OGH 9ObA18/96

OGH9ObA18/9627.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Manfred Dafert und Dr.Gerhard Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Yusuf S*****, Techniker, ***** vertreten durch Dr.Thaddäus Schäfer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei T***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Walter Waizer und Dr.Peter Waizer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 69.539,55 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. November 1995, GZ 15 Ra 22/95p-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 27.Juni 1995, GZ 47 Cga 66/95d-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.871,04 (darin S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Frage, ob der Kläger zu Recht entlassen wurde, zutreffend bejaht. Es reicht daher insofern aus, auf die eingehende Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers, seine Gebetsverrichtungen seien von der beklagten Partei genehmigt und in seiner Religionsfreiheit begründet gewesen, er habe eine etwaige Verweigerung der Dienstleistung nur angekündigt und die beklagte Partei habe durch das Anbot einer einvernehmlichen Auflösung auf ihr Entlassungsrecht verzichtet, entgegenzuhalten:

Es ist dem Kläger unbenommen, den Vorschriften seiner Religionsgesellschaft, auf eine bestimmte Art und Weise zu beten, nachzukommen. Nimmt er dazu jedoch Zeiten in Anspruch, in denen er arbeitsvertraglich zur Arbeitsleistung verpflichtet ist und verrichtet er seine aufwendigen Gebetsrituale in Gegenwart anderer nicht islamischer Mitarbeiter im Betrieb, kommt es zu der vom Berufungsgericht aufgezeigten Interessenkollision. Einerseits wird der betriebliche Arbeitsablauf gestört, wenn der Kläger etwa ohne Rücksicht auf Arbeitsaufträge am Freitag mittags ein Bethaus aufsucht, ohne daß die Möglichkeit einer Einarbeitung der versäumten Zeit besteht, und andererseits kommt es zur Störung seiner Mitarbeiter, denen die vom Kläger beanspruchten Grundrechte auf Glaubens- und Gewissensfreiheit ebenfalls zustehen. Insofern kommt der in § 8 ARG zum Ausdruck gebrachten gesetzgeberischen Wertung Beachtlichkeit zu, daß die zur Ausübung religiöser Pflichten erforderliche Freizeit zu gewähren ist, wenn die Freistellung von der Arbeit mit den Erfordernissen des Betriebes vereinbar ist.

Der Geschäftsführer der beklagten Partei hatte dem Kläger vorerst zwar das Beten im Betrieb gestattet; er war vom Kläger aber nicht darüber aufgeklärt worden, welches Ritual er dabei einhalten werde. Dieser Irrtum berechtigte ihn, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, die Erlaubnis zu widerrufen. Richtig ist, daß die bloße Ankündigung einer Dienstverweigerung mangels Beharrlichkeit in der Regel nicht tatbestandsmäßig ist (vgl Kuderna, Entlassungsrecht2 115 mwH). Anders ist es aber, wenn der Arbeitnehmer - wie hier der Kläger - nach den Umständen des Falls keinen Zweifel daran läßt, daß er die Arbeitszeit und die Weisungen des Arbeitgebers nicht einhalten bzw die Störungen des Betriebes fortsetzen werde (vgl 9 Ob A 192/91; auch Arb 9691). Der Kläger ließ keinen Zweifel daran, daß er auch im Betrieb weiter so beten müsse, wie es seine Religion vorschreibe (Waschungen, Gebetsteppich u.dgl.). Die beklagte Partei mußte daher in diesem Fall mit der Entlassung nicht solange zuwarten bis der Kläger, der sich noch im Urlaub befand, sein Vorhaben tatsächlich fortsetzte.

Einen Verzicht der beklagten Partei auf ihr Entlassungsrecht hat der Kläger bisher nicht eingewendet. Dafür wäre er aber behauptungs- und beweispflichtig gewesen. Ein solcher Verzicht könnte dem Verhalten des Geschäftsführers der beklagten Partei auch nicht entnommen werden, zumal dieser unmißverständlich auf eine sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses drängte. Daraus kann keinesfalls geschlossen werden, daß ihm die Weiterbeschäftigung des Klägers während der Kündigungsfrist (vier Wochen) zumutbar gewesen wäre. Die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses scheiterte letztlich an den finanziellen Forderungen des Klägers.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO begründet.

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