OGH 6Ob2021/96s

OGH6Ob2021/96s28.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Zvonko V*****, geboren am 26.Dezember 1974, Arbeiter, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei Biljana V*****, geboren am 1.Mai 1975, Arbeiterin, ***** wegen Ehescheidung, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 6.Februar 1996, GZ 1 R 51/96z-7, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 30. Jänner 1996, GZ 1 C 1/96b-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt die Scheidung der am 30.5.1994 vor dem Standesamt Lustenau geschlossenen Ehe wegen Verschuldens der Beklagten. Beide Parteien seien Staatsangehörige von Restjugoslawien. Nach der Eheschließung hätten sie in der Wohnung des Klägers in Lustenau die eheliche Lebensgemeinschaft geführt. Die Beklagte habe diese jedoch bereits nach zwei Monaten aufgehoben und den Kläger verlassen. Sie halte sich seither bei ihren Eltern in der Schweiz auf.

Über Aufforderung des Erstgerichtes, eine Meldebestätigung vorzulegen, aus welcher sich ergebe, daß die Beklagte nach dem 30.5.1994 ihren gewöhnlichen Aufenthalt beim Kläger in Lustenau gehabt habe, brachte dieser vor, eine Anmeldung der Beklagten während ihres gewöhnlichen Aufenthaltes in Lustenau sei unterblieben, weil die Gemeinde die Anmeldung von der Vorlage einer Aufenthaltsberechtigung abhängig mache. Um diese habe während des ehelichen Zusammenlebens noch nicht angesucht werden können, weil die Unterkunft des Klägers nicht den Wünschen der zuständigen Bezirkshauptmannschaft entsprochen habe. Die Parteien hätten daher seit ihrer Heirat eine neue Unterkunft gesucht. Dies sei während des gemeinsamen Aufenthaltes nicht gelungen, die Beklagte habe aber tatsächlich ab dem Tag der Eheschließung für die Dauer von zwei Monaten beim Kläger gewohnt und sei dann in die Schweiz zu ihren Eltern zurückgekehrt.

Das Erstgericht wies die Klage zurück. Voraussetzung für die inländische Gerichtsbarkeit sei, daß zumindest der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland habe und daß beide Ehegatten ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt hätten. Der Kläger habe das Vorliegen dieser Voraussetzungen in der Klage zu bescheinigen und dies auch nach Aufforderung nicht getan. Die beantragten Zeugen seien kein geeignetes Bescheinigungsmittel. Selbst nach der Darstellung des Klägers habe die Beklagte in Lustenau nie einen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt. Sie habe für Österreich keine Aufenthaltserlaubnis gehabt, weil die Wohnungsvoraussetzungen dafür nicht gegeben gewesen seien, und daher von vornherein nicht mit einer längeren Bleibe an diesem Ort rechnen können.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.

Der Aufenthalt einer Person bestimme sich ausschließlich nach den tatsächlichen Umständen, wobei auf die körperliche Anwesenheit unabhängig von der Erlaubtheit, Freiwilligkeit oder der Absicht der Person abzustellen sei. Ob ein gewöhnlicher Aufenthalt vorliege, hänge in erster Linie von der Dauer und Beständigkeit des Aufenthaltes ab. Für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthaltes müßten objektiv überprüfbare Umstände vorliegen, aus denen sich regelmäßig eine längere Dauer und Beständigkeit des Aufenthaltes an einem Ort ergebe und bei der von einer dauerhaften Beziehung zwischen Person und Aufenthaltsort gesprochen werden könne, möge auch der tatsächliche Aufenthalt erst begonnen oder bisher nur kurze Zeit gedauert haben. Die Umstände müßten darauf hindeuten, daß die Person diesen Ort zum Mittelpunkt ihres Lebens, ihrer wirtschaftlichen Existenz und ihrer sozialen Beziehungen mache. Nach dem Vorbringen des Klägers sei dessen Wohnung als gemeinsame Ehewohnung wegen ihrer fehlenden Eignung nicht in Betracht gekommen, die Parteien hätten jedenfalls - nicht beschränkt auf Lustenau - eine andere Wohnmöglichkeit gesucht, aber nicht gefunden. Zu berücksichtigen sei auch die persönliche Situation der Beklagten, die ohne Aufenthaltserlaubnis gewesen sei, so daß sie von vornherein nicht mit einem Verbleiben unter anderem in Lustenau habe rechnen können. Bei dieser Sachlage fehle es an der für die Annahme des gewöhnlichen Aufenthaltes erforderlichen Voraussetzung einer dauerhaften Beziehung zwischen der Person und dem Aufenthaltsort. Es könne auch nicht gesagt werden, daß zum damaligen Zeitpunkt keine Zweifel bestanden hätten, zwischen der Beklagten und ihrem Aufenthaltsort habe es sich nicht nur um eine vorübergehende Beziehung gehandelt. Damit fehle nach § 76 Abs 2 Z 3 erster Fall JN eine wesentliche Voraussetzung für das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil sich das Gericht an der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage des gewöhnlichen Aufenthaltes orientiert habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig; er ist auch berechtigt.

Das Rekursgericht hat zwar die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der §§ 66 Abs 2 und 76 Abs 2 JN richtig wiedergegeben, aber unzutreffend auf den vorliegenden Sachverhalt angewendet. Der Aufenthalt einer Person bestimmt sich, anders als deren Wohnsitz, der neben dem körperlichen Moment des tatsächlichen Aufenthaltes auch noch das Willensmoment der erweislichen, nach außen erkennbaren Absicht, dort einen bleibenden Aufenthalt zu nehmen, erfordert, ausschließlich nach tatsächlichen Umständen. Er wird nur durch die körperliche Anwesenheit bestimmt. Ob ein gewöhnlicher Aufenthalt vorliegt, hängt von seiner Dauer und Beständigkeit ab, es genügt aber, daß objektiv überprüfbare Umstände persönlicher oder beruflicher Art darauf hindeuten, daß die Person nicht bloß vorübergehend, sondern längere Zeit an diesem Ort bleiben werde, und sie diesen Ort zum Mittelpunkt ihres Lebens ihrer wirtschaftlichen Existenz und ihrer sozialen Beziehungen macht. Es ist in diesem Fall unerheblich, daß der tatsächliche Aufenthalt eben erst begonnen oder nur kurz gedauert hat (Mayer in Rechberger ZPO Rz 3 zu § 66 JN mwN).

Nach dem Wortlaut des § 66 Abs 2 JN hängt der gewöhnliche Aufenthalt einer Person auch nicht von der Erlaubtheit des Aufenthaltes ab. Wenn daher die Beklagte nach der Eheschließung mit dem Kläger in dessen Wohnung, mag diese nach dem Aufenthaltsgesetz auch nicht als "ortsübliche Unterkunft" geeignet gewesen sein und der Beklagten deshalb die Aufenthaltsberechtigung (noch) gefehlt haben, eine eheliche Gemeinschaft einging, dann deuten objektiv überprübare Umstände persönlicher Art darauf hin, daß die Beklagte nicht bloß vorübergehend, sondern längere Zeit an diesem Ort bleiben werde. Daran ändert auch die Absicht der Streitteile nichts, eine andere, geeignetere Wohnung, doch wohl auch gemeinsam mit dem Kläger und in der Nähe dessen Arbeitsplatzes zu suchen; denn auf die Absicht, dauernd an einem Ort verbleiben zu wollen, kommt es nicht an, sondern nur darauf, daß der tatsächliche Aufenthaltsort zum Lebensmittelpunkt gemacht wurde. Dies war aber seit der Eheschließung, wenn auch ex post gesehen nur für die Dauer von zwei Monaten, der Fall. Eine Eheschließung und daran anschließende Aufnahme der ehelichen Gemeinschaft an einem bestimmten Ort deuten aber keineswegs darauf hin, daß ein Ehepartner erkennbar bloß vorübergehend und nicht längere Zeit an diesem Ort bleiben werde. Die Kriterien für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthaltes der Beklagten sind daher erfüllt, so daß in Stattgebung des Revisionsrekurses wie im Spruch zu entscheiden war.

Der Kostenausspruch beruht, da kein Zwischenstreit vorliegt, auf § 50 ZPO.

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