöre, verfehlt. Den Justizwachebediensteten obliegt die Sicherung der Ordnung innerhalb der Anstalt. Sie haben darüber zu wachen, daß sich die Strafgefangenen so verhalten, wie es im Strafvollzugsgesetz und den darauf gegründeten Vorschriften und Verfügungen allgemein oder im Einzelfall angeordnet ist. Insbesondere ist angemessen dafür vorzusorgen, daß die Begehung strafbarer Handlung sowohl durch Strafgefangene als auch an ihnen hintangehalten wird (§ 102 Abs 1 StVG).

Der Vollzug der Freiheitsstrafe soll den Verurteilten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepaßten Lebenseinstellung verhelfen und sie abhalten, schädlichen Neigungen nachzugehen. Dazu sowie zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen sind die Strafgefangenen nach Maßgabe der Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes und der darauf gegründeten Vorschriften von der Außenwelt abzuschließen, sonstigen Beschränkungen ihrer Lebensführung zu unterwerfen und erzieherisch zu beeinflussen (§ 20 Abs 1 und 2 StVG). Sie haben alles zu unterlassen, was die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt oder sonst die Verwirklichung der Grundsätze des Strafvollzuges gefährden könnte (§ 26 Abs 2 erster Satz StVG) und dürfen weder Geld noch andere als die ihnen bei der Aufnahme belassenen oder später ordnungsgemäß überlassenen Gegenstände in ihrem Gewahrsam haben (§ 33 Abs 1 StVG). Berauschende Mittel dürfen von den Straf- gefangenen nicht bezogen werden (§§ 34 Abs 1 zweiter Satz, 91 Abs 2 zweiter Satz StVG; vgl dazu insbesondere die Ausführungen von Foregger/Schausberger zur Gefahr des Einschmuggelns von Suchtgift in StVG MTA2, Anm II zu § 91).

Ein Justizwachebeamter der dagegen verstößt, verletzt seine Amtspflicht und mißbraucht seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen.

Die Beschwerde übersieht, soweit sie releviert, der Schädigungsvorsatz des Erstangeklagten sei nicht auf ein konkretes staatliches Recht gerichtet gewesen, daß die wesentlichen Zwecke des Strafvollzuges selbst ein solches konkretes staatliches Rechtsgut darstellen, dessen relevante Beeinträchtigung einen Schaden bewirkt (Mayerhofer/Rieder aaO E 73 und 77; SSt 55/85). Die Unterbindung des Erwerbes und Besitzes von Suchtgift durch Strafgefangene ist ein wesentliches Ziel des Strafvollzuges. Inwieweit dessen Überlassung an einen Strafgefangenen diesem persönlich die Strafverbüßung erleichtert, ist irrelevant. Dem Erstgericht ist somit auch diesbezüglich kein Feststellungsmangel unterlaufen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 302 Abs 1 StGB zu neun Monaten Freiheitsstrafe und wertete dabei die Anstiftung (gemeint: Bestimmung) des Justizwachebeamten als erschwerend, als mildernd jedoch den Beitrag des Angeklagten zur Wahrheitsfindung. Die dagegen erhobene Berufung strebt bedingte Strafnachsicht (§§ 43, 43 a StGB) an.

Sie ist insoweit im Recht, als der Erschwerungsgrund der Bestimmung vorliegend in der Unterordnung der Tat unter § 12 StGB aufgeht (Mayerhofer/Rieder, aaO, § 33 E 27 a und 28). Damit ist aber für den Angeklagten im Sinn der nach §§ 43 und 43 a StGB zu stellenden Prognose nichts gewonnen. Hat doch der bisher oftmals wegen Suchtgiftdelikten Verurteilte die Tat ausschließlich deshalb begangen, um sich während des Vollzuges einer über ihn wegen § 12 Abs 1 SGG, § 15 StGB; § 16 Abs 1 SGG verhängten Freiheitsstrafe in den Besitz von Suchtgift zu setzen. Die bisherige Ergebnislosigkeit bloßer Strafdrohungen (siehe zuletzt vor allem ON 41 in 6 b Vr 8902/90, Milderung der dort verhängten Freiheitsstrafe nach § 410 StPO, § 23 a Abs 2 SGG, mit den Wirkungen des § 43 Abs 1 StGB; vgl dazu auch nach der aktuellen Tat ON 35 in 6 b Vr 688/94, bedingte Nachsicht eines Strafrestes im Wege des § 8 AmnestieG 1995; beides Landesgericht für Strafsachen Wien) lassen die Erwartung künftiger Straffreiheit (auch unter Bedachtnahme auf das gesamte Vorleben des Beschwerdeführers) und somit die Anwendung bedingter Strafnachsicht, in welcher Form auch immer, nicht zu.

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