European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1996:E42612
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben; dem Rekursgericht wird eine neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Antragsteller unter Abstandnahme vom herangezogenen Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Begründung:
Die Antragsteller behaupten, sie beabsichtigten, in Österreich im Jänner 1996 drei neue Produkte in Verkehr zu bringen. Vertreter der F* GmbH und der (in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen) F* GmbH, welche gleichartige Produkte in Österreich vertreiben, hätten angekündigt, daß sie sämtliche ihnen zur Verfügung stehenden gerichtlichen Schritte unternehmen, insbesondere einen Sicherungsantrag bei den österreichischen Gerichten einbringen wollten, um den Beklagten das Anbieten und Vertreiben der neuen Produkte zu untersagen. Es sei zu befürchten, daß das angerufene Gericht eine einstweilige Verfügung ohne Einvernahme der Beklagten erlasse. Die Beklagte hätte dann nur noch die Möglichkeit, Widerspruch zu erheben. Ein solcher Widerspruch ändere aber nichts daran, daß den Antragstellern bis zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung das Vertreiben der neuen Produkte untersagt wäre. Sie lege daher ihren Standpunkt dar. Diese "Schutzschrift" sei lediglich eine Anregung an das Gericht, keinen sofortigen Beschluß ohne Anhörung der Beklagten zu erlassen. Sie stellten daher den Antrag, nach Einlangen der Schutzschrift einen Gerichtsakt anzulegen und diesen bis zum Einlangen eines möglichen Sicherungsantrages evident zu halten.
Das Erstgericht wies die Schutzschrift zurück. Ein solcher Schriftsatz sei im Gesetz nicht vorgesehen und werde auch von der Rechtsprechung nicht anerkannt. Überdies sei kein Anhaltspunkt für eine mögliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichtshofes zu erkennen.
Das Rekursgericht wies dieses Rechtsmittel zurück und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Zurückweisung unzulässiger Schriftsätze könne nach den auch im Sicherungsverfahren anwendbaren §§ 257 und 258 ZPO nicht mit Rekurs angefochten werden. Überdies fehle den Antragstellern die Beschwer, habe doch das Erstgericht den Akt 5 Nc 65/95i angelegt, in welchem ihre Schutzschrift erliege und welcher unter dem genannten Aktenzeichen evident gehalten werde. Der Rekursantrag laut Punkt 3, dem Erstgericht aufzutragen für den Fall des Einlangens eines Sicherungsantrages die in der Schutzschrift vorgebrachten Argumente zu berücksichtigen, sei als bedingter Auftrag unzulässig. Es bestehe auch kein Rechtsschutzbedürfnis einer Partei daran, daß das Rechtsmittelgericht ein Rechtsmittel inhaltlich bearbeitet, weil die Partei irgendwann einmal ein Verfahren gegen sich befürchtet.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen von den Antragstellern erhobene Revisionsrekurs ist berechtigt.
Den Rechtsmittelwerbern ist darin zuzustimmen, daß hier die Rechtsmittelbeschränkung nach §§ 257 und 258 ZPO nicht anzuwenden ist. Infolge Verweisung des § 258 ZPO auf § 257 ZPO kann die Verfügung des Gerichtes, mit der ein vorbereitender Schriftsatz als unzulässig zurückgestellt (oder zu Gericht angenommen und dem Verfahren zugrundegelegt wird) nicht mit Rekurs angefochten werden (Fasching III 200; derselbe, LB2 Rz 1369; SZ 28/182; EvBl 1964/301; EvBl 1975/107 ua). Nach der Entscheidung EvBl 1989/137 gilt diese Rechtsmittelbeschränkung sinngemäß auch im Provisorialverfahren.
Die hier eingebrachte "Schutzschrift" ist aber mit den vorbereitenden Schriftsätzen des § 258 ZPO nicht zu vergleichen; dabei handelt es sich um einen im Gesetz nicht geregelten, schon vor Anhängigkeit eines für möglich gehaltenen Provisorialverfahrens überreichten Schriftsatz. Da ein solcher Schriftsatz dem Gesetz nicht bekannt ist, fehlt auch jede Regelung der Anfechtbarkeit von Beschlüssen über solche Schutzschriften. Daher gilt die allgemeine Regel des § 514 Abs 1 ZPO, wonach gegen Beschlüsse, soferne das Gesetz die Anfechtung nicht ausschließt, der Rekurs zulässig ist.
Dem Rekursgericht kann aber auch darin nicht gefolgt werden, daß es den Antragstellern an der Beschwer fehle, weil die Schutzschrift ja ohnehin beim Erstgericht liegengeblieben ist. Die Zurückweisung der Schutzschrift kann ja nur dahin verstanden werden, daß sie abgelegt, nicht in Evidenz gehalten und - vor allem - im Falle eines künftigen Sicherungsantrages nicht berücksichtigt werden wird. Das steht aber im Widerspruch zu dem gestellten Antrag, sodaß jedenfalls die formelle Beschwer zu bejahen ist. Durch den Beschluß des Erstgerichts wird aber auch das geltend gemachte Interesse der Antragsteller verneint, daß das Gericht bei der Entscheidung über einen gegen sie gerichteten Sicherungsantrag jedenfalls ihren Standpunkt zur Kenntnis nimmt. Damit ist aber auch die (materielle) Beschwer der Rechtsmittelwerber (und auch ihr "Rechtsschutzbedürfnis") zu bejahen.
Ob einer der mehreren Rekursanträge in der gestellten Form unzulässig ist, hat für die Frage der Zulässigkeit des gesamten Rechtsmittels keine Bedeutung.
Die vom Rekursgericht herangezogenen Zurückweisungsgründe halten somit einer kritischen Überprüfung nicht stand. Hat aber das Gericht zweiter Instanz einen Rekurs - wie hier - aus formellen Gründen zurückgewiesen, dann kann der Oberste Gerichtshof auf Grund eines dagegen erhobenen Rekurses im Hinblick auf § 3 JN - von den hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmsfällen, daß die formelle Zurückweisung und die sachliche Abweisung inhaltlich übereinstimmen (EvBl 1993/80 ua) oder das Rekursgericht trotz formeller Ablehnung einer Entscheidung in den Gründen die Sache meritorisch behandelt hat (JBl 1975, 549 mwN) abgesehen - nicht in der Sache selbst entscheiden (EvBl 1965/112; SZ 43/212; Mayr in Rechberger, ZPO, Rz 1 zu §§ 3, 4 JN und Kodek aaO Rz 1 zu § 526).
Dem Revisionsrekurs war daher nur dahin Folge zu geben, daß der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Rekursgericht die meritorische Entscheidung über den Rekurs aufgetragen wird.
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