OGH 3Ob2083/96m

OGH3Ob2083/96m13.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Konrad S*****, vertreten durch Dr.Reinhard Tögl und Dr.Nicoletta Wabitsch, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Gabriela de R*****, vertreten durch Dr.Alfred Lind und Dr.Klaus Rainer, Rechtsanwälte in Graz, wegen § 35 EO, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 11. November 1994, GZ 19 R 413/94-34, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Wolfsberg vom 8.August 1994, GZ 2 C 932/93a-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtenen Urteile werden dahin abgeändert, daß sie - einschließlich des unangefochten bereits in Rechtskraft erwachsenen Teils - zu lauten haben:

"Das Klagebegehren, der Anspruch, zu dessen Hereinbringung zu E 5398/93 des Bezirksgerichtes Wolfsberg Exekution bewilligt wurde, sei erloschen, wird abgewiesen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 69.453,-- (darin enthalten S 10.975,50 USt und S 3.600,-- Barauslagen) bestimmten Kosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat sich als unehelicher Vater der am 14.6.1968 geborenen Beklagten mit dem vor dem Erstgericht geschlossenen Vergleich vom 15.4.1992, 1 C 37/92z, zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von S 5.000 ab 1.1.1992 verpflichtet. Nach Abschluß des Diplomstudiums der Technischen Mathematik an der Technischen Universität Graz sponsierte die Beklagte am 25.6.1993 zum Diplomingenieur.

Das Erstgericht bewilligte mit Beschluß vom 21.9.1993, E 5398/93, der Beklagten gegen den Kläger die Lohnexekution zur Hereinbringung der rückständigen Unterhaltsforderung für Juli bis September 1993 in Höhe von S 15.000 und des ab Oktober 1993 laufenden monatlichen Unterhalts von S 5.000. Der Kläger begehrt mit Oppositionsklage die Unzulässigerklärung dieser Exekution, weil die Beklagte nach Abschluß ihres Studiums selbsterhaltungsfähig sei. Zwar habe die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, daß sie nunmehr das Doktorat anstrebe; dem Kläger sei aber nicht zumutbar, dafür weiter Unterhalt zu zahlen. Der Kläger lebe in bescheidenen Verhältnissen, verdiene etwa 20.000 S netto und sei für einen weiteren studierenden Sohn unterhaltspflichtig. Die Berufschancen der Beklagten würden durch ein Doktorat nicht erhöht. Der Kläger habe der Beklagten eine ausreichende Ausbildung finanziert; ein Hinausschieben ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit durch ein Doktoratsstudium entspreche auch nicht den Lebensverhältnissen der Eltern. Ab 1.7.1993 sei die Exekution unzulässig; der Kläger begehrte das Urteil, die mit Beschluß des Erstgerichtes vom 21.9.1993 zu E 5398/93 bewilligte Exekution sei unzulässig und werde mit Rechtskraft des Urteils eingestellt.

Die Beklagte wendete ein, ihr Studium sei mit der Sponsion nicht abgeschlossen; sie sei noch nicht selbsterhaltungsfähig. Das Doktoratsstudium stelle einen wesentlichen Bestandteil ihrer Ausbildung dar; damit sei sie im späteren Berufsleben wesentlich bessergestellt. Der Kläger beziehe ein monatliches Nettodurchschnittseinkommen von über S 25.000; unter Berücksichtigung seiner weiteren Unterhaltspflicht für einen ebenfalls studierenden Sohn sei ihm die Aufrechterhaltung seiner Zahlungsverpflichtung gegenüber der Beklagten zumutbar. Selbst wenn man davon ausginge, daß mit der Sponsion ein abgeschlossenes Studium vorliegt, müßte der Beklagten ein Zeitraum von mehreren Monaten eingeräumt werden, um eine Anstellung zu finden. Die Beklagte habe das Studium der Technischen Mathematik in 12 Semestern absolviert; dies liege wesentlich unter der durchschnittlichen Studiendauer. Gemäß § 15 Abs 2 StudFG, BGBl 1992/116, bestehe der Anspruch auf Studienbeihilfe auch während des Doktoratsstudiums, wenn die für das Diplomstudium vorgesehene Zeit um nicht mehr als vier Semester überschritten werde. Die Beklagte erfülle diese Voraussetzungen; sie habe bei einer Mindeststudiendauer von 10 Semestern das Studium der Technischen Mathematik in 12 Semestern absolviert. Gerade aufgrund der Tatsache, daß der Kläger über ein Einkommen verfüge, aufgrund dessen die Auszahlung der Studienbeihilfe (im Höchstbetrag von S 8.400 pro Monat) ausgeschlossen sei, müsse er zu weiteren Unterhaltsleistungen während des Doktoratsstudiums verpflichtet werden. Darüber hinaus habe es der Kläger trotz Aufforderung unterlassen, der Beklagten die Unterlagen über sein Einkommen vorzulegen, sodaß sie den ihr beim gegebenen Einkommen des Klägers zustehenden Teil der Studienbeihilfe von etwa 2.000 S monatlich nicht in Anspruch nehmen könne.

Hiezu replizierte der Kläger, die Beklagte verfüge über ein abgeschlossenes Studium (§ 35 AHSchStG, BGBl 1966/177). Das Beklagtenvorbringen zur Studienbeihilfe sei irrelevant; die Studienbeihilfe habe den Unterhaltsanspruch der Beklagten nicht vermindert. Die Beklagte habe nach Beendigung ihres Studiums in der Schweiz gearbeitet und dort ein namhaftes Einkommen ins Verdienen gebracht. Schon aus dem Umstand, daß die Beklagte an der Technischen Universität Graz beurlaubt sei, ergebe sich, daß sie offensichtlich in London ihr Studium betreibe und nicht an einer Dissertation arbeite. Da die Beklagte schon eine Studienänderung vollzogen habe, seien besonders strenge Maßstäbe anzulegen.

Hiezu brachte die Beklagte vor, Einnahmen aus Ferialjobs in dieser Höhe hätten außer Betracht zu bleiben. Die Beklagte habe nicht die Möglichkeit, während des gesamten Doktoratsstudiums eine Assistentenstelle auszuüben; durch ihren Auslandsaufenthalt sei kein Nachteil für ihre mögliche Einkommenssituation gegeben.

In der Tagsatzung am 5.7.1994 brachte die Beklagte schließlich vor, aufgrund ihres Studiums in England habe sie eine Aufnahme im Institut für höhere Studien in Wien erreichen können, wo ihr im Rahmen eines zweijährigen Stipendiums ab Oktober 1994 monatlich S 7.000 bezahlt würden. Ab Oktober 1994 sei sie daher voraussichtlich nicht mehr auf die Unterhaltsleistung durch den Kläger angewiesen. Das Exekutionsverfahren werde daher entsprechend modifiziert werden.

Der Kläger brachte schließlich noch vor, gemäß § 181 Abs 1 BDG werde für Universitätsassistenten die selbständige wissenschaftliche Tätigkeit zur regelmäßigen Wochendienstzeit gezählt; darunter verstehe man auch den Erwerb des Doktorates. Nach § 174 BDG diene das Dienstverhältnis des Universitätsassistenten der Erprobung der Befähigung als Hochschullehrer sowie der Vertiefung und Erweiterung der fachlichen Bildung. Die Beklagte habe nicht einmal versucht, ihre angeblich angestrebte Universitätskarriere über diesen Weg zu erreichen. Postuniversitäre Ausbildung im Ausland und Postgraduate-Studien seien vom Unterhaltspflichtigen überhaupt nicht zu bezahlen. Da die Beklagte ab Oktober 1994 ein Stipendium von S 7.000 monatlich erhalte, sei die Exekution zumindest ab Oktober 1994 unzulässig.

Das Erstgericht erkannte den Anspruch der Beklagten, zu dessen Hereinbringung zu E 5398/93 des Bezirksgerichtes Wolfsberg die Exekution bewilligt wurde, insoweit als erloschen, als mit dieser Exekution die Hereinbringung des laufenden Unterhalts von S 5.000 (monatlich) ab einschließlich November 1993 begehrt werde; das Mehrbegehren, der Anspruch sei auch hinsichtlich der Unterhaltsbeträge für Juli, August, September und Oktober 1993 erloschen, wurde abgewiesen; es stellte folgenden Sachverhalt als erwiesen fest:

Die Beklagte schloß ihr Diplomstudium der Technischen Mathematik nach einer Studienzeit von 12 Semestern im Juni 1993 ab; vorher hatte sie ein Jahr Volkswirtschaft studiert. Nach der Sponsion am 25.6.1993 übernahm die Beklagte vom 21.7. bis 5.9.1993 einen Ferialjob, bei dem sie durchschnittlich S 15.000 monatlich verdiente. Die Beklagte bewarb sich um ein Thema für eine Dissertation, weil sie die Absicht hatte, das Doktorat zu erlangen. Die Mindestdauer des Studienabschnitts zur Erlangung des Doktorates beträgt vier Semester. Die Beklagte erhielt dann ein Auslandsstipendium in der Höhe von S 4.000 monatlich, das ihr ermöglichte, am Queen Mary and Westfield College in London zu studieren, wo sie hauptsächlich Vorlesungen auf dem Gebiet der Graphentheorie belegte. Mit Schreiben vom 21.6.1994 wurde der Beklagten mitgeteilt, daß sie ab 3.10.1994 das zweijährige Programm in Economics am Institut für Höhere Studien belegen kann und während dieser Ausbildungszeit ein Stipendium von S 7.000 monatlich erhält. Die Beklagte arbeitet nach wie vor an ihrer Dissertation aus dem Gebiet der Graphentheorie.

Mit der Sponsion zum Diplomingenieur der Technischen Mathematik kann die Beklagte auf eine abgeschlossene Berufsausbildung als vollwertige Akademikerin verweisen. Der Großteil der Absolventen ist in der Computerbranche tätig, in der das Hauptgewicht auf der Anwendung und Computer-Software liegt. In diesem Bereich gibt es für die Beklagte gute Möglichkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden. In außerindustriellen Wirtschaftsunternehmen bestehen gute Chancen einer Beschäftigung in Geld- und Kreditinstituten. Möglichkeiten bieten sich aber auch in Versicherungs-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen. Den hauptsächlichen Einsatzbereich bilden hier die EDV-Abteilungen. Im Bereich der Forschung und Lehre üben die Absolventen an Hochschulen und an berufsbildenden höheren Schulen Lehrtätigkeiten aus. Berufsmöglichkeiten auf diesem Sektor sind eher eingeschränkt vorhanden. Freie Arbeitsstellen werden weniger über die Arbeitsmarktverwaltung als über andere Kanäle angeboten. Die Professoren der Mathematikinstitute stehen permanent mit der Wirtschaft in Verbindung, holen Aufträge ein und bringen sie durch Aushang an den Universitäten den Studierenden zur Kenntnis. Vor allem an der Technischen Universität Wien werden immer wieder freie Stellen ausgehängt. Voraussetzung für das rasche Finden einer Beschäftigung ist die Bereitschaft zu regionaler Mobilität. Bei notwendiger Selbstinitiative ist eine adäquate Stelle nach zwei bis drei Monaten zu erlangen.

Die Weiterbildung ist für den Mathematiker unerläßlich. Fast jeder Absolvent muß sich einschulen und fortbilden, häufig durch Selbststudium, durch Tagungen und Kongresse, teilweise in firmeneigenen Kursen. Fremdsprachenkenntnisse sind wichtig, insbesondere aus Englisch, das zum Studium der Fachliteratur unerläßlich ist. Das Doktorat ist für die Universitätslaufbahn und aufgrund internationaler Anerkennung dieses akademischen Grades für eine Beschäftigung im Ausland von Bedeutung, aber kaum für Industrie und Wirtschaft. Wie die Praxis zeigt, ist dieser akademische Abschluß im Gegenteil für das Zustandekommen eines Dienstverhältnisses oftmals sogar hinderlich, weil er seitens vieler Dienstgeber mit der Forderung nach einem höheren Gehaltsabschluß gleichgesetzt wird.

Die Absolvierung des Lehrgangs am Institut für Höhere Studien bietet der Beklagten sicher einen Wettbewerbsvorteil im Vergleich zu anderen Absolventen. Der Bereich der Graphentheorie ist ein anwendungsorientiertes Gebiet; dies stellt speziell für Verkehrs- und Transportbetriebe, sofern Bedarf besteht, einen Vorteil im Vergleich zu anderen Absolventen, die über diese Qualifikation nicht verfügen, dar.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, gemäß § 140 ABGB müßten die Eltern den Kindern bis zu deren Selbsterhaltungsfähigkeit Unterhalt leisten. Der Abschluß der Berufsausbildung führe zur Selbsterhaltungsfähigkeit, auch wenn das Kind kein ausreichendes Einkommen erzielt. Nach Abschluß der Ausbildung sei dem Kind ein angemessener Zeitraum für Stellensuche zuzubilligen. Danach müsse auch eine nicht entsprechende Tätigkeit angenommen werden. Die Beklagte habe mit der Sponsion zum Diplomingenieur das Studium der Technischen Mathematik abgeschlossen. Damit habe sie eine Berufsausbildung absolviert, die es ihr ermögliche, binnen zwei bis drei Monaten eine dieser Ausbildung gemäße Anstellung zu finden. Wenn man gewisse unvorhergesehene Vorfälle in Rechnung stelle, die die Suche erschweren könnten, sei eine Frist von vier Monaten angemessen, um nach der Sponsion eine Stelle zu finden. Der Vater sei daher nicht zur Finanzierung des weiteren Studiums des Kindes verpflichtet, obwohl diese Weiterbildung zweifellos für das spätere Fortkommen von Vorteil sei. Mit dem Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit sei der Anspruch des unterhaltsberechtigten Kindes erloschen; das Klagebegehren sei daher in diesem Sinn von Amts wegen richtigzustellen gewesen. Es sei ihm insoweit Folge zu geben gewesen, als über die vier Monate hinaus, die man der Beklagten zur Stellensuche zubilligen müsse, der Anspruch erloschen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und bestätigte dieses Urteil, das im klagsabweisenden Teil (betreffend Juli bis Oktober 1993) unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist, im klagsstattgebenden Teil (betreffend den Unterhalt ab November 1993); das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei, weil es zu den maßgebenden Rechtsfragen eine gesicherte höchstgerichtliche Judikatur gebe. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, mit dem positiven Abschluß eines Hochschulstudiums sei grundsätzlich Selbsterhaltungsfähigkeit des unterhaltsberechtigt gewesenen Kindes anzunehmen; der Unterhaltspflichtige habe eine darüber hinausreichende schulische Weiterbildung des Kindes nur mehr dann unterhaltsrechtlich zu finanzieren, wenn mit dieser weiteren Ausbildung die sichere Erwartung eines dadurch besseren Einkommens verbunden sei und wenn außerdem der weiterreichende Ausbildungsweg für die Eltern nach ihren Lebensverhältnissen auch zumutbar sei. Um der Beklagten für das Doktoratsstudium einen weiteren Unterhaltsanspruch zubilligen zu können, müßte zunächst mit Sicherheit feststehen, daß ein Erfolg dieser weiteren Studientätigkeit die Berufs- und Einkommenschancen der Beklagten wesentlich verbessern würde; dies sei nicht der Fall. Gebe es noch gewisse Vorteile oder Möglichkeiten für die Beklagte, mit dem Doktorat auch eine Universitätslaufbahn ergreifen oder im Ausland beruflich unterkommen zu können, stehe dem entgegen, daß die Beklagte trotz Verstreichens geraumer Zeit bisher in dieser Richtung keine vorbereitenden Schritte gesetzt habe, womit auch völlig ungewiß sei, ob die Beklagte solcherart einmal besser bezahlte Tätigkeiten erhalten könnte. Man hätte zumindest erwarten können, daß die Beklagte ein entsprechendes Bewerbungsgesuch um eine Assistentenstelle am Mathematikinstitut der Technischen Universität Graz abgebe. Gerade die verschiedenen Nachstudientätigkeiten der Beklagten (ein Jahr auf einem College in London und nunmehr auf dem Institut für Höhere Studien in Wien), zeigten, daß die Beklagte gar nicht so sehr zielstrebig auf die Dissertation und das Doktoratsstudium hinzuarbeiten gewillt sei. Um der Beklagten den Unterhaltsanspruch ab 1.11.1993 noch zugestehen zu können, fehle es auch an der zweiten Anspruchsvoraussetzung, nämlich der wirtschaftlichen und sozialen Zumutbarkeit für den Kläger. Auch wenn man eine unterhaltsrechtliche Bemessungsgrundlage von rund 21.300 S zuzüglich der Sonderzahlungen und fallweisen Nebengebühren unterstelle und davon ausgehe, daß der Kläger noch für einen studierenden Sohn Unterhalt zu leisten habe, dann komme man auch schon ohne weiterreichende Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers dazu, daß er als auswärts tätiger Gendarmeriebeamter keineswegs in so guten Verhältnissen lebe, daß er eine mit dem Doktoratsstudium der Beklagten einhergehende weitere Unterhaltsbelastung ohne wesentliche Beeinträchtigung seiner eigenen Lebenshaltung verkraften könnte. Erwägungen, wie sie nach den bestehenden Regelungen der Gewährung der verschiedenen Studienbeihilfen zugrundegelegt werden, seien für die Unterhaltsentscheidung des Gerichtes nach § 140 ABGB nicht maßgebend.

Rechtliche Beurteilung

Die ao Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Gemäß § 140 Abs 1 ABGB hat der Kläger als Vater der Beklagten zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse unter Berücksichtigung ihrer Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach seinen Kräften beizutragen; aufgrund des § 140 Abs 3 ABGB mindert sich der Unterhaltsanspruch der Beklagten gegenüber dem Kläger insoweit, als sie eigene Einkünfte hat oder unter Berücksichtigung ihrer Lebensverhältnisse selbsterhaltungsfähig ist.

Die Selbsterhaltungsfähigkeit kann vor und nach der Volljährigkeit eintreten. Das ist grundsätzlich der Fall, wenn das Kind in der Lage ist, infolge seiner Berufsausbildung die Mittel zur Bestreitung seines standesgemäßen Unterhalts durch Arbeit selbst zu verdienen. Der Vater hat seinem Kind nicht nur eine seinem Stand und Vermögen entsprechende abgeschlossene Berufsausbildung zu ermöglichen, sondern auch zu einer höherwertigen weiteren Berufsausbildung seines Kindes beizutragen, sofern es die zu einer solchen Ausbildung erforderlichen Fähigkeiten besitzt, deren Abschluß ernsthaft und zielstrebig verfolgt und dem Vater nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen eine Beteiligung an den Ausbildungskosten möglich und zumutbar ist (EFSlg 43.179 [2] mwN).

Ein den Lebensverhältnissen der Eltern und den Anlagen und Fähigkeiten des Kindes entsprechendes Studium schiebt somit den Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit hinaus.

Zu der Frage, ob mit Abschluß des Studiums mit Sponsion die Selbsterhaltungsfähigkeit gegeben ist oder ob der Unterhaltspflichtige auch ein Doktoratsstudium zu finanzieren hat, vertritt Pichler (in Rummel, ABGB2, Rz 12 a zu § 140) die Ansicht, innerhalb einer Studienrichtung könne ein Kind, seine Eignung vorausgesetzt, den höchsten erreichbaren akademischen Grad (der Ausbildung, nicht der akademischen Berufslaufbahn) anstreben, also zB das Doktorat nach dem Magisterium; in diesem Fall sei das Kind auch nach der Sponsion noch nicht selbsterhaltungsfähig. Eypeltauer in ÖA 1988, 98 differenziert: Mit dem Studienabschluß seien die Voraussetzungen für den Eintritt des Kindes in das akademische Berufsleben gegeben. Zumindest in manchen Studienrichtungen sichere der Erwerb der Doktorwürde nicht die Erwartung eines besseren Fortkommens, es werde dadurch auch nicht die Ausübung eines Berufes gesichert, der den Neigungen des Kindes entspreche und nicht ohnehin nach der Sponsion ausgeübt werden könne. Werde eine akademische Laufbahn angestrebt, werde man dem Kind die erfolgreiche Bewerbung um eine Assistentenstelle zumuten könne. Er kommt zum Schluß, daß "armen Eltern" die Finanzierung des Doktorstudiums überhaupt nicht zumutbar sei, sonst müsse eine besondere wissenschaftliche Eignung des Kindes verlangt werden.

Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 2 Ob 516/94 (teilweise veröffentlicht in EFSlg 74.894) ausgesprochen, daß mit abgeschlossenem Diplomstudium die Selbsterhaltungsfähigkeit zwar grundsätzlich gegeben ist; nur besondere (in dem dort zu beurteilenden Fall bejahte) Voraussetzungen, nämlich außergewöhnlicher Studienerfolg, besondere Eignung, besseres Fortkommen der Unterhaltsberechtigten mit Doktorat und Zumutbarkeit dieser weiteren Ausbildung für die Eltern mit Rücksicht auf deren Lebensverhältnisse, rechtfertigen die Weiterfinanzierung des Doktoratsstudiums durch den Unterhaltspflichtigen.

In der Bundesrepublik Deutschland vertreten Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhaltes5 Rz 297 die Ansicht, daß für die Promotionszeit in aller Regel eine Teilzeitarbeit zumutbar sei (so auch OLG Hamm FamRZ 1990, 904). Nicht hervorragende Begabung sei (allein) ausschlaggebend, für das Weiterbestehen der Unterhaltspflicht sei vielmehr entscheidend, daß der Doktorgrad praktische Vorbedingung für die Berufsausübung sei.

Im vorliegenden Fall sind - entgegen der Ansicht der Vorinstanzen - wie schon im Fall der Entscheideidung 2 Ob 516/94 die Voraussetzungen, die die Weiterfinanzierung des Studiums der Beklagten nach ihrer Sponsion rechtfertigen, erfüllt:

Die Beklagte hat, was vom Kläger nicht bestritten wurde, zeitlich einen überdurchschnittlichen Studienerfolg aufzuweisen. Wie schon das Erstgericht feststellte, beschränkt sich die Kenntnis der Graphentheorie nicht auf abstraktes, in der Wirtschaft kaum nutzbar zu machendes Wissensgut. Die Graphentheorie erlangt vielmehr in der betrieblichen Planung (Netzplantechnik) eine ständig wachsende Bedeutung. Die Netzplantechnik wird bei immer mehr Vorhaben mit Projektcharakter eingesetzt (Bau von Industrieanlagen, Krankenhäusern, Sportstätten, Verkehrsanlagen, Kanälen, Entwicklung von Flugzeugen, Werbefeldzügen usw). Die Netzplantechnik dient der Zeit-, Kosten-, Finanz- und Einsatzplanung. Ihre wirtschaftliche Bedeutung liegt in der Zeit- und Kostenersparnis, der Transparenz und damit dem Projektmanagement (Gablers Wirtschaftslexikon10 Sp 438 f, 1807; vgl Brockhaus Enzyklopädie 19 IX 61). Daraus folgt aber, daß der Erwerb des Doktorgrades durch die Beklagte gerade auf diesem Spezialgebiet durchaus ihr (noch) besseres Fortkommen erwarten läßt. Entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichtes kann nicht verlangt werden, daß "mit Sicherheit" feststehen müsse, daß die Berufs- und Einkommenschanchen verbessert würden, es muß genügen, daß die Beklagte ihr Studium in einer Spezialrichtung fortsetzt sowie beendet und auf Grund dieser speziellen betriebswirtschaftlichen Ausbildung, also auf einem durchaus praktischen Gebiet, größere Berufschancen als mit der Sponsion allein hat. Daß eine höhere und spezielle betriebswirtschaftliche Ausbildung, die gerade für ein entwickeltes Projektmanagement notwendig ist, besser honoriert zu werden pflegt, ist dann aber durchaus anzunehmen. Gerade da die Beklagte nach Gewährung eines Auslandsstipendiums an einem anerkannten Londoner College studierte, muß der Schluß gezogen werden, daß sie ernstlich ihr Doktoratsstudium betrieb. Der gegenteilige Schluß des Berufungsgerichtes ist nicht nachvollziehbar. Ob "arme Eltern" ein solches Studium nie mitragen müßten, kann hier dahingestellt bleiben, weil der Kläger mit seinem etwas über dem Durchschnitt liegenden Einkommen nicht dazu gezählt werden könnte. Daß die Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung in London aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen überhaupt möglich gewesen wäre, wurde nicht einmal behauptet. Bei dieser Sachlage wäre in einer intakten Familie durchaus zu erwarten gewesen, daß ein maßstabgerechter Vater der Tochter für das Weiterstudium Unterhalt gewährt hätte, sodaß entgegen der Ansicht der Vorinstanzen die Unterhaltspflicht des Klägers in der fraglichen Zeit nicht erloschen war.

In Stattgebung der Revision der Beklagten war daher die Oppositionsklage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO, für die Rechtsmittelverfahren iVm § 50 ZPO.

Stichworte