OGH 3Ob117/95

OGH3Ob117/9513.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) mj.Fabio L*****, ***** und

2.) mj.Rosanna L*****, ***** ***** vertreten durch Rechtsanwälte Dr.Fritz Müller & Dr.Michael Müller Partnerschaft in Salzburg, wider die beklagte Partei Stadtgemeinde Salzburg, Salzburg, Schloß Mirabell, vertreten durch Dr.Rudolf Zitta, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unzulässigkeit einer Exekution und Feststellung des Eintritts in einen Mietvertrag, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 15.Mai 1995, GZ 54 R 53/95-35, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 14.Dezember 1994, GZ 15 C 1797/94-22, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den Klägern die mit S 5.358,14 (darin S 893,02 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 4.1.1899 geborene und am 19.4.1993 verstorbene Urgroßmutter der am 30.3.1985 und am 29.1.1988 geborenen Kläger war Mieterin einer Wohnung in einem im Eigentum der beklagten Partei stehenden Haus. Nachdem die Ehe der Eltern der Kläger am 29.7.1991 geschieden worden war, kam die Obsorge für sie zunächst der Mutter zu und wurde mit dem Beschluß des Pflegschaftsgerichts vom 7.7.1993 der mütterlichen Großmutter übertragen.

Die beklagte Partei kündigte der Verlassenschaft den Mietvertrag gerichtlich auf und führte nach dem Eintritt der Vollstreckbarkeit der Aufkündigung Exekution durch zwangsweise Räumung der Wohnung.

Die Kläger begehren mit ihrer pflegschaftsbehördlich genehmigten Klage den Ausspruch, daß die Räumungsexekution unzulässig sei, und ferner die Feststellung, daß sie in das Bestandverhältnis über die zu räumende Wohnung eingetreten sind und das Mietverhältnis ex lege auf sie übergegangen ist. Der Erstkläger habe seit seiner Geburt, die Zweitklägerin habe ab einem nur wenige Wochen nach der Geburt liegenden Zeitpunkt in der zu räumenden Wohnung im gemeinsamen Haushalt mit der Urgroßmutter gewohnt. Sie hätten keine andere Wohnmöglichkeit zur Verfügung und könnten sich eine solche auch nicht beschaffen, weil sie vermögens- und einkommenslos seien.

Die beklagte Partei bestritt, daß zwischen den Klägern und ihrer Urgroßmutter ein gemeinsamer Haushalt bestand. Die Kläger hätten auch kein dringendes Wohnbedürfnis, weil ihre Mutter Eigentümerin einer Wohnung sei, in der sie auf Grund ihres Unterhaltsanspruchs wohnen könnten. Überdies sei diese Wohnung der Mutter der Kläger von deren Großmutter nur zu dem Zweck geschenkt worden, um ein Wohnbedürfnis der Großmutter und der Enkelkinder konstruieren zu können. Die Schenkung sei daher rechtsmißbräuchlich vorgenommen worden und deshalb sittenwidrig. Die Klagebegehren seien schließlich auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil einem allfälligen Eintritt der Kläger nicht die erforderliche pflegschaftsbehördliche Genehmigung erteilt worden sei.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt und wies das die Unzulässigkeit der Exekution betreffende Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen folgendes fest:

Die Eltern der Kläger kümmerten sich um diese nicht. Die Kläger befanden sich am Tag des Todes ihrer Urgroßmutter "lange Zeit" im gemeinsamen Haushalt mit dieser und ihrer Großmutter. Sowohl die Urgroßmutter als auch die Großmutter mußten neben der Betreuung der Kläger noch aus ihren eigenen beschränkten Mitteln für den Unterhalt aufkommen, bis schließlich der väterliche Großvater zu regelmäßigen Unterhaltsleistungen herangezogen werden konnte. Die Kläger und ihre Urgroßmutter und Großmutter benützten gemeinsam alle Räume der den Gegenstand der Klage bildenden Wohnung. Sie leisteten beide ihrem Alter entsprechend Hilfsdienste. Die Urgroßmutter beaufsichtigte die Kläger und bemühte sich sogar, ihnen bei Schulaufgaben zu helfen. Die Großmutter der Kläger trug die überwiegende Last der Versorgung ihrer Mutter und ihrer Enkel. Die Kläger verfügen über keine andere Wohnmöglichkeit. Sie haben nicht auf das Recht des Eintritts in den Mietvertrag über die den Gegenstand der Klage bildenden Wohnung verzichtet. Alle darin befindlichen Sachen stehen im Eigentum der Großmutter der Kläger.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß die Kläger im gemeinsamen Haushalt mit ihrer Urgroßmutter gelebt hätten. Sie hätten in der zu räumenden Wohnung auch ein dringendes Wohnbedürfnis, weil sie keine eigenen Benützungsrechte an einer anderen Wohnung hätten. Da es sich um ein Eintrittsrecht kraft Gesetzes handle, könnten sie nicht auf eine Wohnmöglichkeit im Verband ihrer Eltern oder Erziehungsberechtigten verwiesen werden. Der Eintritt in den Mietvertrag gemäß § 14 MRG erfordere keine pflegschaftsbehördliche Genehmigung, weil es dazu von Gesetzes wegen komme. Das Feststellungsbegehren sei daher berechtigt, die Klage nach § 37 EO setze hingegen voraus, daß das Räumungsbegehren die Fahrnisse des Eintretenden erfasse. Hier stünden aber die in der Wohung befindliche Fahrnisse im Eigentum der Großmutter der Kläger. Unter diesen Umständen stünde das Klagerecht nach § 37 EO allenfalls dieser, nicht aber ihnen zu.

Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung der Kläger das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es auch dem die Unzulässigkeit der Räumungsexekution betreffenden Klagebegehren stattgab, und bestätigte es infolge der Berufung der beklagten Partei in dem dem Feststellungsbegehren stattgebenden Teil. Es sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Dabei billigte es die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die Kläger in der zu räumenden Wohnung mit ihrer Urgroßmutter im gemeinsamen Haushalt gewohnt hätten. Alle Räume seien gemeinsam benützt worden und es hätten sich alle gegenseitig altersentsprechend unterstützt. Zwischen Urgroßmutter und Urenkeln könne kein strenger Maßstab an gemeinsames Wohnen und Wirtschaften gestellt werden, wenn man die unterschiedliche Interessenslage von Kleinkindern einerseits und Greisen andererseits ins Kalkül ziehe. Das Beweisverfahren habe nicht ergeben, daß ein gemeinsamer Haushalt nur zwischen der Großmutter der Kläger und diesen bestand und die Urgroßmutter einen eigenen Haushalt führte. Es sei aber auch das dringende Wohnbedürfnis der Kläger zu bejahen, weil ihnen eine sichere Wohnmöglichkeit bei der Mutter oder der Großmutter nur bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit zur Verfügung stünde. Diese Wohnmöglichkeit könne daher der Wohnmöglichkeit, die mit dem Eintritt in das Mietverhältnis ihrer Urgroßmutter verbunden sei, nicht als rechtlich gleichwertig angesehen werden. Nach der herrschenden Auffassung müsse der Eintritt in das Mietverhältnis auch nicht pflegschaftsbehördlich genehmigt werden, weil die im § 14 MRG festgelegte Sonderrechtsnachfolge kraft Gesetzes, also auch ohne Willen der Beteiligten, eintrete und es nur zum Ausschluß dieser Sonderrechtsnachfolge einer Willenserklärung bedürfe. Unter diesen Umständen sei nicht nur das Feststellungsbegehren, sondern es sei auch das die Unzulässigkeit der Räumungsexekution betreffende Klagebegehren berechtigt. Das von den Klägern erworbene Bestandrecht mache es unmöglich, daß die bewilligte Räumungsexekution ohne Beeinträchtigung ihrer Rechte durchgeführt werde. Es sei daher nicht entscheidend, in wessen Eigentum die Fahrnisse stünden, die sich in der zu räumenden Wohnung befinden.

Rechtliche Beurteilung

Die von der beklagten Partei gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Der Eintritt in das Mietverhältnis des verstorbenen Mieters setzt gemäß § 14 Abs 3 MRG neben dem - hier nicht zweifelhaften - Naheverhältnis zum Mieter voraus, daß der Eintrittsberechtigte schon bisher im gemeinsamen Haushalt mit dem Mieter in der Wohnung gewohnt und daß er ein dringendes Wohnbedürfnis hat. Schon die Vorinstanzen haben zu Recht angenommen, daß die Kläger mit ihrer Urgroßmutter im gemeinsamen Haushalt gelebt haben. Dies setzt ein auf Dauer berechnetes gemeinsames Wohnen und Wirtschaften voraus (SZ 64/93; Miet 40.303, 38.309 ua). Nicht strittig ist, daß die Kläger in der zu räumenden Wohnung ihren Lebensschwerpunkt haben und dort mit ihrer Urgroßmutter gemeinsam gewohnt haben (Miet 40.303, 39.300, 38.309 ua). Gemeinsames Wirtschafen setzt zwar im allgemeinen voraus, daß die Bedürfnisse des täglichen Lebens auf gemeinsame Rechnung befriedigt werden (SZ 64/93; Miet 39.300, 29.345); Art und Intensität hängen aber jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab (Miet 41.432, 33.368, 30.407 ua). Bei großen Einkommens- oder Altersunterschieden schadet es daher nicht, wenn nur ein Teil die gesamten Kosten trägt und der andere nichts beiträgt (Miet 41.332, 39.300). Diese Verhältnisse waren hier aber gegeben.

Die beklagte Partei vertritt in der Revision ferner zu Unrecht die Auffassung, dem Klagebegehren stehe auch entgegen, daß den Klägern das dringende Wohnbedürfnis fehle, weil sie sowohl gegen ihre Großmutter als auch gegen ihre Mutter einen Unterhaltsanspruch hätten, der auch die Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses umfasse und ermögliche. Die beklagte Partei verkennt, daß die Frage des Wohnbedürfnisses nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Todes zu beurteilen ist (Miet 39.446, 38.317, 38.316/19) und daß nachträgliche Änderungen, wenn überhaupt, nur zugunsten des Mieters zu berücksichtigen sind (WoBl 1989/48; Würth in Rummel2 Rz 10 zu § 14 MRG; nur solche Fälle haben offensichtlich auch die E Miet 40.308, 38.317, 38.316/19 ua im Auge).

Die beklagte Partei stützt das Fehlen des dringenden Wohnbedürfnisses darauf, daß die Kläger einen familienrechtlichen Anspruch darauf hätten, in einer bestimmten, näher bezeichneten Wohnung zu wohnen. Aus der von der beklagten Partei selbst vorgelegten Ablichtung eines Notariatsaktes ergibt sich hiezu aber, daß die Großmutter der Kläger die Miteigentumsanteile, mit denen das Wohnungseigentum an dieser Wohnung verbunden ist, erst am 24.5.1993 ihrer Tochter, der Mutter der Kläger, geschenkt hat. Eigentümerin am Todestag war daher die Großmutter der Kläger. Aus dem Akteninhalt geht aber kein Anhaltspunkt dafür hervor, daß die Kläger ihrer Großmutter gegenüber im maßgeblichen Zeitpunkt einen Unterhaltsanspruch hatten. Dies würde gemäß § 141 ABGB voraussetzen, daß die Eltern der Kläger zur Leistung des Unterhalts nicht imstande sind. Es kommt also nicht darauf an, ob der Unterhalt von den Klägern hereingebracht werden kann, sondern nur darauf, ob sie zur Leistung unfähig sind (SZ 51/110; Pichler in Rummel2 Rz 1 zu § 141; Schlemmer in Schwimann Rz 2 zu § 141). Dies wurde nicht festgestellt. Die Kläger hatten zu dem maßgebenden Zeitpunkt des Todes ihrer Großmutter somit keinen Anspruch auf Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses in der im Wohnungseigentum der Großmutter stehenden Wohnung.

Da der angeführte, allein maßgebende Unterhaltsanspruch nicht bestand, muß auf die in der Rechtsprechung verschieden entschiedene Frage, ob der Eintrittsberechtigte bei der Prüfung seines dringenden Wohnbedürfnisses auf eine familienrechtlichen Anspruch verwiesen werden darf, wenn er auf Grund dieses Anspruches über eine ausreichende Unterkunft verfügt (bejahend WoBl 1991/1 [abl Würth in Rummel2 Rz 10 zu § 14 MRG] sowie unter bestimmten Voraussetzungen Miet 17.495 und 8990/40; verneinend Miet 39.446, 33.373/7 und im Ergebnis auch 6.610), nicht eingegangen werden. Ebensowenig sind die in der Revision geforderten Feststellungen dazu notwendig, ob diese Wohnung den Klägern zur Verfügung steht, und es bedurfte auch nicht der Feststellungen zum Vorbringen der beklagten Partei, daß die Großmutter der Kläger die Wohnung rechtsmißbräuchlich ihrer Tochter geschenkt habe, um ein Wohnbedürfnis der Kläger in der zu räumenden Wohnung zu begründen.

Schließlich kann den in der Revision bezogenen Ausführungen Medweds (ÖJZ 1992, 616 f), wonach der Eintritt eines Minderjährigen nur nach pflegschaftsbehördlicher Genehmigung wirksam sei, ebenfalls nicht gefolgt werden. Nach § 14 Abs 2 MRG treten die im Abs 3 dieser Bestimmung genannten eintrittsberechtigten Personen in den Mietvertrag ein, sofern sie nicht binnen vierzehn Tagen nach dem Tod des Hauptmieters dem Vermieter bekanntgeben, daß sie das Mietverhältnis nicht fortsetzen wollen. Dieser Wortlaut zeigt deutlich, daß nicht der Eintritt in den Mietvertrag einer rechtsgeschäftlichen Erklärung bedarf, sondern nur der Ausschluß des Eintritts. Der Eintritt vollzieht sich vielmehr kraft Gesetzes unabhängig von einer Erklärung des Eintretenden (Miet 37.290, 33.365) und ist nur durch dessen Erklärung, das Mietverhältnis nicht fortsetzen zu wollen, auflösend bedingt (Würth in Rummel2 Rz 3 zu § 14 MRG; Würth/Zingher, Wohnrecht Rz 9 zu § 14 MRG). Eine durch das Gesetz unmittelbar herbeigeführte Rechtsfolge kann aber nicht einer Nachprüfung durch das Pflegschaftsgericht unterzogen werden, sofern dies im Gesetz nicht vorgesehen ist. Dies wird von Medwed verkannt, wenn er davon ausgeht, daß der Gesetzgeber es "expressis verbis ins Gesetz einfließen" hätte lassen müssen, hätte er die im ABGB zugunsten der Minderjährigen enthaltenen Schutzbestimmungen aufheben wollen. Es hätte im Gegenteil einer ausdrücklichen Regelung bedurft, wenn der Gesetzgeber gewollt hätte, daß der Eintritt in den Mietvertrag bei Geschäftsunfähigen erst nach Vorliegen der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung wirksam sein soll. Die Überlegungen Medweds, daß der Minderjährige mit dem Eintritt in den Mietvertrag unter Umständen größere Verpflichtungen übernimmt und daß es sich beim Eintritt nicht um eine zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehörende Vermögensangelegenheit handelt, sind daher nicht zielführend, weil dies nur von Bedeutung wäre, wenn der Eintritt eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Eintrittsberechtigten erfordern würde; dies ist aber entgegen der Meinung Medweds nicht der Fall. Der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedarf daher nur die (rechtsgeschäftliche) Erklärung, das Mietverhältnis nicht fortsetzen zu wollen (vgl Miet 9.387). Auch Geschäftsunfähige treten somit ohne weiteres in den Mietvertrag ein (vgl Miet 37.290; Würth aaO Rz 9 zu § 14 MRG).

Bei den Klägern sind somit alle Voraussetzungen für den Eintritt in den von ihrer Urgroßmutter geschlossenen Mietvertrag erfüllt und sie haben dadurch deren Mietrecht erworben. Gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß dies nicht nur das Feststellungsbegehren, sondern auch das die Unzulässigkeit der Exekution betreffende Begehren rechtfertigt, wird in der Revision nichts mehr vorgebracht. Es muß daher hiezu nicht weiter Stellung genommen werden, zumal die Auffassung des Berufungsgerichtes der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entspricht (MGA EO13 § 37/80; zur Zulässigkeit beider Begehren SZ 52/159).

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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