OGH 13Os27/96

OGH13Os27/966.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.März 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärgerin Mag.Archan als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Zoran D***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes Korneuburg vom 19.Oktober 1995, AZ 18 Bl 30,31/95, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Zehetner, des Verurteilten und des Verteidigers Mag.Nemec, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluß des Landesgerichtes Korneuburg als Beschwerdegericht vom 19. Oktober 1995, AZ 18 Bl 30,31/95, verletzt, soweit darin die Beschwerden des Zoran D***** gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Korneuburg GZ 4 U 334/94 ON 13 und ON 14 zurückgewiesen werden, § 79 Abs 2 StPO.

Der Beschluß des Landesgerichtes Korneuburg, der im übrigen unberührt bleibt, wird im Umfang der aufgezeigten Gesetzesverletzung aufgehoben und dem Landesgericht Korneuburg aufgetragen, die Beschwerden einer sachlichen Erledigung zuzuführen.

Text

Gründe:

Mit Strafverfügung (StPOForm U 10) des Bezirksgerichtes Korneuburg vom 12.Dezember 1994, GZ 4 U 334/94-15, wurde Zoran D***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB verurteilt. Gemäß § 389 StPO wurde er zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verpflichtet und ihm die voraussichtliche Höhe dieser nach Eintritt der Rechtskraft der Strafverfügung zu bestimmenden Kosten (darunter nicht näher konkretisiertes "Standgeld" in Höhe von 16.536 S und 6.480 S) zur Kenntnis gebracht. Die Strafverfügung wurde am 14.Dezember 1994 abgefertigt und dem Zoran D***** durch Hinterlegung am 20.Dezember 1994 zugestellt (S 94, 95). Am 27. Dezember 1994 wurde dem Bezirksgericht Korneuburg durch Vollmachtsanzeige bekannt, daß Zoran D***** Rechtsanwalt Dr.Adalbert L***** mit seiner Vertretung beauftragt hat (ON 16).

Am 24.Jänner 1995 bestimmte das Bezirksgericht Korneuburg die Kosten in der seinerzeit als "voraussichtlich" bezeichneten Höhe (S 96). Am selben Tag wurden (auch) die - schon am 12.Dezember 1994 verfaßten - Beschlüsse über die Bestimmung der - erstmals nachvollziehbar aufgeschlüsselten - Gebühren der Firma A***** GmbH in Höhe von 6.480 S (ON 13) und 16.536 S (ON 14) abgefertigt und dem Zoran D***** durch Hinterlegung am 28.Jänner 1995 (S 94), möglicherweise auch erst am 2. Februar 1995 (S 105) zugestellt.

Mit am 15.März 1995 zur Post gegebenen Schriftsatz brachte Rechtsanwalt Dr.L***** als ausgewiesener Rechtsvertreter des Zoran D***** die Beschwerde gegen die Beschlüsse ON 13 und ON 14 ein, wobei er hinsichtlich der Rechtzeitigkeit ausführte, daß er erst am 2.März 1995 von diesen Beschlüssen Kenntnis erlangt habe; in eventu beantragte er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (ON 18).

Mit Beschluß des Landesgerichtes Korneuburg als Beschwerdegericht vom 19. Oktober 1995, AZ 18 Bl 30,31/95, wurden der Wiedereinsetzungsantrag ab- und die Beschwerden zurückgewiesen (ON 20). Das Landesgericht Korneuburg vertrat den Standpunkt, daß sich die Zustellverfügung als Teil des Beschlusses unverrückbar an der zum Zeitpunkt der Beschlußfassung (das war vorliegend der 12.Dezember 1994) gegebenen Aktenlage zu orientieren habe. Da die Entscheidung mit der Übergabe der Urschrift an die Geschäftsstelle (im gegenständlichen Fall am 14.Dezember 1994) nicht mehr abgeändert werden dürfe, habe die erst am 27.Dezember 1994 eingelangte Vollmachtsanzeige keinen Einfluß auf die bereits vorher getroffene und der Geschäftsstelle übergebenen Zustellverfügung zeitigen können.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Rechtsstandpunkt ist, wie der General- prokurator in seiner gemäß § 33 StPO erhobenen Beschwerde aufzeigt, unhaltbar.

Es trifft zwar zu, daß gerichtliche Entscheidun- gen, deren Verkündung im Gesetz nicht vorgesehen ist, durch Übergabe der schriftlichen Fassung an die Geschäftsstelle zur Ausfertigung existent und ab diesem Zeitpunkt für das Gericht unwiderruflich werden (Mayerhofer/Rieder StPO3 E 4 zu § 77). Diese Bindungswirkung betrifft jedoch, was das Landesgericht Korneuburg übersieht, nicht die auf Grund dieser Entscheidung zu treffenden Zustellanordnung. Diese gemäß § 123 Geo durch bloßen Beisatz des Richters zur Urschrift zu erlassende, durch abgesondertes Rechtsmittel nicht bekämpfbare sogenannte Zustellverfügung ist vielmehr von Amts wegen stets dann zu treffen, wenn sich die Notwendigkeit zu ihrer Anordnung ergibt (vgl Danzl, Komm zur Geo, Anm 6 zu § 123). Wird ein für die Zustellung einer Entscheidung maßgeblicher Umstand, etwa die Wohnsitzände- rung einer Partei oder aber wie vorliegend die Vollmachtser- teilung an einen rechtsfreundlichen Vertreter dem Gericht noch vor Effektuierung der bereits erlassenen Zustellver- fügung bekannt, ist diese ohne weitere Förmlichkeit entsprechend zu ändern. Da eine gerichtliche Entscheidung, so nicht ausnahmsweise die persönliche Zustellung an die Partei gesetzlich normiert ist, was hier nicht zutrifft, gemäß § 79 Abs 2 StPO rechtswirksam nur an den ausgewiesenen Verteidiger zugestellt werden kann (Mayerhofer/Rieder StPO3 E 1 zu § 79), wäre es Aufgabe des Bezirksgerichtes Korneuburg gewesen, die Zustellung der Beschlüsse ON 13 und ON 14 an den zu diesem Zeitpunkt längst ausgewiesenen Verteidiger des Zoran D***** zu veranlassen. Dieser Zustellmangel wurde nach der Aktenlage erst am 2.März 1995 saniert, sodaß von einer fristgerechten Einbringung der Beschwerde auszugehen ist.

Gemäß § 292 StPO war der (jedenfalls formell) zum Nachteil ergangene Beschluß des Beschwerdegerichts aufzuheben und diesem insoweit eine meritorische Erledigung aufzutragen.

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