OGH 7Ob2067/96p

OGH7Ob2067/96p27.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden (gekündigten) Partei Suzanne L*****, Frankreich, vertreten durch Dr.Franz Josef Salzer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte (kündigende) Partei Dr.Herbert U*****, vertreten durch Dr.Johannes Hübner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Übergabe einer Wohnung und Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 31. Oktober 1995, GZ 41 R 645,651/95-19, mit dessen Punkt II infolge Berufung der klagenden Partei die Punkte 2 bis 4 des Urteiles des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 2.Juni 1995, GZ 3 C 524/94b-13, abgeändert wurden, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird in seinem Punkt II dahin abgeändert, daß die Punkte 2 bis 4 des Urteiles des Erstgerichtes wiederhergestellt werden.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.038,88 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 676,48 Umsatzsteuer und S 1.980 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist Eigentümer des Hauses Wien *****. Mit Mietvertrag vom 17.1.1966 mietete die Klägerin von der Rechtsvorgängerin des Beklagten die Wohnung top Nr 4 in diesem Haus, bestehend aus vier Zimmern, zwei Kabinetten, Küche, Bad und Vorzimmer mit einer Gesamtfläche von 153 m2. Im Mietvertrag wurde der Klägerin ein bis 31.12.1970 befristetes Weitergaberecht eingeräumt. Die Wohnung diente der Klägerin zunächst als Ehewohnung. Im Zuge eines Scheidungsverfahrens verließ die Klägerin die Wohnung für rund zwei Jahre, zog jedoch nach der Scheidung im Jahr 1972 wieder in die Wohnung ein. Im Jahr 1981 übersiedelte die Klägerin nach Frankreich, wo sie neuerlich heiratete.

Bis zum Jahr 1989 wurde die Wohnung faktisch als Dienstwohnung für Geschäftspartner und Dienstnehmer der M.u.D.G***** KG (seit 1988 M.u.D.G***** GmbH) benützt. Seit dem Jahr 1989 stand die Wohnung leer.

Nachdem im Jahr 1983 die Hausverwaltung auf ein anderes Unternehmen übergegangen war, wurde zunächst für das Bestandobjekt kein Mietzins vorgeschrieben. Später wurde der Zins unter dem Namen Suzanne G***** eingezahlt (G***** war der Mädchenname der Klägerin). Im März 1990 trat wieder ein Wechsel in der Hausverwaltung ein. Seither wurde der Klägerin der Zins regelmäßig wieder unter ihrem Mädchennamen vorgeschrieben und von der M.u.D.G***** GmbH gezahlt. Dem nunmehrigen Hausverwalter ist seit dem Frühjahr 1990 bekannt, daß die gegenständliche Wohnung von niemandem benutzt wurde. Dem früheren Hausverwalter und dem Kläger waren diese Umstände jedoch nicht bekannt.

Mit Schreiben vom 12.6.1990 wendete sich der neue Hausverwalter im Wege der M.u.D.G***** KG an die Klägerin mit der Bitte, ihm Unterlagen über die Mietrechte beizubringen. Der Vertreter der Klägerin teilte darauf mit, daß die Klägerin ihre Mietrechte an die M.u.D.G***** KG weitergegeben habe.

Am 30.7.1991 kündigte der Beklagte der Klägerin die Wohnung - unter Angabe des Namens Suzanne Ch***** und einer Adresse in Paris - aus den Kündigungsgründen des § 30 Abs 2 Z 4, 6 und 7 MRG gerichtlich auf. Nachdem diese Aufkündigung in (Schein-)Rechtskraft erwachsen war, wurde die Räumung am 14. und 19.5.1992 im Exekutionswege vollzogen. Am 17.8.1992 beantragte die Klägerin die neuerliche Zustellung der Aufkündigung und erstattete Einwendungen. Am 31.8.1992 wurde der Klägerin die neuerliche Zustellung der Aufkündigung bewilligt. In diesem Beschluß wurde festgestellt, daß der Name der Klägerin richtig Suzanne L***** lautet, daß sie unter der in der Aufkündigung angegebenen Pariser Anschrift nie gewohnt hat und ihr die Aufkündigung demnach bisher nicht zugestellt worden ist. Am 29.10.1992 zog der Beklagte die Aufkündigung (im Hinblick auf den Einwand der Fristverfehlung) zurück.

Nachdem die streitgegenständliche Wohnung im Mai 1992 exekutiv geräumt worden war, vermietete sie der Beklagte (wiederum unter Einräumung eines Weitergaberechtes). Die Wohnung wird von den derzeitigen Mietern nach wie vor benützt.

Die am 28.10.1992 von den Gesellschaftern der M.u.D.G***** KG gegen den Beklagten erhobene Klage auf Übergabe der Wohnung an sie wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 17.3.1994 abgewiesen. Darin wurde festgestellt, daß die von diesen Klägern behauptete Weitergabe der Mietrechte an sie nicht habe als erwiesen angenommen werden können und rechtlich daraus abgeleitet, daß der Klägerin nach wie vor die Mietrechte zustünden.

Mit der im führenden Akt erhobenen Klage begehrte die Klägerin vom Beklagten mit der Behauptung, daß das Mietverhältnis noch aufrecht und der Beklagte bei der Weitervermietung an Dritte schlechtgläubig gewesen sei, die Übergabe des Bestandobjektes an sie; hilfsweise begehrte die Klägerin die Feststellung, daß ihr der Beklagte für alle Schäden hafte, die ihr in Zukunft daraus entstehen sollten, daß der Beklagte die Wohnung weitervermietet habe und zur Rückgabe an die Klägerin nicht in der Lage sei.

Am 16.5.1994 kündigte der Beklagte der Klägerin die Wohnung zum 30.9.1994 abermals auf. Die Wohnung diene seit mehr als zehn Jahren nicht mehr der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses der Klägerin und sei zur Gänze weitergegeben worden. Die Aufkündigung erfolge nur aus Gründen der Vorsicht und unter Aufrechterhaltung des Standpunkts, daß der Bestandvertrag jedenfalls durch die vorangegangene Aufkündigung und die im vorangegangenen Verfahren abgegebene Erklärung der Klägerin, daß sie mit der Wohnung nichts mehr zu tun habe bzw zu tun haben wolle und diese abgegeben habe, als aufgelöst anzusehen sei.

Die Klägerin beantragte die Aufhebung der Aufkündigung. Nach der Scheidung von ihrem ersten Ehemann habe sie das Mietrecht der M.u.D. G***** KG übertragen. Da die Absprachen - bedingt durch das familiäre Verhältnis - nur kursorisch gewesen seien, sei im Vorprozeß, den die Gesellschafter der KG gegen den Beklagten angestrengt hätten, nicht der Nachweis einer Weitergabe des Mietrechtes gelungen. Nachdem die Klägerin ihren Wohnsitz in Frankreich genommen habe, habe die KG die Wohnung übernommen. Teilweise hätten Dienstnehmer, teilweise ausländische Gäste des Unternehmens darin gewohnt. Die (Schein-)Rechtskraft der ersten Aufkündigung habe der Beklagte in rechtswidriger Weise durch Angabe eines unvollständigen Namens der Klägerin und einer unrichtigen Adresse erwirkt. Mit Rücksicht auf alle diese Tatsachen erfolge die vorliegende Aufkündigung rechts- und vertragswidrig. Dem Beklagten und seinem Verwalter seien aber auch die Umstände über die Benützung der Wohnung stets bekannt gewesen-Damit liege auch ein schlüssiger Verzicht auf die geltend gemachten Kündigungsgründe vor. Zwischen der Klägerin und der M-u.D.G***** KG bestehe seit 25 Jahren ein Untermietverhältnis. Auch dieser Umstand sei dem Beklagten und seinem Verwalter bekannt gewesen.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, der Klägerin das Bestandobjekt zu übergeben (Punkt 1), erklärte die Aufkündigung vom 9.6.1994 für rechtswirksam (Punkt 2) und verpflichtete die Klägerin, die Wohnung dem Beklagten geräumt zu übergeben (Punkt 3) sowie zum Kostenersatz (Punkt 4). Dem auf Übergabe der Wohnung an die Klägerin gerichteten Begehren sei stattzugeben gewesen, weil die Klägerin nach wie vor Mieterin der Wohnung sei. Aber auch die Kündigung des Beklagten sei für wirksam zu erklären gewesen, weil der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG vorliege. Nach der Übersiedlung der Klägerin nach Frankreich habe die M.u.D.G***** KG das Bestandobjekt als Untermieterin benützt. Ein dringender Bedarf der Hauptmieterin oder eintrittsberechtigter Personen sei nicht einmal behauptet worden. Von dieser Untervermietung sei dem Beklagten und seinem (früheren) Hausverwalter nichts bekannt gewesen. Nach dem Wechsel in der Person des Hausverwalters aber sei vom Beklagten fristgemäß vorgegangen worden. Die Aufträge zur Übergabe laut Punkt 1 und 3 des Spruches höben einander auf, weshalb der Bestandgegenstand dem Hauseigentümer verbleibe.

Das Berufungsgericht bestätigte Punkt 1 des Urteiles des Erstgerichtes (Punkt I der Entscheidung des Berufungsgerichtes), änderte aber die Punkte 2 und 3 des Urteiles des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Aufkündigung aufhob (Punkt II des Urteiles des Berufungsgerichtes). Das Begehren der Klägerin im führenden Akt auf Übergabe des Bestandobjektes sei auch unter dem Aspekt der Doppelvermietung berechtigt. Eine Doppelvermietung berühre das Recht des ersten Mieters nicht. Die Verurteilung zur Leistung in derartigen Fällen sei immer dann möglich, wenn noch eine ernstzunehmende, ins Gewicht fallende Chance bestehe, daß die Leistung wenigstens zu einem späteren Zeitpunkt erbracht werden könne. Nur dann, wenn mit Sicherheit oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehe, daß eine Leistung auch in Zukunft nicht erfolgen könne, wäre ein derartiges Leistungsbegehren abzuweisen. Daß das zweite Mietverhältnis niemals beendet werden könne, habe der Beklagte nicht behauptet. Unrichtig sei aber sein Standpunkt, daß das Bestandverhältnis zur Klägerin schlüssig beendet worden sei.

Die Aufkündigung sei jedoch aufzuheben gewesen. Der Vermieter habe ihm bekannte Kündigungsgründe ohne unnötigen Aufschub geltend zu machen, weil sie sonst nicht mehr als wichtig im Sinne des § 30 Abs 1 MRG gewertet werden könnten. Bei Unterlassung einer Aufkündigung durch längere Zeit trotz Kenntnis des den Kündigungsgrund bildenden Sachverhalts sei das Verhalten des Vermieters regelmäßig als Verzicht auf die Geltendmachung dieses Kündigungsgrundes unter dem Gesichtspunkt des § 863 ABGB zu werten. Ob das Zuwarten mit der Aufkündigung keinen vernünftigen Grund daran zu zweifeln übrig lasse, daß der Vermieter den ihm bekannten Sachverhalt nicht mehr als Kündigungsgrund geltend machen wolle, sei nur aufgrund des objektiven Verhaltens zu treffen. Was sich die Parteien dabei gedacht hätten, sei nicht maßgebend.

Der Beklagte habe die geltend gemachten Kündigungsgründe schon mit der ersten Aufkündigung im Jahr 1991 verfolgt. Die Rücknahme der Kündigung sei zwar nur auf die Fristverfehlung der ersten Aufkündigung zurückzuführen. Die aber erst eineinhalb Jahre danach eingebrachte gegenständliche Aufkündigung stelle keine Fortführung einer klar erkennbaren Absicht des Vermieters dar, das Bestandverhältnis zu beenden. Die Klägerin habe daher das Zuwarten mit dem Einbringen einer neuerlichen Aufkündigung durch den Beklagten als schlüssigen Verzicht auf die Geltendmachung der vorliegenden Kündigungsgründe werten dürfen.

Rechtliche Beurteilung

Die nur vom Beklagten gegen Punkt II des Urteiles des Berufungsgerichtes erhobene außerordentliche Revision ist - entgegen den Ausführungen in der Revisionsbeantwortung - aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, weil das Berufungsgericht die Grundsätze über den schlüssigen Verzicht auf Kündigungsgründe auf den vorliegenden Fall unrichtig angewendet hat.

Den Ausführungen in der Revision, daß die Klägerin unter den vorliegenden Umständen das Zuwarten des Beklagten mit der Einbringung der gegenständlichen Aufkündigung nicht als schlüssigen Verzicht auf die Geltendmachung der darin enthaltenen Kündigungsgründe werten durfte, ist beizupflichten.

Kündigungsgründe sind zwar - worauf das Berufungsgericht zutreffend verwiesen hat - ohne unnötigen Aufschub geltend zu machen, weil sie sonst nicht mehr als "wichtig" (= dringend) angesehen werden können; in längerer Nichtgeltendmachung von Kündigungsgründen kann daher nach den Umständen ein schlüssiger Verzicht auf deren Geltendmachung liegen. Bei Dauertatbeständen, schwer durchschaubaren Rechtsverhältnissen, aber auch bei Verschleierungshandlungen des Mieters darf aus dem bloßen Zuwarten mit der Aufkündigung auf einen Verzichtswillen des Vermieters nicht geschlossen werden (Rummel in Rummel2, Rz 21 f zu § 863 ABGB, sowie Würth aaO, Rz 4 zu § 30 MRG und die dort angeführte Judikatur). Bei der Beurteilung eines schlüssigen Verzichts ist immer ein strenger Maßstab anzulegen (MietSlg 37.456; WoBl 1993/69 uva). Die Kenntnis des Vermieters oder seines Verwalters von allen Umständen, die den Kündigungsgrund bilden, ist jedenfalls erforderlich, um aus seinem Untätigwerden Schlüsse auf einen entsprechenden Rechtsfolgewillen ziehen zu können (MietSlg 36.411, 37.426, 39.440, 41.349, 42.327; WoBl 1992/15).

Nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen wurde dem nunmehrigen Hausverwalter erst im Frühjahr 1990 bekannt, daß die gegenständliche Wohnung von niemandem benützt wird. Daß dessen Vorgänger und dem Beklagten bekannt geworden sei, daß die Wohnung von der Klägerin seit dem Jahr 1981 nicht mehr bewohnt und bis zum Jahr 1989 von der M.u.D.G***** KG benutzt wurde, steht nicht fest. Maßgebend für die Beurteilung, ob ein Verzicht auf die geltend gemachten Kündigungsgründe vorliegt, kann daher nur der Zeitraum ab dem Frühjahr 1990 sein. Der Hausverwalter des Beklagten hat die Klägerin (im Wege der M.u.D.G***** KG) aber damals um Unterlagen über das Mietrecht der Klägerin ersucht und sodann die Auskunft erhalten, daß die Klägerin die Mietrechte längst weitergegeben habe. Am 30.7.1991 wurden Weitergabe und Nichtbenützung in der ersten Aufkündigung geltend gemacht. Die Rücknahme dieser Aufkündigung am 29.10.1992 hatte seine Ursache lediglich in der Fristverfehlung, die erst damals hervorgekommen war. Damals hatten aber schon die Gesellschafter der M.u.D.G***** KG den Kläger auf Übergabe des Bestandobjektes belangt und sich auf den Erwerb der Mietrechte durch Ausübung des der Klägerin eingeräumten Weitergaberechtes berufen. Nachdem mit dem in diesem Verfahren ergangenen Urteil vom 17.3.1994 eine solche Weitergabe nicht festgestellt und ausgesprochen worden war, daß die Klägerin nach wie vor als Mieterin der gegenständlichen Wohnung anzusehen sei, brachte der Kläger unverzüglich am 16.5.1994 die vorliegende Aufkündigung ein. Schon bei diesen Umständen durfte die Klägerin nicht mehr annehmen, daß der Beklagte mit dem Zuwarten mit der Einbringung einer weiteren Aufkündigung nach der Rücknahme seiner ersten Aufkündigung zu verstehen geben wollte, auf die Geltendmachung dieser Kündigungsgründe zu verzichten. Darüber hinaus war die Wohnung nach Eintritt der Scheinrechtskraft der ersten Aufkündigung weitervermietet worden, so daß sie die Klägerin gar nicht benützten hätte können. Unter diesen Umständen konnte die Klägerin auch nicht annehmen, daß ihr der Beklagte trotz Vorliegens von Kündigungsgründen das Bestandrecht nicht streitig machen wolle.

Die Kündigungsgründe des § 30 Abs 2 Z 4 und Z 6 MRG wurden verwirklicht. Die Klägerin hat das Bestandobjekt nach ihrem Wohnsitzwechsel nach Frankreich im Jahr 1981 faktisch der M.u.D.G***** KG überlassen und selbst nicht mehr bewohnt. Seit dem Jahr 1989 aber stand die Wohnung leer. Ein eigenes dringendes Wohnbedürfnis oder ein solches eintrittsberechtigter Personen hat die Klägerin nicht behauptet; es wäre unter den vorliegenden Umständen aber auch nicht erkennbar. Mangels Verzichts des Beklagten auf die Geltendmachung der vorliegenden Kündigungsgründe schadet es nichts, daß die Klägerin die Wohnung zum Zeitpunkt der Zustellung der vorliegenden Aufkündigung nicht mehr benützen konnte. Da die Kündigungsgründe bereits verwirklicht waren, kommt es nicht mehr darauf an, daß sie von der Klägerin bis zur vorliegenden Aufkündigung nicht mehr fortgesetzt werden konnten. Maßgebend für das Vorliegen von Kündigungsgründen ist zwar der Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung an den Kündigungsgegner (EvBl 1965/89; MietSlg 30.464, 35.388 uva). Der Oberste Gerichtshof stellt bei der Beurteilung des Vorliegens des Kündigungsgrundes gemäß § 30 Abs 2 Z 4 MRG allerdings auf den Zeitpunkt der Weitergabe des Bestandgegenstandes ab und berücksichtigt bei der von diesem Zeitpunkt aus zu erstellenden Zukunftsprognose auch Umstände, die für das Gericht erst nach der Zustellung der Aufkündigung abschließend beurteilbar geworden sind (MietSlg 36.407, 37.421, 39.435/49; WoBl 1991/88); doch dürfen dabei nur Rückschlüsse bezogen auf den für die Entscheidung maßgebenden Zeitraum gezogen werden. Ein dringendes Wohnbedürfnis der Klägerin oder eintrittsberechtigter Personen ergibt sich auch unter Beurteilung dieses Zeitraums nicht. Der Einwand der Klägerin, daß ihr der Beklagte durch Erschleichen der Scheinrechtskraft der ersten Aufkündigung das Bestandobjekt widerrechtlich entzogen habe, kommt nicht mehr zum Tragen, weil zum Zeitpunkt der Erhebung der ersten Aufkündigung beide Kündigungsgründe verwirklicht waren und danach - bis zum Schluß der Verhandlung - keine Hinweise hervorgekommen sind, die die Annahme eines dringenden Wohnbedürfnisses der Klägerin oder eintrittsberechtigter Personen geboten hätten. Ob der Vorwurf des Erschleichens der (Schein-)Rechtskraft zutrifft, war daher nicht zu prüfen.

Somit war das Urteil des Erstgerichtes in den aus dem Spruch ersichtlichen Punkten wieder herzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Im Berufungsverfahren über die Aufkündigung sind dem Beklagten mangels Erstattung einer Berufungsbeantwortungund mangels Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung keine Kosten erwachsen.

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