OGH 5Ob113/95

OGH5Ob113/9513.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragsteller 1.) Karl F*****, Bäckermeister, und 2.) Christa F*****, Angestellte, beide *****, beide vertreten durch Dr.Fridolin Deschka, öffentlicher Notar in Ottensheim, wegen grundbücherlicher Eintragungen ob der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches ***** infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 27.April 1995, GZ 15 R 37/95, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung vom 18. Jänner 1995, TZ 5895/94, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Erstantragsteller war Alleineigentümer der im Kopf dieser Entscheidung genannten Liegenschaft.

Mit Notariatsakt vom 7.9.1994 (Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag) veräußerte der Erstantragsteller seiner Ehegattin, der Zweitantragstellerin, zur Begründung von Wohnungseigentum 365/2000-stel Anteile an der bereits angführten Liegenschaft. Sie vereinbarten die Begründung von Ehegattenwohnungseigentum an der im Haus befindlichen Wohneinheit E 2 sowie die Begründung von Wohnungseigentum für den Erstantragsteller an den verbleibenden Einheiten E 1 und E 3 bis E 5.

In Punkt Sechstens des Kauf- und Wohnungseigentumsvertrages räumte der Erstantragsteller zu Lasten des Wohnungseigentumsobjektes E 1 zu Gunsten der Miteigentumsanteile, mit denen Wohnungseigentum an den Objekten E 2 bis E 5 verbunden werden sollten, das Recht ein, vom Hof der Liegenschaft durch das Objekt E 1 (auf einem genau bezeichneten Weg) zum Heizraum (allgemeiner Teil des Hauses) zu jeder Tages- und Nachtzeit in beiden Richtungen zu gehen.

Die Antragsteller beantragten auf Grund der in § 12 Abs 2 WEG genannten und anderer erforderlicher Urkunden die Bewilligung folgender grundbücherlicher Eintragungen ob der Liegenschaft des Erstantragstellers:

1.) Die Einverleibung des Eigentumsrechtes für die Zweitantragstellerin zu 365/2000 Anteilen;

2.) die Aufteilung der dem Erstantragsteller verbleibenden 1635/2000 Anteile in 427/1000 Anteile, 365/2000 Anteile, 100/1000 Anteile, 69/1000 Anteile und 39/1000 Anteile;

3.) die Einverleibung des Wohnungseigentums ob den folgenden Anteilen des Erstantragstellers

a) ob dem 427/1000 Anteilen an der Einheit 1;

b) ob den 100/1000 Anteilen an der Einheit 3;

c) ob dem 69/1000 Anteilen an der Einheit 4 und

d) ob dem 39/1000 Anteilen an der Einheit 5;

4.) ob den zusammen 730/2000 Anteilen der Antragsteller die Einverleibung des gemeinsamen Wohnungseigentums an der Einheit E 2 und die Verbindung der 365/2000 Anteile der Antragsteller zufolge gemeinsamen Wohnungseigentums;

5.) ob den 427/1000 Anteilen des Erstantragstellers, mit denen Wohnungseigentum an der Einheit E 1 verbunden ist, die Einverleibung der Dienstbarkeit des Gehrechtes im Sinne des Punktes Sechstens des Kauf- und Wohnungseigentumsvertrages vom 7.9.1994 zugunsten der jeweiligen Eigentümer der (im einzelnen bezeichneten) Miteigentumsanteile, mit denen Wohnungseigentum an den Einheiten E 2,

E 3, E 4 und E 5 verbunden ist;

6.) in der Aufschrift die Ersichtlichmachung des Wohnungseigentums.

Das Erstgericht bewilligte nur die Einverleibung des Eigentumsrechtes zu 365/2000-stel Anteilen für die Zweitantragstellerin und wies die anderen Anträge mit der Begründung ab, die Backstube und der Abstellraum würden der allgemeinen Benützung dienen, weil sie von allen Miteigentümern als Zugang zum Heizraum benützt werden müßten. Daran könne daher nach § 1 Abs 3 WEG 1975 (idF vor dem 3. WÄG; nach der jetzt maßgebenden Fassung des 3. WÄG: § 1 Abs 4 WEG) Wohnungseigentum nicht begründet werden. Allgemeine Teile dürften zwar im Wohnungsverband liegen, doch dürfe eine normale Benützung dieser Teile keine Benützung einer im Wohnungseigentum stehenden Räumlichkeit erforderlich machen.

Grundsätzlich könne ein Wohnungseigentümer ob seinem Mindestanteil eine Grunddienstbarkeit zugunsten eines anderen Mindestanteiles einräumen, doch sei die Verschiedenheit des Eigentums am herrschenden und am dienenden Grund erforderlich. Hier sei jedoch der Erstantragsteller Alleineigentümer des dienenden Mindestanteils (Einheit E 1) und Alleineigentümer der herrschenden Mindestanteile (Einheiten E 3 - E 5).

Das Rekursgericht bestätigte den abweisenden Teil des Beschlusses des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt und daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Dem einzelnen Wohnungseigentümer sei die Belastung seines Mindestanteils nur insoweit möglich, als sich ihr Ausübungsbereich auf sein ausschließliches Nutzungs- und Verfügungsrecht beschränke. Das bloße Mitbenützungsrecht des Wohnungseigentümers an allgemeinen Teilen könne hingegen nicht zum Inhalt einer Dienstbarkeit gemacht werden, die nur auf den Mindestanteil des Dienstbarkeitsbestellers einverleibt werden solle. Die Einräumung von Servituten an einem allgemeinen Teil der Liegenschaft könne nur durch Einverständnis aller Wohnungseigentümer erfolgen.

Da zur Erreichung des Heizraumes andere Räumlichkeiten der Einheit E 1 durchquert werden müßten, könne von einer Selbständigkeit dieser Einheit E 1 im Sinne baulicher Abgeschlossenheit nicht mehr gesprochen werden; sie stellte daher ebenfalls einen allgemeinen Teil der Liegenschaft dar, sodaß daran Wohnungseigentum nicht begründet werden könne.

Die Begründung einer Grunddienstbarkeit setze die Verschiedenheit des Eigentümers des herrschenden und des dienenden Gutes voraus. Dies sei zwar hinsichtlich der Wohneinheit 2 der Fall, doch scheitere hier die Verbücherung der Dienstbarkeit daran, daß an der Wohneinheit 1 Wohnungseigentum nicht ordnungsgemäß begründet werden könne.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage der Zulässigkeit einer Servitut des Gehrechtes auf einer Wohneinheit zur Sicherung des Zuganges zu einem allgemeinen Teil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle. Auch habe der Oberste Gerichtshof bisher nicht ausdrücklich bzw uneinheitlich zur Frage der Zulässigkeit einer Eigentümerdienstbarkeit Stellung genommen.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß ihren Anträgen vollinhaltlich stattgegeben werde.

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Entscheidende Bedeutung kommt der Frage zu, ob an dem Objekt E 1 (Geschäftslokal) in der im Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag beschriebenen und auch der Nutzwertfestsetzung zugrundeliegenden Ausgestaltung Wohnungseigentum im Sinne des § 1 Abs 1 und 4 WEG 1975 (idF des 3. WÄG; auch im folgenden immer in dieser Fassung) begründet werden kann. Dies ist aus folgenden Gründen zu verneinen:

Das Wohnungseigentum ist das dem Miteigentümer einer Liegenschaft eingeräumte dingliche Recht, eine selbständige Wohnung oder eine sonstige selbständige Räumlichkeit (hier: das Objekt E 1) ausschließlich zu nutzen und hierüber allein zu verfügen (§ 1 Abs 1 WEG 1975). Demgemäß kann an Teilen der Liegenschaft, die der allgemeinen Benützung dienen oder deren Zweckbestimmung einer ausschließlichen Benützung entgegensteht, Wohnungseigentum nicht bestehen (§ 1 Abs 4 WEG 1975).

Die Vertragsparteien selbst gehen zutreffend davon aus, daß der - baulich gesehen - im Verband der das Objekt E 1 umfassenden Räume gelegene Heizraum (auch entsprechend der von den Parteien vorgenommenen Widmung) einen der allgemeinen Benützung, nämlich der Beheizung des ganzen Hauses, dienenden Teil der Liegenschaft darstellt und folglich nicht vom Wohnungseigentumsobjekt E 1 umfaßt sein soll. Dieser allgemeine Teil der Liegenschaft kann nach den dem Vertrag und der Nutzwertfestsetzung zugrundeliegenden Plänen nicht unmittelbar von einem allgemeinen Teil der Liegenschaft, sondern nur im Wege des Durchgehens durch das Objekt E 1 erreicht werden. Daraus folgt, daß die ausschließliche Benützung des für die Begründung von Wohnungseigentum ausersehenen Objektes E 1 durch den Wohnungseigentümer nicht gewährleistet ist; darin liegt ein Verstoß gegen § 1 Abs 4 WEG 1975. Wohnungseigentum an einem Objekt, durch das andere Hausbewohner gehen müssen, um die ihnen zur (Mit-)Nutzung zugewiesenen Teile der Liegenschaft zu erreichen, kann daher nur dann geschaffen werden, wenn die betroffenen Teile (Räume, durch die durchgegangen werden muß) aus dem Verband des Objektes des künftigen Wohnungseigentümers ausgenommen werden. Teile des Hauses, auf deren Mitbenützung auch Dritte angewiesen sind, um ihre individuellen oder gemeinschaftlichen Nutzungsrechte ausüben zu können, sind nämlich als allgemeine Teile der Liegenschaft zu qualifizieren, an denen Wohnungseigentum nicht begründet werden kann. Ein Verstoß gegen § 1 Abs 4 WEG 1975 zieht die Nichtigkeit der vertraglichen Widmung, ja sogar die Nichtigkeit der Nutzwertfestsetzung und der darauf allenfalls aufbauenden bücherlichen Eintragungen nach sich (MietSlg 38/53; WoBl 1992, 22/20; 5 Ob 5/95 zur Beurteilung der Möglichkeit der Begründung von Wohnungseigentum an einem Raum der Wohnung, durch den nach den offen gebliebenen Parteienbehauptungen durchgegangen werden muß, um ein der allgemeinen Nutzung dienendes Flachdach erreichen zu können).

Die Antragsteller meinen nun, diese Unmöglichkeit der Bestellung von Wohnungseigentum an dem Objekt E 1 in dem von ihnen gewollten Umfang dadurch vermeiden zu können, daß der präsumtive Wohnungseigentümer dieses Objektes eine Dienstbarkeit des Gehens zugunsten der jeweiligen Eigentümer der anderen Wohnungseigentumsobjekte bestellt. Es ist zwar richtig, daß nach der Rechtsprechung der Wohnungseigentümer berechtigt ist, an seinem Wohnungseigentumsobjekt einem anderen eine Dienstbarkeit im Sinne des § 472 ABGB einzuräumen (NZ 1992/235), doch steht der Begründung einer solchen Dienstbarkeit zugleich mit der Begründung von Wohnungseigentum, ja geradezu als Voraussetzung für die Möglichkeit der Begründung von Wohnungseigentum, nicht nur die Bestimmung des § 1 Abs 4 WEG 1975 entgegen, die nicht darauf abstellt, in welcher Rechtsform die ausschließliche Benützung des Wohnungseigentumsobjektes verhindert wird, sondern vor allem auch die Bestimmung des § 24 Abs 1 Einleitungssatz WEG 1975, wonach Vereinbarungen rechtsunwirksam sind, die geeignet sind, die dem Wohnungseigentumsbewerber oder Wohnungseigentümer zustehenden Nutzungs- oder Verfügungsrechte aufzuheben oder zu beschränken. Darunter fällt zweifellos auch eine Vereinbarung, durch die von vornherein entgegen der Definition des Wohnungseigentums in § 1 Abs 1 WEG 1975 und entgegen dem Verbot nach § 1 Abs 4 WEG 1975 ein durch die Nutzungsrechte der anderen Wohnungseigentümer beschränktes Nutzungsrecht des betreffenden Wohnungseigentümers dadurch geschaffen werden soll, daß eine Räumlichkeit vorhanden ist, an der gleichzeitig ein ausschließliches Nutzungsrecht des betreffenden Wohnungseigentümers und wegen des Charakters dieses Raumes als allgemeiner Teil der Liegenschaft ein Nutzungsrecht aller anderen Miteigentümer bestehen soll. Ein und derselbe Raum kann jedoch nicht allgemeiner Teil der Liegenschaft sein und gleichzeitig im Wohnungseigentum stehen.

Aus dem bisher Gesagten folgt, daß der für das Objekt E 1 festgesetzte Nutzwert nicht den Bestimmungen des WEG 1975 entspricht, weil dieser Nutzwert nicht unter Einbeziehung derjenigen Räumlichkeiten hätte festgesetzt werden dürfen, die wegen des notwendigen Durchgangs zum Heizraum als allgemeine Teile der Liegenschaft anzusehen sind. Entspricht aber der für das Objekt E 1 festgesetzte Nutzwert nicht dem Gesetz, so kann auch nicht beurteilt werden, ob die den anderen Objekten nach Parteiwillen zuzuordnenden Miteigentumsanteile der Bestimmung des § 3 Abs 1 WEG 1975 (Mindestanteil) entsprechen.

Schon aus den dargelegten Gründen wurden daher von den Vorinstanzen die Anträge der Antragsteller, soweit sie nicht auf die Übertragung schlichter Miteigentumsanteile an die Zweitantragstellerin gerichtet sind, mit Recht abgewiesen. Da aufgrund der vorliegenden Vertragsurkunden ein neuerlicher Grundbuchsantrag nicht in Frage kommt, bedarf es insbesondere keiner Auseinandersetzung mehr mit der Frage, ob ein und derselbe Wohnungseigentümer zugunsten seiner mit anderen Mindestanteilen verbundenen Wohnungseigentumsobjekte eine Dienstbarkeit (also Eigentümerdienstbarkeiten begründen kann oder nicht.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

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