OGH 7Ob2033/96p

OGH7Ob2033/96p27.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stefan E*****, vertreten durch Dr.Markus Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei I***** AG, ***** vertreten durch Dr.Günter Zeindl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen restl. S 233.541,64 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 19.Jänner 1996, GZ 4 R 1059/95g-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 4.Oktober 1995, GZ 40 Cg 106/95i-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger war Leasingnehmer eines KKW Audi 80 TDI Avant, welcher erstmals am 29.4.1993 zugelassen wurde. Für dieses Fahrzeug besteht bei der Beklagten eine Kaskoversicherung.

Am 17.10.1994 wurde dem Kläger das Fahrzeug in Mailand zwischen 5.00 und 9.00 Uhr gestohlen. Der Kläger hatte ein Hotel nahe der Autostrada Milano - Venezia im Osten von Mailand aufgesucht. Zwischen dem Hoteleingang und der dort vorbeiführenden Via Mecenate liegt ein unbewachter Hotelparkplatz; daneben befindet sich ein bewachter Parkplatz, von welchem aus die Möglichkeit besteht, auf einen weiteren, mit einem Eisentor verschlossenen und bewachten Parkplatz zuzufahren. Insgesamt stehen vor dem Hotel ca. 250 bewachte Parkplätze zu einem Preis von (umgerechnet) S 150,-/Nacht den Hotelgästen zur Verfügung. Bei der Hotelrezeption ist ein Schild mit dem Hinweis angebracht, daß Gäste, welche kostspielige Autos fahren, diese an der Rezeption melden sollen. Der unbewachte Parkplatz ist nachts beleuchtet und von der Hotelrezeption aus einsehbar. Auch er ist gegen die Via Mecenate mit einem Schranken abgesichert, der, als der Kläger auf den Parkplatz fuhr, offenstand.

Der Kläger erkundigte sich nicht näher um einen bewachten Abstellplatz. Er fährt regelmäßig nach Mailand und weiß, daß es dort immer wieder zu Fahrzeugdiebstählen kommt. Rom, Mailand und Neapel liegen in der gesamt-italienischen Diebstahlsstatistik für Kraftfahrzeuge an der Spitze.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung des Zeitwertes des Fahrzeuges, des versicherten Zubehörs sowie mitversicherter Sachen. Sein Fahrzeug sei ein typisches Durchschnittsfahrzeug. Er habe keine Veranlassung gesehen, es auf einen bewachten Parkplatz abzustellen.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Der Kläger habe den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt, weil er sein Fahrzeug nicht auf den unmittelbar neben dem Hotel befindlichen bewachten Parkplatz gestellt habe. Fahrzeuge der vorliegenden Type seien ein besonders bevorzugtes Diebstahlsobjekt.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Dem Kläger sei grobe Fahrlässigkeit anzulasten. Daß ein als begehrtes Diebstahlsobjekt bekanntes Fahrzeug in einer besonders diebstahlsgefährdeten Gegend auf einem bewachten Parkplatz abzustellen sei, sei eine naheliegende Überlegung, die der Kläger nicht angestellt habe.

Das Berufungsgericht erkannte das Klagebegehren mit Zwischenurteil als dem Grunde nach zu Recht bestehend und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Dem Kläger könne der Vorwurf der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls nicht gemacht werden. Nicht jedes Fahrzeug eines Reisenden müsse zur Erhaltung des Versicherungsschutzes aus der Kaskoversicherung in besonders diebstahlsgefährdeten Gegenden stets auf bewachten Parkplätzen abgestellt werden. Bei ausgesprochenen Luxusfahrzeugen mit einem hohen Wert sei die Rechtsprechung zwar bisher von einer solchen Verpflichtung ausgegangen. Das Fahrzeug des Klägers sei aber kein Luxus- sondern ein Durchschnittsauto gewesen, dessen Wert zum Zeitpunkt des Diebstahls sicher nicht mehr als S 300.000,- betragen habe.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Beklagten erhobene Revision ist - ungeachtet des nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichtes (§ 508 a ZPO), daß die ordentliche Revision zulässig sei, - unzulässig im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO.

Grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls liegt nach der Rechtsprechung (SZ 56/166; VR 1991, 325; VR 1993, 105; VR 1993, 139; VR 1993, 389; VR 1994, 218 uva) vor, wenn das Verhalten des Versicherungsnehmers aus der Menge der auch für den Sorgfältigsten nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens als geradezu auffallend sorglos hervorsticht. Das trifft dann zu, wenn der Versicherungsnehmer ohne weiteres zumutbare, einfache und naheliegende Vorsichtsmaßnahmen außer acht läßt. Stets kommt es auf alle Umstände des Einzelfalles an, erst ihre Gesamtbetrachtung ermöglicht die Wertung des Verhaltens. Eine Festlegung der Umstände, wann das Abstellen eines kaskoversicherten Fahrzeuges auf einen unbewachten Parkplatz als grob fahrlässig zu beurteilen ist, ist nicht möglich. Es können die besonderen Merkmale des Fahrzeuges (besonders hoher Wert, Liebhaberstück), die wegen der Häufigkeit von Autodiebstählen in einem bestimmten Gebiet erteilten Ratschläge, das sichtbare Zurücklassen wertvoller Gegenstände im Fahrzeug udgl für die Beurteilung ausschlaggebend sein. Eine allgemeine Verpflichtung, Fahrzeuge in besonders diebstahlsgefährdeten Gegenden nicht auf unbewachten Parkplätzen oder auf Straßen abzustellen, besteht für den kaskoversicherten Kraftfahrer nicht.

Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht durchaus im Rahmen der von der Rechtsprechung festgelegten Grenzen entschieden. Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob die Umstände des Einzelfalls die Annahme der grob fahrlässigen Herbeiführung des Sicherungsfalls gerechtfertigt hätten, berührt wegen ihrer Einzelfallsbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (ZVR 1986/11).

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision aus dem Grunde des § 502 Abs 1 ZPO nicht hingewiesen.

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