OGH 6Ob647/95

OGH6Ob647/9528.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Johann Quendler, Dr.Alexander Klaus, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Kurt B*****, *****ienzeile 23, vertreten durch Dr.Gerd Tschernitz, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 1.September 1995, GZ 1 R 213/95-27, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 10.Mai 1995, GZ 24 C 61/94g-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Streitsache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die klagende Partei begehrt die Räumung der im zweiten Stock des Hauses ***** P***** ostseitig gelegenen Wohnung im Ausmaß von rund 60 m2 mit dem Vorbringen, sie habe von der Kärntner ***** AG, diese wiederum von der Verlassenschaft nach der am 27.7.1991 verstorbenen Susanne Elisabeth K***** die Liegenschaft EZ 159 KG ***** mit den Häusern H*****straße 218 und 220 erworben und sei Eigentümerin dieser Liegenschaft.

Die Rechtsvorgängerin Susanne K***** habe das Haus H*****straße 218 in P***** an die Susanne K***** GesmbH vermietet, welche darin ein Kaffeehaus betrieben und andere Räumlichkeiten zum Teil untervermietet habe. Dieses Mietverhältnis sei mit Genehmigung des Verlassenschaftsgerichtes durch Vereinbarung vom 21.9.1993 einvernehmlich zum 30.9.1993 aufgelöst worden.

Der Beklagte habe mit Mietvertrag vom 11.9.1991 die im zweiten Stock ostseitig gelegene Wohnung von der Susanne K***** GesmbH als Untermieter gemietet. Der Beklagte sei von der Auflösung des Hauptmietverhältnisses in Kenntnis gesetzt und zur Räumung des Untermietgegenstandes aufgefordert worden. Seit der Auflösung des Hauptmietverhältnisses und der erfolgten Verständigung benütze der Beklagte das Bestandobjekt titellos und sei zur Räumung verpflichtet.

Der Beklagte wandte ein, er habe mit der Hauseigentümerin Susanne K***** persönlich über die Wohnung einen mündlichen Hauptmietvertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Der am 11.9.1991 abgeschlossene Vertrag mit der Susanne K***** GesmbH sei ausschließlich in der Absicht geschlossen worden, dem Beklagten im Sinne des § 2 Abs 3 MRG die Stellung eines Hauptmieters zu nehmen. Der Hauptmietvertrag zwischen Susanne K***** und der Susanne K***** GesmbH sei ein Umgehungsgeschäft, das nur darauf abgezielt habe, das Mietverhältnis mit dem Beklagten leichter zur Auflösung bringen zu können. Seine Hauptmietrechte seien durch den Auflösungsvertrag vom 21.9.1993 nicht erloschen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren unter Zugrundelegung folgender Feststellungen ab:

1988 betrieb Susanne K***** im Erdgeschoß des Hauses P*****, H*****straße 218, ein Kaffeehaus und hatte im Zuge eines Umbaues Garconnieren zur Vermietung errichtet. 1988 wurde die Susanne K***** GesmbH gegründet, wobei 80 % der Geschäftsanteile Susanne K***** und 20 % deren Lebensgefährte Franz K***** hielt. Im Juni 1988 kam zwischen Susanne K***** als Liegenschaftseigentümerin und dem Beklagten ein mündlicher Mietvertrag auf unbestimmte Zeit über die streitgegenständliche Wohnung zustande. Weil die Investitionen, insbesondere der Umbau des Hauses Susanne K***** in eine wirtschaftlich schlechte Lage gebracht hatten, trug sie sich mit dem Gedanken, das Objekt zu veräußern. Um höhere Mieteinnahmen zu erzielen und für den Fall der Veräußerung des Hauses die abgeschlossenen Mietverträge leichter zur Auflösung bringen zu können, wurde mündlich ein Hauptmietvertrag zwischen Susanne K***** und der Susanne K***** GesmbH abgeschlossen und Franz K***** als Geschäftsführer der GesmbH beauftragt, Untermietverträge mit den Mietern abzuschließen. Es war vereinbart, daß die Susanne K***** GesmbH nicht nur das im Erdgeschoß des Hauses eingerichtete Kaffeehaus betreibe, sondern auch alle Agenden hinsichtlich der Vermietung und Verpachtung einzelner Liegenschaftsteile wahrnehme. Die GesmbH leistete keine Mietzinszahlungen an Susanne K*****. Diese verstarb am 27.7.1991. In der Folge schloß Franz K***** als Geschäftsführer der GesmbH mit dem Beklagten am 11.9.1991 einen schriftlichen Untermietvertrag.

Mit Vereinbarung vom 21.9.1993, abgeschlossen zwischen der Verlassenschaft nach Susanne K*****, vertreten durch eine Verlassenschaftskuratorin und der Susanne K***** GesmbH wurde der zwischen Susanne K***** und der Susanne K***** GesmbH geschlossene Mietvertrag zum 30.9.1993 aufgelöst. Mit Schreiben vom 26.9.1993 wurde der Beklagte von der Auflösung des Mietverhältnisses in Kenntnis gesetzt und mit Schreiben vom 6.10.1993 zur Räumung aufgefordert.

Am 26.9.1991 beendete Franz K***** seine Tätigkeit als Geschäftsführer der Susanne K***** GesmbH. Mit Beschluß vom 31.12.1991 des Landesgerichtes Klagenfurt wurde die Susanne K***** GesmbH aufgelöst und befindet sich seither in Liquidation.

Der Beklagte benützt die streitgegenständliche Wohnung weiterhin. Bis September 1991 leistete er den vereinbarten Mietzins an Susanne K***** bzw deren Lebensgefährten persönlich, ab Abschluß des schriftlichen Mietvertrages vom 11.9.1991 entrichtete er den Mietzins an die Susanne K***** GesmbH. Die Wohnung wird vom Beklagten in den Sommermonaten ständig, im Winter fallweise benützt.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, der zwischen Susanne K***** und der GesmbH geschlossene Hauptmietvertrag habe lediglich den Zweck gehabt, kündigungsrechtliche Bestimmungen zu umgehen und im Falle der Veräußerung des Bestandobjektes die bestehenden Mietverhältnisse auflösen zu können. Der GesmbH sei es lediglich darum gegangen, aus der Untervermietung Gewinn zu erzielen. Um dies zu ermöglichen, sei die Mietvertragskonstruktion gewählt worden. Mit dem Beklagten habe aber bereits seit 1988 ein mündlicher Mietvertrag mit der Liegenschaftseigentümerin bestanden. Der Beklagte habe daher Hauptmietrechte an der Wohnung erworben, eine Auflösung des Mietverhältnisses unterliege daher den kündigungsschutzrechtlichen Bestimmungen des MRG, das auf titellose Benützung gestützte Räumungsbegehren bestehe daher nicht zu Recht.

Das Berufungsgericht gab der auf unrichtige Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtige rechtliche Beurteilung gestützten Berufung der klagenden Partei keine Folge.

Aufgrund eines vom Amts wegen eingeholten Grundbuchsauszuges stellte es fest, daß als Eigentümerin der Liegenschaft im Grundbuch nach wie vor Susanne K***** eingetragen ist. Solange der Erwerber die bücherliche Einverleibung noch nicht erwirkt habe, bleibe das Eigentum des Veräußerers bestehen. Erst ab der Einverleibung gingen die aus dem Eigentum entspringenden Rechte, wie Kündigungs- und Räumungsanspruch, auf den Erwerber über. Der klagenden Partei fehle, da ihr Eigentumsrecht nicht bücherlich einverleibt sei, die Sachlegitimation zur Erhebung der Räumungsklage. Der Beklagte habe den Einwand der mangelnden Aktivlegitimation zwar nicht erhoben, dieser könne aber auch von Amts wegen aufgegriffen werden, wenn er sich aus dem von den Parteien vorgebrachten Sachverhalt und/oder den festgestellten Tatsachen ergebe. Das Erstgericht habe die Frage des Eigentumsrechtes der klagenden Partei ungeprüft gelassen und hiezu keine Feststellungen getroffen. Die klagende Partei habe sich zum behaupteten Eigentum nur auf die entsprechenden Kaufverträge, nicht aber auf den Grundbuchstand berufen. Das fehlende Eigentum der klagenden Partei ergebe sich aus dem notorischen Grundbuchstand. Notorische Tatsachen müßten nicht behauptet werden, sondern seien vom Gericht der Entscheidung von Amts wegen zugrundezulegen. Auch das Berufungsgericht sei berechtigt, gerichtskundige Tatsachen der Entscheidung zugrundezulegen. Um die Parteien nicht zu überraschen, habe das Berufungsgericht den Grundbuchstand in der Berufungsverhandlung mit den Parteien erörtert. Der dort geäußerten Auffassung der klagenden Partei, ihr Eigentum sei in erster Instanz unbestritten geblieben, ein Einwand der mangelnden Aktivlegitimation nicht erhoben worden, könne das Berufungsgericht nicht zustimmen, weil eine amtswegige Wahrnehmung der mangelnden Sachlegitimation möglich sei.

Da sich das Klagebegehren schon aus diesem Grunde als unberechtigt erweise, müsse auf die Tatsachenrüge und die aufgeworfenen Rechtsfragen in der Berufung nicht mehr eingegangen werden.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil dem Berufungsgericht eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage nicht bekannt sei, ob der Mangel der Sachlegitimation von Amts wegen aufgegriffen werden könne, wenn er sich aus notorischen Tatsachen ergebe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig und im Sinne einer Aufhebung der berufungsgerichtlichen Entscheidung auch berechtigt.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß der Mangel der Sachlegitimation auch ohne ausdrückliche Einwendung zu beachten ist, wenn er sich bereits aus dem Klagevorbringen ergibt oder der Beklagte Tatsachen behauptet hat, aus denen der Mangel der Sachlegitimation bei rechtlicher Beurteilung folgt. Beide Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Die klagende Partei hat vorgebracht, die Liegenschaft EZ 159 KG ***** von der Kärntner L*****AG gekauft zu haben, welche diese ihrerseits von der Verlassenschaft nach der am 27.7.1991 verstorbenen Susanne Elisabeth K***** (diese war Gesprächspartnerin anläßlich des Abschlusses des Bestandvertrages mit dem Beklagten) erworben habe, und bezeichnet sich als Eigentümerin. Der Beklagte hat während des gesamten Verfahrens keinerlei Vorbringen erstattet, aus welchem rechtlich ein Mangel der Sachlegitimation abzuleiten gewesen wäre. Aus der bloßen Tatsache, daß sich die klagende Partei zum Beweis für die im Verfahren erster Instanz völlig unstrittige Rechtsnachfolge und ihr Eigentum auf Kaufverträge und nicht (auch) auf einen vorzulegenden Grundbuchauszug berufen hat, läßt sich eine fehlende Aktivlegitimation nicht ableiten. Steht die Tatsache als solche oder deren Offenkundigkeit nicht gänzlich außer Zweifel - und davon ist im vorliegenden Fall schon deshalb auszugehen, weil die Parteien sich nicht darauf berufen haben und auch das Berufungsgericht erst durch die amtswegige Beischaffung eines Grundbuchauszuges Kenntnis vom tatsächlichen Buchstand erlangte - muß das Gericht diese Tatsache im Zuge seiner materiellen Prozeßleitung mit den Parteien erörtern, eine Unterlassung würde einen erheblichen Verfahrensmangel im Sinne des § 496 Abs 1 Z 2 ZPO darstellen.

Auch die aus der noch mangelnden Einverleibung des Eigentumsrechtes der Klägerin vom Berufungsgericht gezogene rechtliche Schlußfolgerung der fehlenden Aktivlegitimation für die Räumungsklage ist unrichtig. Es entspricht der ständigen jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß der Erwerber einer verbücherten Liegenschaft in bestehende Bestandverträge vor Einverleibung seines Eigentumsrechtes im Grundbuch dann eintritt, wenn ihm der Veräußerer im Vertrag Besitz, Verwaltung und Nutznießung überläßt und der Bestandnehmer überdies der Vertragsübernahme zumindest schlüssig zustimmt. Mit der kaufvertraglichen Überlassung von Besitz, Verwaltung und Nutznießung an den Erwerber ist aber, soweit nicht § 42 Abs 2 MRG entgegensteht, regelmäßig die Abtretung der dem Bestandgeber aus dem Bestandverhältnis erwachsenden Rechte an den Erwerber der Liegenschaft impliziert. Die Abtretung von Rechten des Bestandgebers (Forderung auf Bezahlung des Bestandzinses, Kündigungsrecht oder auch Einbringung einer Räumungsklage) an den Erwerber ist unabhängig von der Zustimmung des Bestandnehmers wirksam (ecolex 1994, 226; JBl 1995, 525 und 526, JUS 1994, 1615 ua). Dies bedeutet aber, daß die klagende Partei der nach dem vorgelegten Kaufvertrag Besitz und Verwaltung eingeräumt wurde, (die immer noch im Grundbuch als Eigentümerin aufscheinende Susanne K***** ist vor mehr als vier Jahren verstorben!) jedenfalls zur Einbringung einer Räumungsklage legitimiert und deren Abweisung nur wegen mangelnder Sachlegitimation rechtlich verfehlt ist.

Das Berufungsgericht wird daher in seiner neuerlichen Entscheidung auf die umfangreiche Beweis- und Rechtsrüge der klagenden Partei in der Berufung einzugehen haben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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