OGH 6Ob2030/96i

OGH6Ob2030/96i14.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schwarz, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr.Harald Mlinar, Rechtsanwalt in St.Veit an der Glan, wider die beklagte Partei O*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Reinhold Glaser, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 752.636,20 S sA (Revisionsinteresse 737.236,20 S sA), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 8.November 1995, GZ 2 R 93/95-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 6.Februar 1995, GZ 13 Cg 228/94y-9, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes wird hinsichtlich der Abweisung des Mehrbegehrens von 737.236,20 S samt 5 % Zinsen seit 11.8.1994 sowie im Kostenausspruch aufgehoben. Insoweit wird die Sache an das Berufungsgericht zur Urteilsfällung und allfälligen Verhandlung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin und die Firma C***** erbrachten für die Beklagte im Frühjahr 1993 Transportleistungen aufgrund von CMR-Frachtbriefen. Hierüber wurden (teils auf deutsche Mark, teils auf österreichische Schilling lautende) Rechnungen gelegt. Die Transportleistungen wurden von der Beklagten nicht beanstandet.

Die Klägerin begehrt mit ihrer am 22.8.1994 beim Erstgericht eingelangten Klage die Bezahlung der durchgeführten Transporte.

Unter Bestreitung der Aktivlegitimation und einer Geschäftsbeziehung zur Klägerin beantragte die Beklagte die Abweisung der Klage. Die Beklagte habe von der Klägerin nur eine einzige Rechnung erhalten. Mit Ausnahme von vier Rechnungen seien die auf "CMR-Transportverträgen" beruhenden Forderungen verjährt (S 4 zu ON 7).

In der Tagsatzung vom 29.11.1994 legte die Klägerin eine Zessionsvereinbarung zwischen ihr und der Firma C***** sowie ein Konvolut von Rechnungen vor (S 2 zu ON 6; Beil E). In der letzten Tagsatzung vom 12.1.1995 brachte die Klägerin noch vor, daß es sich beim Vertrag zwischen der Firma C***** und der Beklagten um einen Gesamtvertrag handle und daß die Forderungen daher nicht verjährt seien (S 3 zu ON 7).

Das Erstgericht gab der Klage mit Ausnahme eines Mehrbegehrens vonn 7,5 % Zinsen aus dem Klagebetrag seit 11.8.1994 statt. Es stellte im wesentlichen fest, daß die Beklagte die Firma C***** und die Klägerin aufgrund eines Gesamtauftrages regelmäßig mit der Durchführung von Transporten beauftragt habe. Zunächst habe die Beklagte sämtliche Rechnungen anstandslos bezahlt; sie sei aber dann in Zahlungsschwierigkeiten geraten und habe deshalb keine Zahlungen mehr geleistet. Ein Großteil der offenen Rechnungen betreffe die Firma C*****. Diese habe ihre Forderungen zur Durchsetzung an die Klägerin zediert. Es handle sich dabei um Transportleisteungen für den Zeitraum vom 12.2.1993 bis 26.3.1993. Sämtliche Transporte seien aufgrund von CMR-Frachtbriefen durchgeführt worden. Über die Transportleistungen seien Rechnungen gelegt worden (das Erstgericht stellte diese Rechnungen auf S 3 f in ON 9 detailliert fest). Die Transportaufträge seien von der Firma C***** und von der Klägerin ordnungsgemäß durchgeführt worden, es habe keine Beanstandungen seitens der Beklagten gegeben. Auf die Mahnung einer Rechnungsforderung (Rechnungsnummer 96/93) habe die Beklagte auf Zahlungsschwierigkeiten nach einem Schadensfall hingewiesen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß die durchgeführten Transportleistungen von der Beklagten genausowenig beanstandet worden seien wie die in Rechnung gestellten Beträge. Der Verjährungseinwand sei nicht stichhältig. Es liege ein Gesamtauftrag vor, so daß die Verjährungsfrist nach den CMR erst nach Beendigung des Geschäftsverhältnisses zu laufen beginnen könne. Keine der an die Klägerin zedierten Rechnungsforderungen sei verjährt. Die festgestellte Zession sei rechtsverbindlich.

Die Klägerin ließ die Abweisung des Zinsenmehrbegehrens unbekämpft.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge. Es bestätigte die Klagestattgebung im Umfang von 15.400 S sA und wies das Mehrbegehren "nach Zuspruch von S 737.236,20" ab.

Von den vorgelegten Rechnungen betreffe nur eine die Klägerin, die übrigen aber die Firma C*****. Es sei der Beklagten zuzustimmen, daß die Klägerin im Verfahren erster Instanz behauptet habe, daß die Entgeltforderungen aus von ihr durchgeführten Transporten resultierten und daß sie sich nicht auf die Abtretung von Forderungen der Firma C***** gestützt habe. Die Feststellungen über eine Zession lägen außerhalb des geltend gemachten Klagegrundes und könnten deshalb nicht berücksichtigt werden. Die Klage sei daher, soweit sie auf Transporten der Firma C***** fuße, nicht berechtigt. Der Klägerin stehe nur eine Entgeltforderung für einen Transport in der Höhe von restlichen 2.200 DM zu. Diese Forderung habe die Beklagte durch Hingabe von Verrechnungsschecks bezahlen wollen und anerkannt. Dadurch sei die Verjährung unterbrochen worden. Es müsse daher gar nicht mehr geprüft werden, ob ein Gesamtauftrag vorgelegen sei und ob daraus abzuleiten sei, daß die Forderungen für die Transporte nicht verjährt seien.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es sei in der Rechtsfrage der Behandlung überschießender Beweisergebnisse nicht von der oberstgerichtlichen Judikatur abgewichen.

Mit ihrer außerordentlichen Revision beantragt die Klägerin die Abänderung der Entscheidung zweiter Instanz dahin, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung (unter Hinweis auf die Unzulässigkeit der Revision), der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß sogenannte "überschießende Feststellungen" des Erstgerichtes, die dieses aufgrund von über das Parteienvorbringen hinausgehenden Beweisergebnissen getroffen hat, vom Berufungsgericht nur dann wahrgenommen werden können, wenn sie in den Rahmen des geltend gemachten Klagegrundes oder einer bestimmten Einwendung fallen (JBl 1990, 786, 1992, 709; 7 Ob 8/95 uva). Es trifft auch zu, daß die Klägerin eine Zession der Forderungen der Firma C***** im Verfahren erster Instanz nicht ausdrücklich behauptet und nur eine Zessionsvereinbarung sowie Rechnungen des genannten Unternehmens vorgelegt hat (S 2 zu ON 6 und Beil E). Die Klägerin hat aber auch ein Sachvorbringen darüber erstattet, daß die Forderungen der Firma C***** nicht verjährt seien, weil es sich beim Vertrag zwischen diesem Unternehmen und der Beklagten um einen Gesamtvertrag handle (S 3 zu ON 7). Die Klägerin hat damit klar zu erkennen gegeben, daß sie (auch) die Forderungen der Firma C***** geltend macht und den in der Klage und im vorbereitenden Schriftsatz ON 3 vertretenen Standpunkt nicht aufrecht erhält, sämtliche Transportleistungen selbst erbracht zu haben. Die überschießenden Feststellungen des Erstgerichtes über eine Zession der Forderungen der Firma C***** an die Klägerin fallen daher noch in den Rahmen des geltend gemachten Klagegrundes. Bei dessen Prüfung ist das Gericht berechtigt, auch Beweisergebnisse, die über das Parteienvorbringen hinausgehen, zu beachten. Urteilsgrundlage ist das gesamte vom Prozeßrichter gesammelte Prozeßmaterial (EvBl 1971/179). Das Berufungsgericht hätte daher auf die weiteren in der Berufung der Beklagten ausgeführten Berufungsgründe, vor allem also auf die Beweisrüge zum Thema der vom Erstgericht festgestellten Zessionsvereinbarung allenfalls auch auf die eingewandte Verjährung einzugehen gehabt. Mangels Spruchreife war daher die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz im angefochtenen Umfang und soweit nicht bereits Teilrechtskraft vorliegt (hinsichtlich der Abweisung des Zinsenmehrbegehrens) aufzuheben und die Rechtssache im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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