OGH 1Ob2060/96i

OGH1Ob2060/96i26.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Andreas O***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Peter Fichtenbauer und Dr.Klaus Krebs, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen 2,100.210,02 DM sA, infolge "außerordentlicher Revision" der beklagten Partei gegen den Aufhebungsbeschluß und das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgerichts vom 7.September 1995, GZ 14 R 302/94-65, idF des Berichtigungsbeschlusses vom 2.Oktober 1995, GZ 14 R 302/94-66, folgenden

Beschluß

 

Spruch:

Das als außerordentliche Revision bezeichnete Rechtsmittel der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht erachtete das auf Amtshaftung - unterlassene Überprüfung von in die Bundesrepublik Deutschland exportiertem, ungeachtet seines Weingütesiegels nach § 19a WeinG 1961 mit dem verbotenen (SZ 63/166) Zusatz Diethylenglycol (DEG) versehenem Wein durch österreichische Weinaufsichtsorgane - gestützte Schadenersatz-Klagebegehren nur mit 1,937.550,10 DM sA als gerechtfertigt; das Mehrbegehren von DM 7,127.203,80 und S 119.582,65 wies es ab. Die zweite Instanz hob dieses Urteil in Ansehung eines Teilbetrags von 2,483.774,80 DM und 119.582,65 S, jeweils sA, ohne Zulassungsausspruch auf, sprach der klagenden Partei 2,100.210,02 DM sA zu und wies das Mehrbegehren von 4,480.769,08 DM sA ab. Der Zuspruch betrifft den Ersatz des Schadens der klagenden Partei aus dem von ihren Kunden zurückgenommenen und vernichteten Wein, den sie sonst nicht gekauft hätte, und dem zurückgezahlten Kaufpreis aus einer Reihe näher bezeichneter Rechnungen vom 20.März 1985 bis 3.Juli 1985 zuzüglich von hier nicht weiter relevanten Abfüll-, Sortier- und Rücknahmekosten.

Während das Erstgericht die Lieferungen von mit dem Weingütesiegel versehenem Wein bis 17.April 1985 ausschied, weil bis zu diesem Zeitpunkt kein rechtswidriges Organverhalten festgestellt werden könne, nahm das Berufungsgericht bereits bei den Siegelwein-Lieferungen ab dem 20.März 1985 eine Sorgfaltsverletzung der Weinaufsichtsbehörden an, habe doch der Leiter der Abteilung für Getränkeanalytik der Landwirtschaftlich-chemischen Bundesanstalt in Wien schon Mitte Jänner 1985 festgestellt, daß die ihm zugespielte Flüssigkeit, die Wein zugesetzt worden sein soll, DEG enthalte. Er habe bis 28.Jänner 1985 eine Analysemethode entwickelt, DEG in einem Zusatz ab 10 mg/l Wein nachzuweisen, doch seien die ersten amtlichen Proben erst um den 7./8.April 1985 gezogen und Zusätze von DEG in einem Ausmaß von über 10 mg/l festgestellt worden. Die "chemischen Lebensmitteluntersuchungsanstalten" (gemeint: Landwirtschaftlich-chemische Bundesanstalt) bzw das BMLF hätten aber sofort die Behauptung, die zugespielte Substanz (DEG) werde Wein beigesetzt, überprüfen und amtliche Proben ziehen müssen. Da vom Ziehen der ersten amtlichen Proben bis zur entsprechenden Weisung durch das BMLF am 25.April 1985 nur zwei bis drei Wochen vergangen seien, sei erkennbar, daß bei ernsthafter und sofortiger Prüfung der Behauptungen spätestens Ende Februar 1985 das am 18.April 1985 ermittelte Ergebnis verfügbar gewesen wäre. Ab diesem Zeitpunkt hätten Organe des BMLF bei Erteilung von Weingütesiegeln entweder einen entsprechenden Hinweis, daß Zusätze von DEG nicht überprüft worden seien, oder die Nachweisgrenze auf den Analyseblättern anbringen lassen oder bei unzureichender Analyse die Ausstellung derartiger Berechtigungen überhaupt unterlassen müssen. Bei entsprechender Vorgangsweise wäre somit spätestens ab Mitte März 1985 der klagenden Partei kein Schaden mehr durch die Unterlassung der gebotenen Maßnahmen entstanden.

Rechtliche Beurteilung

Die "außerordentliche Revision" der beklagten Partei bezeichnet das Anfechtungsinteresse mit 4,583.984,82 DM und 119.582,65 S, ficht das Teilurteil "zur Gänze" (erkennbar gemeint: den klagsstattgebenden Teil desselben) an und beantragt die Abänderung des Berufungsurteils im Sinn einer "gänzlichen Klagsabweisung". Soweit damit auch der aufhebende Teil der Berufungsentscheidung angefochten wird, ist das Rechtsmittel mangels eines Ausspruchs, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, jedenfalls unzulässig (§ 519 Abs 1 ZPO).

Im übrigen wird im Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO zur Darstellung gebracht. Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung 1 Ob 44/89 = SZ 63/166 = EvBl 1991/73 = ecolex 1991, 20 zu Ersatzansprüchen aus der Ausstellung von unrichtigen und unvollständigen Untersuchungszeugnissen nach dem WeinG 1961 eingehend dahin Stellung genommen, daß die Bestimmungen über die Weinaufsicht im WeinG 1961 auch zugunsten der Weinhändler Schutzgesetze iS des § 1311 ABGB seien.

Nach dem WeinG 1961, BGBl 1961/187 idF der Novelle BGBl 1983/391 - die letzte Novelle dieses Gesetzes, BGBl 1985/273, ist hier ebenso unanwendbar wie das WeinG 1985 - mußte Exportwein dessen Bestimmungen entsprechen. Die Ausfuhr war nur auf Grund eines Ausfuhrzeugnisses einer vom BMLF autorisierten Untersuchungsanstalt zulässig (§ 38 WeinG 1961); sogenannte "Qualitätsweine" mußten mit einem, durch die WeinG-Novelle 1971, BGBl 1971/334, eingeführten und behördlich geschützten Weingütesiegel nach § 19a WeinG 1961 und der WeingütesiegelV, BGBl 1972/469 idF BGBl 1981/453, versehen sein. Der BMLF hatte gemäß § 19a Abs 10 leg.cit. eine bereits erteilte Bewilligung für Siegelwein zurückzunehmen, wenn sich ua nachträglich herausstellte, daß dieser infolge seiner Veränderung in seiner Beschaffenheit nicht mehr als weingütesiegelfähig zu bezeichnen war, aber jedenfalls keine neuen Bewilligungen zur Verwendung des Weingutesiegels mehr zu erteilen.

Rechtsträger haften nach herrschender Auffassung nicht nur für grobes, sondern auch für leichtes, am Maßstab des § 1299 ABGB zu messendes Verschulden ihrer Organe (AnwBl 1994, 902 mit Anm von Pfersmann; SZ 65/125; zuletzt 1 Ob 8/95 mwN = ecolex 1996, 94; Schragel, AHG2 Rz 147). Gegenstand des klagestattgebenden Teils des Teilurteils und seiner Anfechtung ist die Frage, ab welchem Zeitpunkt Unterlassungen der Weinaufsichtsorgane als rechtswidrig-schuldhaft und damit haftungsauslösend zu beurteilen sind und ob bei rascherem Vorgehen bereits früher keine Weingütesiegel mehr für Exportweine zu vergeben gewesen wären. Dies betrifft jedoch wegen der ausschließlich im nicht revisiblen Sachverhalt liegenden Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO. Daß im vorliegenden Fall der Leiter der Abteilung für Getränkeanalytik der Landwirtschaftlich- chemischen Bundesanstalt in Wien nach Zumittlung der Probe zu Nachforschungen bzw Ermittlungen verhalten gewesen wäre, wird im Rechtsmittel ebensowenig in Frage gestellt wie das hoheitliche Handeln der genannten Bundesanstalt. Der Oberste Gerichtshof soll, von grundsätzlichen - hier nicht vorliegenden - Fragen abgesehen, nicht Entscheidungen über Art der Verschuldensabwägung und Schwere eines Verschuldens treffen. Dazu gehört wohl auch die Frage, ab wann unterlassene, von der Gefährlichkeit der Situation abhängige Aufsichtsmaßnahmen zumutbar gewesen wären.

Der Rechtsmittelvorwurf, es könnte nicht generell das allgemeine Lebens- und Geschäftsrisiko auf die öffentliche Hand überwälzt werden, entzieht sich einer Beurteilung durch das Amtshaftungsgericht.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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