OGH 6Ob2059/96d

OGH6Ob2059/96d28.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag.Wolfgang I*****, Steuerberater, ***** vertreten durch Dr.Christian Kleinszig, Dr.Christian Puswald, Rechtsanwälte in St.Veit an der Glan, wider die beklagte Partei Ing.Georg K*****, Bürgermeister, ***** vertreten durch Dr.Ulrich Polley, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung (Streitwert S 240.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 12. Juli 1995, GZ 3 R 48/95-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 29.Dezember 1994, GZ 24 Cg 100/94a-9, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"1. Der Beklagte ist schuldig, es zu unterlassen, im Zusammenhang mit der von der Gemeinde T***** geförderten Betriebsansiedlung der Firma F***** im Bereich des Schlosses T***** Behauptungen aufzustellen, ein einstimmiger Gemeinderatsbeschluß aller drei Gemeinderatsfraktionen sei durch die FPÖ nach offensichtlichen Geheimgesprächen zwischen Gemeinderat M***** und dem Kläger (Bürgerinitiative) geändert worden und der Kläger sei offensichtlich als "Belohnung für die Verhinderung" in den Wohnbauförderungsbeirat des Landes als Vertreter der FPÖ entsandt worden.

2. Der Beklagte ist schuldig, in der nächsten Ausgabe der Broschüre "Aktuell" Informationsblatt der Sozialdemokraten in der Marktgemeinde T***** nachstehenden Widerruf zu veröffentlichen:

Widerruf

In der Ausgabe vom 11.3.1993 haben wir im Zusammenhang mit dem gescheiterten Projekt der Betriebsansiedlung F***** beim Schloß T***** unter der Überschrift "Verhinderung des Betriebsneubaues F*****" unter anderem berichtet, der bis dahin einstimmige Beschluß aller drei Gemeinderatsfraktionen sei durch die FPÖ nach offensichtlichen Geheimgesprächen zwischen GR M***** und Mag.I***** (Bürgerinitiative) geändert worden und Mag.I***** (Bürgerinitiative gegen F*****) sei offensichtlich als "Belohnung für die Verhinderung" in den Wohnbauförderungsbeirat des Landes als Vertreter der FPÖ entsendet worden. Diese Behauptungen sind unwahr, es hat keine Geheimgespräche zwischen Gemeinderat M***** und Mag I***** gegeben, dessen Entsendung in den Wohnbauförderungsbeirat war keine Belohnung, die Tätigkeit erfolgt unentgeltlich.

Hingegen werden die Mehrbegehren

a) der Beklagte sei schuldig, auch Behauptungen zu unterlassen, die geeignet sind, den Kläger als jemanden darzustellen, der generell die Ansiedlung einer Betriebsanlage der Firma F***** im Gemeindegebiet von T***** verhindere, dabei auch die Gefährdung von Arbeitsplätzen, Steuereinnahmen und der Erhaltung des Kulturgutes Schloß T***** in Kauf nehme;

2. in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift "Aktuell" Informationsblatt der Sozialdemokraten in der Marktgemeinde T***** auch nachstehenden Widerruf zu veröffentlichen: In der Ausgabe vom 11.3.1994 haben wir unter der Überschrift "Verhinderung des Betriebsneubaues F*****" unter anderm auch berichtet, Arbeitsplätze und Steuereinnahmen für die Gemeinde T***** seien kein Grund gewesen, die Betriebsansiedlungsbemühungen zu unterstützen, diese Darstellung sei unrichtig, richtig sei vielmehr, für Mag.I***** seien Arbeitsplätze und Steuereinnahmen sehr wohl ein Grund, die Betriebsansiedlung im Gemeindegebiet der Marktgemeinde T***** zu unterstützen, er wende sich lediglich gegen den konkreten Standort im Bereich des Schlosses T***** wegen massiver Bedenken aus Sicht der Raumordnung und im Interesse der unmittelbaren Nachbarschaft,

abgewiesen.

Die Vertretungskosten der Verfahren aller drei Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei an anteiligen Barauslagen 14.520 S binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte bemühte sich als Bürgermeister der Marktgemeinde T***** im Bereich des Schlosses T***** eine Betriebsstätte der Fleischverarbeitungsfirma F***** anzusiedeln. Gegen diese Betriebsansiedlung an diesem Standort formierte sich eine Bürgerinitiative, der der Kläger als Mitglied und führender Sprecher angehörte.

Das Informationsblatt der Sozialdemokraten der Gemeinde T***** "Aktuell", welches im März 1994 im Rahmen des Wahlkampfes zur Kärntner Landtagswahl "an einen Haushalt" der Gemeinde T***** versandt wurde, enthält im Rahmen der Darstellung der Arbeit der Sozialdemokraten auf Seite 2 nachstehenden Text:

"Es stellt sich die Frage: Wie soll es weitergehen, wenn berechtigte Projekte und Vorhaben verhindert, verzögert oder in Frage gestellt werden?

Dazu einige Beispiele:

Verhinderung des Betriebsneubaues F***** mit Hilfe von SPÖ und GR M*****! (auch *****)

Beweis:

Änderung des bis dahin einstimmigen Beschlusses aller drei Gemeinderats-Fraktionen durch die FPÖ nach offensichtlichen Geheimgesprächen zwischen GR M***** und Mag.I***** (Bürgerinitiative).

Die Bemühungen unseres Bürgermeisters, den High-Tech-Betrieb in unserer Marktgemeinde anzusiedeln, veranlaßten M***** (FPÖ), die Vorgangsweise des Bürgermeisters verfassungsrechtlich (!) überprüfen zu lassen.

Arbeitsplätze und Steuereinnahmen für die Marktgemeinde sowie die Erhaltung und Sanierung des Kulturgutes Schloß T***** waren für die FPÖ kein Grund, den Betrieb einstimmig zu unterstützen (!); für die SPÖ-Mandatare waren es die Hauptgründe, sich für die Betriebsansiedlung F***** einzusetzen.

Interessant:

Mag.I***** (Bürgerinitiative gegen F*****) wurde offensichtlich als "Belohnung für die Verhinderung" in den Wohnbauförderungsbeirat des Landes als Vertreter der FPÖ entsendet.

Das Informationsblatt enthält auf der letzten Seite die Aufforderung, die SPÖ mit der Stimme bei der Landtagswahl zu unterstützen und die Unterschrift "Ihr Bürgermeister" mit dessen Faksimile-Unterschrift. Im Impressum wird als für den Inhalt verantwortlich für die SPÖ Gemeindeorganisation T***** der Beklagte angeführt.

Der Kläger stellte nachstehendes, auf § 1330 ABGB gestütztes Begehren:

"1. Der Beklagte ist schuldig, Behauptungen zu unterlassen, die geeignet sind, den Kläger als jemanden darzustellen, der generell die Ansiedlung einer Betriebsanlage der Firma F***** im Gemeindegebiet von T***** verhindert, der in diesem Zusammenhang politisch einseitige Geheimgespräche führe und dabei auch die Gefährdung von Arbeitsplätzen, Steuereinnahmen und die Erhaltung des Kulturgutes Schloß T***** in Kauf nehme und sich darüber hinaus für diese einseitige Haltung belohnen ließe;

2. Der Beklagte ist schuldig, in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift "Aktuell" Informationsblatt der Sozialdemokraten in der Marktgemeinde T***** nachstehenden Widerruf zu veröffentlichen:

Widerruf

In der Ausgabe vom 11.3.1994 haben wir unter der Überschrift Verhinderung des Betriebsneubaues F***** unter anderem berichtet, es hätte Geheimgespräche zwischen Gemeinderat M***** (FPÖ) und Mag.I***** gegeben. Arbeitsplätze und Steuereinnahmen für die Marktgemeinde T***** wären kein Grund gewesen, die Betriebsansiedlungsbemühungen zu unterstützen. Interessant sei, daß Mag.I***** als Belohnung für die Verhinderung der Betriebsanlage F***** in den Wohnbauförderungsbeirat entsandt worden sei.

Diese Darstellung ist unrichtig. Richtig ist vielmehr:

Es hat keine Geheimgespräche zwischen Gemeinderat M***** und Mag.I***** gegeben. Für Mag.I***** sind Arbeitsplätze und Steuereinnahmen sehr wohl ein Grund, die Betriebsansiedlung im Gemeindegebiet der Marktgemeinde T***** zu unterstützen, er wendet sich lediglich gegen den konkreten Standort im Bereich des Schlosses T***** wegen massiver Bedenken aus Sicht der Raumordnung und im Interesse der unmittelbaren Nachbarschaft. Die Entsendung des Mag.I***** in den Raumordnungsbeirat ist keine Belohnung. Diese Tätigkeit übt Mag.I***** unentgeltlich und auf Kosten seiner Freibzw Arbeitszeit aus.

Er führte aus, die im Informationsblatt gegen ihn erhobenen unrichtigen Vorwürfe seien geeignet, seinen persönlichen und wirtschaftlichen Ruf und sein Fortkommen als Steuerberater, der insbesondere Unternehmer vertrete, zu gefährden.

Der Beklagte wandte ein, aus dem Druckwerk gehe nicht hervor, daß es sich um Äußerungen des Beklagten handle, die Äußerungen seien überdies wahr und nicht ehrenrührig und richteten sich in den inkriminierten Stellen weitgehend nicht gegen den Kläger, sondern nur gegen die FPÖ. Das Widerrufsbegehren sei unschlüssig, eine Gegendarstellung sei nach § 1330 ABGB nicht vorgesehen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Zugrundelegung folgender wesentlicher Feststellungen vollinhaltlich statt:

Die Broschüre "Aktuell" wird von der Sozialdemokratischen Partei insbesondere im Zuge von Wahlauseinandersetzungen herausgegeben. Die Firma F***** betreibt im Bereich des Areals des Schlosses T***** eine Erzeugung von Rohpökelware ("Schloßschinken"). Sie plante eine Betriebserweiterung. Nachdem eine solche auf einem Grundstück in T***** an einer Bürgerinitiative, welcher der Kläger nicht angehört hatte, gescheitert war, bestand ab Jänner 1992 die Absicht, den Produktionsveredelungsbetrieb beim Schloß T***** zu erweitern, ein Projekt, dem zunächst alle Parteien im Gemeinderat von T***** positiv gegenüberstanden. Es sollte auch eine Sanierung des Schlosses mit Mitteln der Gemeinde, des Landes und des Bundesdenkmalamtes erfolgen. Die für den Betrieb geplante Baufläche grenzt direkt an das Grundstück des Klägers. F*****, ein Cousin des Klägers, ist Eigentümer des Schlosses und des daran angrenzenden, von ihm bereits betrieblich genutzten Areals, während der Kläger Eigentümer des unmittelbar daran anschließenden rund 3 ha großen Schloßparkes und seines dort befindlichen Einfamilienhauses ist. Der Kläger gehörte zu der von den Anrainern gegründeten "2.Bürgerinitiative", welche die von der Gemeinde T***** geplante und für den Produktionsbetrieb notwendige Widmungsänderung von Bauland-Dorfgebiet bzw Grünland-Landschafts- in Bauland-Leichtindustriegebiet bekämpfte. Hiezu fanden seitens der Gemeinde und auch der Bürgerinitiative öffentliche Informationsgespräche und Veranstaltungen statt, bei welchen der Kläger das Fleischwerk neben dem Schloß verhindern wollte. Einzelgespräche, insbesondere "Geheimgespräche" des Klägers mit dem FPÖ-Gemeinderat M***** fanden nicht statt.

Im Herbst 1992 forderte der Kläger, auch ein Gutachten des Raumordnungsbeirates einzuholen, welches ablehnend war. Im Mai 1993 wurde in der Gemeinderatssitzung gegen die Stimme des FPÖ-Gemeinderates M***** zugunsten einer Umwidmung des vorgesehenen Geländes beim Schloß gestimmt. Auch in der Kärntner Landesregierung stimmte der Raumordnungsbeirat auch mit der Stimme des Beklagten (als dessen Mitglied als Präsident des Gemeindebundes) mehrheitlich für die Umwidmung. Gemeinderat M***** meldete wegen Befangenheit des Beklagten verfassungsrechtliche Bedenken an. Da das Projekt, insbesondere seitens der opponierenden Bürgerinitiative fachlich und politisch noch immer sehr umstritten war, wurde in der Landesregierung im Juli 1993 entschieden, noch eine Umweltverträglichkeitsprüfung einzuholen. Dies bedeutete für die Firma F***** eine solche Verzögerung mit dem Beginn des Projektes, daß sie, insbesondere aber auch im Hinblick auf den EU-Beitritt Österreichs, der die wirtschaftliche Realisierung in Frage stellte, von der geplanten Betriebserweiterung beim Schloß T***** Abstand nahm.

Unabhängig von seiner Tätigkeit in der Bürgerinitiative wurde der Kläger, der nicht Mitglied der FPÖ ist, von dieser, wie dies schon seit langem vorgesehen war, als Unabhängiger im Frühjahr 1993 in den Wohnbauförderungsbeirat entsandt, der seine Tätigkeit durch unbezahlte, ehrenamtliche Mitglieder ausübt.

Als Folge des Engagements des Klägers in der Bürgerinitiative wurde ihm von Freunden und Klienten vorgeworfen, unternehmerfeindlich zu agieren.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, der Kläger werde in dem gegenständlichen Artikel sowohl optisch als auch in bezug auf den Text in ein Naheverhältnis zur FPÖ gebracht; ein unbefangener Durchschnittsleser beziehe daher sämtliche gegen die FPÖ gerichteten Vorwürfe auch auf den Kläger. Die unwahren, vom Beklagten jedenfalls fahrlässig verbreiteten Vorwürfe seien geeignet, dem Kläger in seinem beruflichen Fortkommen zu schaden; gemäß § 1330 Abs 2 ABGB seien daher sowohl das Unterlassungs- als auch das Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge, bestätigte hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens, änderte aber hinsichtlich der im Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren enthaltenen Gegendarstellung im klageabweisenden Sinn ab.

Es führte aus, in dem Artikel sei zwar nicht ausdrücklich behauptet, der Kläger habe generell die Ansiedlung einer Betriebsanlage der Firma F***** im Gemeindegebiet von T***** verhindert. Durch die allgemeine Formulierung "Verhinderung des Betriebsneubaues F*****" in Verbindung mit der Behauptung, der Kläger habe sich für die Verhinderung belohnen lassen, könne nicht ausgeschlossen werden, daß die angesprochenen Leser den Eindruck hätten gewinnen können, der Kläger habe schlechthin gegen Ansiedlungspläne der Firma F***** in der Gemeinde T***** opponiert. Bei Mehrdeutigkeit einer Äußerung habe der Äußernde die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten zu lassen. Im übrigen habe nach den Feststellungen nicht der Kläger den Betrieb verhindert.

Auch wenn die im Artikel enthaltenen Aussagen einer differenzierenden Beurteilung bedürften und nicht pauschal auf den Kläger zu beziehen seien, werde nach dem Gesamteindruck doch ein Naheverhältnis des Klägers zur FPÖ vermittelt, wenngleich mit der Behauptung "Arbeitsplätze und Steuereinnahmen für die Marktgemeinde sowie die Erhaltung und Sanierung des Kulturgutes T***** waren für die FPÖ kein Grund, den Betrieb einstimmig zu unterstützen" ausdrücklich nur die FPÖ angesprochen worden sei. Es könne daraus der Vorwurf, der Kläger nehme die Gefährdung von Arbeitsplätzen und der Erhaltung des Kulturgutes T***** in Kauf, abgeleitet werden. Der Vorwurf von Geheimgesprächen und der Belohnung des Klägers erwecke den Eindruck, er habe sich bei seiner Tätigkeit von eigennützigen Motiven leiten lassen. Ein solcher Vorwurf treffe die berufliche Situation und wirtschaftliche Wertschätzung des Klägers und habe sich als unwahr herausgestellt. Die beanstandeten Äußerungen stellten keineswegs bloß politische Werturteile, sondern konkrete, den Kläger herabsetzende und hinsichtlich ihrer Richtigkeit objektiv überprüfbare Tatsachenbehauptungen dar. Das Unterlassungsbegehren sei daher berechtigt. Daß kein ausdrückliches Widerrufsbegehren erhoben sei, bilde keinen relevanten Mangel, weil das Begehren auf Veröffentlichung eines Widerrufes implizite auch das Begehren auf den Widerruf selbst enthalte. Zwar müsse grundsätzlich angegeben werden, wem gegenüber der Widerruf abzugeben sei. Werde aber, wie hier, jene Publikation angegeben, in der die seinerzeit angesprochene Öffentlichkeit von der Widerrufserklärung in Kenntnis gesetzt werden solle, so sei dies ausreichend.

Die tatsachenwidrigen Behauptungen seien fahrlässig erhoben, daher seien auch das Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren berechtigt. Der Widerruf enthalte aber nicht die Verpflichtung zu einer Gegendarstellung, sondern nur die Zurücknahme einer Behauptung als unwahr. Eine Verpflichtung, die behaupteten unwahren Tatsachen richtigzustellen, also positive Angaben darüber zu machen, wie sich im Gegensatz zu den zu widerrufenden Äußerungen der Sachverhalt tatsächlich darstelle, könne aus dem Begriff des Widerrufs im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB nicht abgeleitet werden. Dieser Widerrufsanspruch sei nämlich ebenso wie jener nach § 7 Abs 1 UWG seiner rechtlichen Natur nach ein Beseitigungsanspruch und solle in einer Art Naturalherstellung die Wirkungen der unwahren Äußerungen beseitigen. Das Rechtsschutzbedürfnis des Widerrufsklägers werde durch die Zurücknahme der beanstandeten Erklärung den ursprünglichen Erklärungsempfängern gegenüber als unwahr befriedigt.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO umschriebenen Art nicht zu lösen gewesen seien.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit zulässig; sie ist auch teilweise berechtigt.

Das Berufungsgericht hat dem Unterlassungs-, Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren in zu weitem Umfang Berechtigung zuerkannt. Zunächst weist der Revisionswerber zutreffend darauf hin, daß dem inkriminierten Artikel der Vorwurf, der Kläger verhindere generell die Ansiedlung einer Betriebsanlage der Firma F***** im Gemeindegebiet von T*****, nicht entnommen werden kann. Zum Zeitpunkt des Erscheinens und der Verbreitung der Broschüre "Aktuell" im Landtagswahlkampf im März 1994 war seit mehr als zwei Jahren nur mehr das in der Gemeinde T***** sehr umstrittene Betriebserweiterungsprojekt mit dem Standort beim Schloß T***** Gegenstand der politischen Auseinandersetzung und auch des Gemeinderatsbeschlusses gewesen. Für die Gemeindebürger, die Adressaten der Broschüre, konnte daher nicht der Eindruck entstehen, der Kläger verhindere generell eine Betriebsansiedlung der Firma F*****. Daß er nur einen Standort beim Schloß verhindern wollte, geht auch klar aus dem Text hervor: Dieser nimmt ausdrücklich auf die Änderung des bis dahin einstimmigen Beschlusses aller drei Gemeinderatsfraktionen durch die FPÖ (nur für dieses Projekt gab es einen Gemeinderatsbeschluß) nach offensichtlichen Geheimgesprächen zwischen Gemeinderat M***** und Mag.I***** (Bürgerinitiative) Bezug und weist auf die (offenbar im Zusammenhang mit der Betriebserweiterung geplante) Sanierung des Kulturgutes Schloß T***** hin.

Der Kläger befand sich als Federführender der Bürgerinitiative in einem politischen Streit gegen den Bürgermeister und den Gemeinderat um ein Gemeindeprojekt. In einer solchen politischen Auseinandersetzung muß es den Opponenten in einer demokratischen Gesellschaft gestattet sein, wertende gegensätzliche Standpunkte auch in scharfer Form zu formulieren und Argumente, die für den eigenen Standpunkt sprechen, darzulegen. Das vom Kläger als rufschädigender Vorwurf empfundene Argument der "Gefährdung von Arbeitsplätzen, Steuereinnahmen und der Erhaltung des Kulturgutes Schloß T*****" stellt eine politische Wertung dar. Selbst wenn man unterstellte, daß es nach dem Wortlaut des inkriminierten Textes nicht nur gegenüber der FPÖ erhoben wurde, sondern wegen der Verknüpfung von FPÖ-Gemeinderat M***** und dem Kläger als Sprecher der Bürgerinitiative indirekt auch auf den Kläger gemünzt war, enthielt es nicht den Vorwurf eines persönlich unehrenhaften Verhaltens des Klägers und wäre daher nicht tatbildlich im Sinne des § 1330 Abs 1 oder Abs 2 ABGB.

Anders ist jedoch der Vorwurf von Geheimgesprächen mit einem FPÖ-Gemeinderat im Zusammenhang mit der Behauptung zu beurteilen, der Kläger sei offensichtlich als Belohnung für die Verhinderung in den Wohnbauförderungsbeirat des Landes als Vertreter der FPÖ entsandt worden. Hier kann der angesprochene Leserkreis den Eindruck gewinnen, der Kläger habe nicht aus Überzeugung von der politischen und sozialen Notwendigkeit der Verhinderung einer Betriebsansiedlung am beschlossenen Standort gehandelt, sondern aus eigennützigen, unlauteren Motiven zu seinem persönlichen Vorteil. Insoweit wird ihm aber nicht eine bloß politisch entgegengesetzte Wertung, sondern ein als unwahr erwiesenes, persönlich unehrenhaftes Verhalten unterstellt, das geeignet ist, seinen Ruf und sein wirtschaftliches Fortkommen zu gefährden. In diesem Umfang ist das Unterlassungs- und Widerrufsbegehren daher berechtigt.

§ 1330 Abs 2 ABGB sieht für fahrlässige Rufschädigungen einen Widerrufs- und Veröffentlichungsanspruch vor. Der Anspruch auf Widerruf unwahrer Tatsachen ist seinem Wesen nach ein Anspruch auf Aufhebung des durch die rechtswidrige Verbreitung verursachten Schadens und bedeutet nichts anderes als die Zurücknahme der Behauptung als unwahr. In der Widerrufserklärung sind die beanstandeten Mitteilungen ausdrücklich als unwahr zu bezeichnen. Die Veröffentlichung soll, um dem Beseitigungscharakter gerecht zu werden, gleich wirksam sein wie die Verbreitung der Falschmeldung und sich auf die tatsächlich aufgestellten Behauptungen beschränken. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur insoweit möglich, als dies zur Entkräftung des beim Empfänger der Mitteilung aus dem Gesamtzusammenhang und nicht nur aus einer einzelnen gewählten konkreten Formulierung zur Klarstellung notwendig ist. Eine Veröffentlichung in der begehrten Form des § 13 Mediengesetz, nämlich als Entgegnung, ist, mangels einer entsprechenden Vorschrift im § 1330 ABGB, nicht möglich (vgl WBl 1994, 385; MuR 1993, 55 ua).

Der Kostenausspruch beruht, da der Kläger mit rund der Hälfte seines Begehrens als unterlegen anzusehen ist, auf § 43 Abs 1 und § 50 ZPO.

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