OGH 7Ob521/96

OGH7Ob521/9613.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingrid P*****, vertreten durch Dipl.Ing.Dr.Peter Benda, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Dr.Peter W*****, vertreten durch Rechtsanwaltssozietät Eisenberger-Herzog-Nierhaus-Forcher und Partner, Graz, und den auf seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten Franz J*****, vertreten durch Dr.Oliver R.Felfernig, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 76.000,-- sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 18.September 1995, GZ 4 R 224/95-29, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 30.März 1995, GZ 4 C 521/94t-19, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs des Beklagten wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und in der Sache selbst erkannt, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, dem Beklagten die mit S 11.155,58 (darin S 1.859,26 USt) und dem Nebenintervenienten die mit S 11.155,58 (darin S 1.859,26 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und dem Beklagten die mit S 12.706,40 (darin S 1.014,40 USt und S 6.625,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin suchte 1989 über Empfehlung des ihr von ihrem Gastgewerbebetrieb her bekannten Zahntechnikes Franz J***** (des Nebenintervenienten) die Ordination des Beklagten wegen einer prothetischen Versorgung ihrer Zähne auf. Bei der Untersuchung und Erstellung eines Behandlungsplanes wurde sie vom Beklagten darauf hingewiesen, daß die von ihr gewünschte technische Arbeit, nämlich eine festsitzende Versorgung, nicht von großem Erfolg sein könne, weil einfach zu wenig Pfeilerzähne vorhanden seien. Die restlich vorhandenen Pfeilerzähne im Oberkiefer waren stark paradontal vorgeschädigt und daher für eine festsitzende Arbeit in diesem Ausmaß (zwölfstellig) nicht geeignet. Auf Drängen der Klägerin wegen der psychischen Belastung einer prothetischen Lösung wurde vom Beklagten die festsitzende Versorgung dennoch gemacht. Der Beklagte hat die medizinische Behandlung "inklusive Abnahme, Beschleifen, Bißnahme, Außenwogen, Einzementieren etc. vollkommen unentgeltlich gemacht" und hat für diese Arbeit lediglich einen Krankenschein bekommen. Weiters wurden für diese gesamte Arbeit nur die Materialkosten in der Höhe von S 54.000,-- beim Zachntechniker Franz J***** von der Klägerin abgegolten. Bis einschließlich zur Kontrolle im November 1992 ergaben sich keine Probleme, wohl aber ab dem Frühjahr 1993. Es stellte sich dabei heraus, daß bis auf drei Zähne im Restgebiß die gesamte vom Kläger gemachte Arbeit kaputt war.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten S 76.000,-- sA an "Rückersatz für mangelhafte zahnärztliche Leistungen".

Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, von der Klägerin keinerlei Honorar erhalten zu haben. Franz J***** habe ihn ersucht, sich der Klägerin anzunehmen und für den Fall, daß eine prothetische Versorgung notwendig sein sollte, diese bei der Klägerin durchzuführen. Im Hinblick auf die jahrelange Zusammenarbeit mit Franz J***** habe er von der Verrechnung eines Honorars Abstand genommen. Er habe der Klägerin von der von ihr gewünschten festsitzenden Konstruktion abgeraten, weil zu wenig Pfeilerzähne vorhanden gewesen seien. Die Klägerin habe ihn daraufhin mit den Worten "auch wenn es nur kurz hält und ich mir fünf Jahre eine Prothese erspare", den Auftrag zur festsitzenden Arbeit erteilt. Sie habe dazu erklärt, sollte diese Behandlung schiefgehen, so werde dadurch der Zustand erreicht, den sie derzeit noch vermeiden wolle. Der Beklagte habe für die von Franz J***** durchgeführten Laborarbeiten diesem nichts bezahlt. Dem Vernehmen nach seien diese Kosten von der Klägerin dem Franz J***** direkt bezahlt worden. Die Klägerin habe sich nicht der vom Beklagten im Frühjahr 1993 vorgeschlagenen Behandlung unterzogen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es folgerte rechtlich, daß der Klägerin für den von ihr trotz ausreichender Warnung des Beklagten diesem erteilten Auftrag zu einer festsitzenden Konstruktion im Oberkiefer kein Anspruch nach § 922 ABGB zustehe.

Das Berufungsgericht hob mit dem bekämpften Beschluß diese Entscheidung zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung durch das Erstgericht auf. Es erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Es erachtete die Feststellung über die Warnung des Beklagten und den trotzdem von der Klägerin erteilten Auftrag zu einer festsitzenden Konstruktion für unbedenklich, beurteilte jedoch ansonsten die erstgerichtlichen Feststellungen als unvollständig. Die Klägerin habe ihr auf "Rückersatz für mangelhafte zahnärztliche Leistungen" erhobenes Begehren (worauf der Klagevertreter in der mündlichen Berufungsverhandlung hingewiesen habe) auf keinen bestimmten Rechtsgrund gestützt.

Gewährleistungsansprüche stünden der Klägerin schon deshalb nicht zu, weil zwischen der Erkennbarkeit des Mangels am 29.7.1993 und der Klagseinbringung am 9.3.1994 mehr als ein halbes Jahr verstrichen sei; doch sei aus dem Vorbringen der Klägerin auch ein Schadenersatzbegehren gegen den Beklagten ableitbar. Da sich der Beklagte von der Klägerin einen Krankenschein der Sozialversicherung habe geben lassen, sei seine Tätigkeit nicht unentgeltlich gewesen. Auch sei unklar, ob das Zugeständnis des Beklagten in einem Schreiben an den Gerichtssachverständigen, daß ihm der Nebenintervenient damals durch längere Zahlungsziele entgegengekommen sei, weil er sich in einem Liquiditätsengpaß befunden habe, nicht bedeute, daß mit seinen Leistungen an die Klägerin nicht allenfalls sein Honoraranspruch im Kompensationsweg beglichen worden sei. Dazu fehle aber ein im fortgesetzten Verfahren nachzuholendes Klagsvorbringen. Da der vorliegende ärztliche Behandlungsvertrag Werkvertragselemente enthalte, sei der Beklagte verpflichtet gewesen, die Klägerin auf Gefahren, die mit einer auch kunstgerechten Behandlung verbunden seien, hinzuweisen und sie vor einem von ihr nicht gewünschten Risiko zu warnen. Die vorliegenden Feststellungen erlaubten aber keine abschließende Beurteilung, ob der Beklagte die Ausführung einer von der Klägerin trotz festgestellter Warnung gewünschten festsitzenden Konstruktion ablehnen hätte müssen, weil ihm erkennbar hätte sein müssen, daß diese Arbeit der Klägerin Schaden zufüge. In diesem Zusammenhang sei der vom Erstgericht bestellte ärztliche Sachverständige in seinem Gutachten nicht ausreichend auf die Ausführungen des im Akt erliegenden Privatgutachtens der Klägerin eingegangen. Schließe sich der Gerichtsgutachter den Folgerungen des Privatgutachtens an, so habe die Klägerin durch die Behandlung des Beklagten einen Schaden erlitten. Ihr Schaden müsse nicht unbedingt in dem Betrag, den sie dem Nebenintervenienten bezahlt habe, bestehen. Die Klägerin werde im fortgesetzten Verfahren vom Erstgericht aufzufordern sein, konkretere Behauptungen zur Höhe ihres Schadens zu erheben und entsprechende Beweismittel dafür anzubieten.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß vom Beklagten erhobene Rekurs ist berechtigt.

Richtig ist, daß mit den Worten "Rückersatz wegen mangelhafter zahnärztlicher Leistungen" nicht ausschließlich ein tatsächlich verfristeter Gewährleistungsanspruch nach den §§ 922 ff ABGB, im besonderen ein Wandlungsanspruch umschrieben wird, sondern daß darunter auch ein Schadenersatzbegehren auf Rückforderung des bezahlten Honorars verstanden werden kann, wie sich aus dem Wortteil "-ersatz" ergibt. Der andere Wortteil "Rück-" deutet darauf hin, daß die Klägerin ihren Schaden mit dem von ihr für eine ihrer Ansicht nach wertlose Leistung geleisteten Honorarbetrag eingrenzen will (vgl. WBl 1987, 119). Die vom Berufungsgericht seinem Aufhebungsbeschluß zugrundegelegten denkbaren weiteren vom Beklagten verursachten Schäden der Klägerin aus einer Verschlechterung des schon vorgeschädigten Zahnapparates infolge Überlastung durch die festsitzende Konstruktion hat diese aber gar nicht behauptet. Dem Erstgericht ist zuzustimmen, daß die festgestellte Warnung der Klägerin durch den Beklagten vor einer festsitzenden Konstruktion, da diese nur eine relativ kurze Funktionsdauer erbringen werde, ausreichend war. Der Umfang der Warnpflicht hat sich stets nach dem Einzelfall zu richten. Wenn der Arzt erkennt, daß bestimmte von ihm gewünschte Maßnahmen erforderlich sind, hat er den Patienten auf deren Notwendigkeit und die Risken ihrer Unterlassung hinzuweisen. Dabei wird die Belehrung umso ausführlicher und eindringlicher sein müssen, je klarer für den Arzt die schädlichen Folgen des Unterbleibens der Behandlung erkennbar sind und je dringlicher die weitere ärztliche Behandlung auch aus der Sicht eines vernünftigen und einsichtigen Patienten erscheinen muß (JBl 1982, 491). Eine Warnung im Sinne des § 1168a ABGB muß erkennen lassen, daß die Anweisung des Bestellers das Mißlingen des Werkes zur Folge haben könnte (vgl. SZ 55/48 und ecolex 1990, 543). Im vorliegenden Fall wäre die Alternative zu der von der Klägerin gewünschten festsitzenden Konstrukion nur eine Totalprothese gewesen. Daß durch die vorübergehende Anbringung einer festsitzenden Konstruktion im Zeitpunkt deren Anbringung schon absehbar gewesen sei, daß dadurch Schäden am Zahnhalteapparat auftreten können, hat die Klägerin weder behauptet noch bewiesen. Nachdem von der Klägerin über den derzeitigen Zustand ihrer Zähne nichts vorgebracht wurde, sind derartige Schäden auch nicht nachvollziehbar. Mangels solcher Behauptungen stellt daher der Aufhebungsantrag des Berufungsgerichtes inhaltlich nichts anders dar als die vom Gesetz nicht gedeckte Aufforderung an die Klägerin, bisher nicht vorgebrachte neue rechtserzeugende Tatsachenbehauptungen zu erheben (vgl. MGA ZPO14 § 496/22). Dem Berufungswerber ist darin beizupflichten, daß die vom Berufungsgericht dem Erstgericht auferlegte Anleitung nach § 182 ZPO zu weit geht. Mangels einer konkreten Behauptung über weitergehende Schäden als das dem Zahntechniker bezahlte Honorar, erweist sich die Argumentation des Berufungsgerichtes als viel zu weitgehend. Die Aufhebung des Ersturteiles erweist sich damit als verfehlt. Das Ersturteil war daher wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Berufungs- und Revisionskosten gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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