OGH 13Os12/96

OGH13Os12/966.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.März 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Archan als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Anton M***** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 18.Oktober 1995, GZ 22 Vr 234/94-21, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Freispruch unberührt bleibt, im Schuld-, Straf- und Kostenausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Hingegen wird die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen, mit ihrer Berufung wird sie auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Anton M***** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er zwischen Mitte September 1992 und 30.Juni 1993 in S***** als Bürgermeister mit dem Vorsatz, dadurch das Bundesland Tirol an seinen Rechten auf Einhaltung der Bauordnung zu schädigen, seine Befugnis als Baubehörde erster Instanz, in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbrauchte, indem er trotz mehrfacher schriftlicher Aufforderungen durch die Bezirkshauptmannschaft L***** den Abbruch des Bretterschuppens des Robert M***** nicht anordnete, obwohl die Behörde gemäß § 44 Abs 3 lit a Tiroler BauO den Abbruch einer baulichen Anlage innerhalb einer angemessenen festzusetzenden Frist aufzutragen hat, wenn für diese, die zum Zeitpunkt ihrer Errichtung und der Erlassung des Auftrages bewilligungspflichtig war bzw ist, eine Baubewilligung nicht vorliegt.

Hingegen wurde er von der gegen ihn weiter erhobenen Anklage, er habe im Herbst 1991 in S***** als Bürgermeister und somit als Beamter mit dem Vorsatz, dadurch das Bundesland Tirol an seinen Rechten auf Einhaltung der Bauordnung zu schädigen, seine Befugnisse, im Namen der Gemeinde als deren Organ, nämlich als Baubehörde erster Instanz, in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, indem er eine mündliche Bauanzeige des Robert M*****, mit welcher Genannter die Errichtung eines Holzschuppens im Ausmaß von 6,9 m x 5,3 m anzeigte, mündlich bewilligte, obwohl es sich um ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben im Sinne des § 25 Tiroler BauO handelte, der Bauwerber daher aufzufordern gewesen wäre, schriftlich um die Erteilung der Baubewilligung bei der Baubehörde anzusuchen (§ 27 TBO), die Behörde eine Bauverhandlung durchzuführen (§ 29 TBO) und mit schriftlichem Bescheid über das Bauansuchen zu entscheiden gehabt hätte (§ 31 TBO), gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Die Anklagebehörde bekämpft den Freispruch aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO, der Angeklagte den Schuldspruch aus Z 5 und 9 lit a leg cit.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft versagt.

Ihre Mängelrüge releviert mit der Behauptung stillschweigenden Übergehens wichtiger Verfahrensergebnisse die Unvollständigkeit des Ausspruches über entscheidende Tatsachen.

Soweit einzelne Worte oder Sätze aus der Zeugenaussage des Robert M***** als gesondert erörterungsbedürftige Beweisumstände reklamiert werden, genügt der Hinweis, daß das Schöffengericht den gesamten Angaben der Zeugen Robert und Theodor M***** zum Freispruchsfaktum mit plausibler (insoweit überdies nicht angefochtener) Argumentation die Verläßlichkeit und damit die Eignung als Feststellungsgrundlage abgesprochen hat (US 10). Demgemäß bestand im Rahmen der auf eine gedrängte Darstellung beschränkten gerichtlichen Begründungspflicht (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) keine Notwendigkeit, zusätzlich noch einzelne für diesen Anklagepunkt sprechende Teile der Aussage einer gesonderten Erörterung zu unterziehen (Mayerhofer/Rieder, StPO3, § 281 Z 5 E 8).

Die Schilderung des Angeklagten, er habe sich gedacht, daß bei dem Vorhaben mehr herauskommen werde als ein (nicht genehmigungspflichtiges) Flugdach, wurde vom Erstgericht berücksichtigt und den Urteilsfeststellungen zugrundegelegt (US 6). Auch damit ist aber die Urteilsannahme, wonach er (unbeschadet seiner den künftigen Ablauf betreffenden Vermutung) nur der Errichtung eines Flugdaches zugestimmt habe, durchaus vereinbar, weshalb der eingewendete Begründungsmangel nicht vorliegen kann. Daß das Erstgericht der diesbezüglichen Verantwortung des Angeklagten Glauben schenkte und daraus nicht den von der Nichtigkeitsbeschwerde angestrebten Schluß zog, der Angeklagte habe schon vor Beginn der Bauausführung den Umfang des später errichteten Baues gekannt und mündlich genehmigt, fällt in den Bereich der unanfechtbaren Beweiswürdigung des Schöffengerichtes.

Hingegen ist die Mängelrüge (Z 5) des Angeklagten insoweit berechtigt, als das Urteil für den Ausspruch, der Angeklagte habe anläßlich der Unterlassung des behördlichen Abbruchverfahrens die Schädigung des Landes Tirol in den Rechten auf Einhaltung der Bauordnung zumindest in Kauf genommen und sich damit abgefunden, jegliche Begründung vermissen läßt. Diese wesentliche Urteilsannahme über die subjektive Tatseite bedurfte schon deshalb einer näheren Urteilsbegründung, weil in der vom Erstgericht neben anderen Verfahrensergebnissen als Konstatierungsgrundlage bezeichneten Verantwortung des Angeklagten ein auf Rechtsschädigung gerichteter Wille in Abrede gestellt wurde. Den diesbezüglichen Einlassungen des Angeklagten folgend habe er zunächst auf Grund einer Zusage die Entfernung des Schuppens ohne Abbruchauftrag erwartet, danach die Angelegenheit vergessen und schließlich die Sanierung des Zustandes durch Baubewilligung angestrebt. Da diese Gegebenheiten mit der Annahme, der Angeklagte habe die Durchsetzung der Bauordnung verhindern wollen, nicht vereinbar wären, wäre das Erstgericht gehalten gewesen, für seine Feststellung eine diese Verantwortung berücksichtigende Begründung zu geben.

Dies umso mehr, als die Tatrichter (aktengetreu) feststellten, daß der Angeklagte von der Bezirkshauptmannschaft Landeck nach Kenntnisnahme des Vorhandenseins des Holzschuppens in erster Linie aufgefordert worden war, das hiezu erforderliche Baubewilligungsverfahren abzuwickeln (US 6).

Mangels jeglicher Begründung für die (entscheidungsrelevante) Feststellung zum Vorsatz des Angeklagten, das Land Tirol in seinen Rechten auf Einhaltung der Bauordnung zu schädigen, war der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten in nichtöffentlicher Beratung sofort Folge zu geben, weil die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat (§ 285 e StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hingegen war als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO ebenso bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

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