OGH 7Ob2022/96w

OGH7Ob2022/96w28.2.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag.Karl Z*****, und 2. Andrea Z*****, vertreten durch Schuppich, Sporn und Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Z*****, vertreten durch Dr.Alois Bergbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 13.September 1995, GZ 41 R 356/95-36, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 23.März 1995, GZ 5 C 510/93-29, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die hinsichtlich Punkt 2. des Spruches des erstgerichtlichen Urteiles (womit die Aufkündigung zu 5 C 487/94 vom 20.6.1994 als rechtsunwirksam erklärt und das damit zusammenhängende Begehren auf Räumung und Übergabe abgewiesen wurde) und der Festlegung der Untergrenze von S 41.000 der von den Klägern an die beklagte Partei zu leistenden Entschädigung als unangefochten unberührt bleiben, werden im übrigen aufgehoben.

Dem Erstgericht wird im angefochtenen Umfang (Entscheidung über die Aufkündigung vom 24.6.1993 und das S 41.000 übersteigende Entschädigungsbegehren der beklagten Partei) eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** H*****, die in der Kleingartensiedlung der Vereine "O*****" und "A*****" liegt. Bezüglich der Grundstücke *****/16 und *****/7 dieser Liegenschaft besteht ein unbefristeter Generalpachtvertrag mit der beklagten Partei. Auf den verpachteten Grundstücken steht eine Gartenhütte. Die Freiflächen wurden von den Unterpächtern bewirtschaftet und befinden sich in einem ausgezeichneten Zustand. Der Boden wurde in den vergangenen Jahren erheblich verbessert. Der Zeitwert des Pflanzenbestandes und des Bodens entspricht dem von den Unterpächtern erbrachten Aufwand zur Anschaffung und Pflege der Pflanzen und Verbesserung des Bodens. Die Pflanzen repräsentieren einen Zeitwert von S 41.000.

Die Kläger beabsichtigen, binnen einem Jahr ab Räumung dieser Grundstücke ein Kleingartenhaus, das teilweise im verpachteten Bereich liegen soll, zu errichten und haben bereits Angebote von Zimmereien eingeholt. Sie verfügen auch über entsprechende finanzielle Mittel zur Errichtung des Kleingartenhauses. Aufgrund dieses Bauvorhabens muß auch ein Weg, der in seiner Beschaffenheit nicht den Bestimmungen des § 6 Wiener Kleingartengesetz entspricht und der derzeit außerhalb der verpachteten Grundflächen verläuft, verändert werden. In einem Bescheid der MA 64 vom 9.11.1994 ist festgehalten, daß von den Klägern und ihren Nachbarn ein dem § 6 Wiener Kleingartengesetz entsprechender Weg über die Grundstücke *****/7 und *****/16 sowie *****/6 auf eigene Kosten zu errichten und zu erhalten sein wird. Solange dieser neue Aufschließungsweg nicht errichtet ist, müssen die Kläger den Durchgang über den derzeitigen Weg dulden.

Mit am 24.6.1993 zu 5 C 710/93 des Erstgerichtes eingebrachter und am selben Tag bewilligter Aufkündigung kündigten die Kläger der beklagten Partei "die im Bereich der EZ ***** KatGem H***** gelegene, gärtnerisch genutzte, unbefristet verpachtete Grundfläche mit der Grundstücksnummer *****/7 einschließlich Trennstück *****/16 gemäß beiliegendem Planausschnitt samt Zubehör für den gesetzlichen Kündigungstermin 31.12.1993 "gerichtlich auf, wobei sie die Kündigungsgründe des § 6 Abs 2 lit b und § 6 Abs 2 lit f Kleingartengesetz geltend machten.

Mit am 15.6.1994 zu 16 Cg 648/94 (in der Folge 5 C 487/94) des Erstgerichtes eingebrachter und am 20.6.1994 bewilligter Aufkündigung kündigten die Kläger der beklagten Partei "die in beiliegenden Plan rot umrandeten Teilflächen des Grundstückes Nr *****/7 Garten inneliegend in EZ ***** Grundbuch ***** sowie des Grundstückes Nr *****/16 landwirtschaftlich genutzt inneliegend in EZ ***** Grundbuch *****" aus dem Kündigungsgrund des § 6 Abs 1 lit b Kleingartengesetz auf.

Die beklagte Partei erhob jeweils Einwendungen und bestritt das Vorliegen der behaupteten Kündigungsgründe. Sie führte zudem aus, daß "aus Gründen ganz besonderer Vorsicht" der nach § 9 Abs 1 Kleingartengesetz iVm § 7 Abs 4 Kleingartengesetz als Zug-um-Zug-Leistung zustehende Aufwandersatz mit vorläufig S 350.000 geltend gemacht werde.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung vom 24.6.1993 (5 C 510/93) für rechtswirksam und verpflichtete die beklagte Partei, "der klagenden Partei die Grundflächen *****/7 und *****/16 inneliegend in EZ ***** Grundbuch ***** Zug um Zug gegen Leistung einer Entschädigung in der Höhe von S 41.000 durch die klagende Partei geräumt von nicht verpachteten Gegenständen binnen 14 Tagen zu übergeben" (Punkt 1. des Spruches). Hingegen erklärte es die Aufkündigung vom 20.6.1994 (5 C 487/94) für rechtsunwirksam und wies das Begehren, "die beklagte Partei habe die Grundflächen *****/7 und *****/16 inneliegend in EZ ***** Grundbuch ***** binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution geräumt zu übergeben", ab (Punkt 2. des Spruches). Punkt 3. des Spruches beinhaltet die Kostenentscheidung.

Das Erstgericht stellte im wesentlichen den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und bejahte das Vorliegen des in der Aufkündigung vom 24.6.1993 geltend gemachten Kündigungsgrundes des § 6 Abs 2 lit b erster und zweiter Fall Kleingartengesetz. Hinsichtlich des festgesetzten Entschädigungsbetrages führte es aus, daß für die Gartenhütte gemäß § 9 Abs 2 Kleingartengesetz kein Entschädigungsanspruch bestehe, weil die Kläger im Prozeßverlauf zu verstehen gegeben hätten, daß sie an der Gartenhütte nicht interessiert seien. Da die Aufkündigung vom 24.6.1993 wirksam sei, habe das Pachtverhältnis am 31.12.1993 geendet, so daß über die zeitlich spätere Aufkündigung im abweisenden Sinn zu entscheiden gewesen sei.

Die Entscheidung über die Aufkündigung vom 20.6.1994 (Abweisung Punkt 2. des Spruches) erwuchs in Rechtskraft. Die Kläger ließen auch die Höhe der festgesetzten Entschädigung unangefochten.

Der sinngemäß gegen Punkt 1. erhobenen Berufung der beklagten Partei gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei. Das Gericht zweiter Instanz erachtete den Kündigungsgrund des § 6 Abs 2 lit b erster Fall Kleingartengesetz für verwirklicht, so daß es sich erübrige, auf die Kündigungsgründe des § 6 Abs 2 lit b zweiter Fall und lit f Kleingartengesetz einzugehen. Den Ausführungen in der Berufung, daß zu Unrecht keine Entschädigung für die Gartenhütte zuerkannt worden sei, hielt das Gericht zweiter Instanz entgegen, daß zwar kein Fall des § 9 Abs 2 Kleingartengesetz vorliege, daß aber der Aufwandersatzanspruch im erstinstanzlichen Verfahren nicht näher substantiiert worden sei, so daß dieser vom Erstgericht gar nicht hätte berücksichtigt werden dürfen.

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig, weil die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz von der Rechtsprechung abweicht, daß überschießende, aber unbekämpfte Feststellungen zu berücksichtigen sind, wenn sie in den Rahmen des geltend gemachten Klagsgrundes oder der erhobenen Einrede fallen (ÖBl 1989, 118; JBl 1986, 121; EFSlg

57.756 ua).

Rechtliche Beurteilung

Es sind zwar die Ausführungen der Revision, die Vorinstanzen hätten den Klägern mehr zuerkannt, als von diesen begehrt worden sei, weil sich das Kündigungsbegehren nur auf die im Plan umrandet dargestellten Grundstücksteile und nicht auf die ganzen Flächen der Grundstücke *****/7 und *****/16 bezogen habe, nicht berechtigt. Nach ständiger Rechtsprechung begründet ein Verstoß gegen § 405 ZPO keine Nichtigkeit, sondern einen Verfahrensmangel (ZVR 1983/30; EFSlg 57.763; ÖBl 1989, 149 ua). Da ein solcher in der Berufung nicht geltend gemacht wurde, kann er in der Revision nicht mehr mit Erfolg erhoben werden. Abgesehen davon ist weder dem in der Aufkündigung vom 24.6.1993 gestellten Begehren noch dem sonstigen Inhalt des betreffenden Schriftsatzes zu entnehmen, daß nur Teile der Grundstücke aufgekündigt werden sollten.

Soweit die Revision jedoch geltend macht, daß die Gartenhütte zu Unrecht bei der Bemessung des Aufwandersatzes nicht einbezogen worden sei, ist sie im Ergebnis berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat zwar in seiner Entscheidung vom 31.8.1989, 6 Ob 636,637/89 = SZ 62/141 = MietSlg 41.450 klargestellt, daß dem Generalpächter, will er im Kündigungsstreit aus der Regel des § 7 Abs 4 Kleingartengesetz Nutzung ziehen, die gehörige verfahrensrechtliche Geltendmachung seines Ersatzanspruches nach den für eine klageweise Anspruchserhebung anerkannten Grundsätzen obliegt. Der Rechtsstreit über Einwendungen gegen die gerichtliche Aufkündigung eines Generalpachtverhältnisses unterliegt wie andere Rechtstreitigkeiten nach der ZPO mangels abweichender Sondervorschriften der Parteienmaxime und nicht dem Grundsatz amtswegiger Stoffsammlung und Interessenwahrung.

Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die beklagte Partei im vorliegenden Fall ihr - ziffernmäßig ohnehin bestimmtes - Aufwandersatzbegehren hinreichend substantiiert hat. Denn das Erstgericht hat im Rahmen dieses im Sinn des § 7 Abs 4 Kleingartengesetz erhobenen Anspruches nach § 9 Abs 1 Kleingartengesetz eindeutige Feststellungen darüber getroffen, welche Aufwendungen für diesen Ersatzanspruch in Frage kommen, nämlich jene für die Bepflanzung und jene für die Errichtung einer Gartenhütte. Die betreffenden Feststellungen blieben unbekämpft, so daß mit dem Argument des Gerichtes zweiter Instanz, es hätte mangels eines Vorbringens über die Art der Aufwendungen überhaupt kein Ersatz an die beklagte Partei zuerkannt werden dürfen, verfehlt ist.

Die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß für die Gartenhütte deshalb kein Ersatzanspruch gebühre, weil die Kläger kein Interesse an der Belassung dieser Hütte auf den aufgekündigten Grundstücken hätten, ist, wie das Gericht zweiter Instanz insofern richtig ausgeführt hat, ebenfalls verfehlt. Denn der Ausnahmefall des § 9 Abs 2 Kleingartengesetz, daß der Ersatzanspruch nach § 9 Abs 1 entfalle, wenn der Grundeigentümer dem Generalpächter erklärt, gegen die Entfernung der Aufwendungen keinen Anspruch zu erheben, trifft hier schon deshalb nicht zu, weil das Generalpachtverhältnis nicht infolge Zeitablaufes endete, sondern durch Aufkündigung enden soll.

Es wird im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein, ob die in § 9 Abs 1 Kleingartengesetz normierten Voraussetzungen des Ersatzanspruches vorliegen, wobei insbesondere zu klären sein wird, ob die Gartenhütte den Bauvorschriften entsprechend errichtet wurde, weil dies von den Klägern ausdrücklich bestritten wurde (AS 17). Bei Vorliegen der Voraussetzungen wird das Erstgericht den geltend gemachten Ersatzanspruch unter Einbeziehung der Gartenhütte der Höhe nach neuerlich zu prüfen haben.

Obgleich der Kündigungsanspruch der Kläger aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes bereits zu bejahen und nur mehr die Höhe der nach § 9 Abs 1 Kleingartengesetz zu leistenden Entschädigung, soweit mehr als S 41.000 begehrt wurden, zu prüfen sein wird, kann noch nicht mit Zwischen- oder Teilurteil entschieden werden, weil § 7 Abs 4 Kleingartengesetz, der zur Sicherung der Durchsetzung von Aufwandersatzansprüchen gekündigter Pächter dient, von einer unerläßlichen Einheit der Entscheidung über die Kündigung, die Verpflichtung zur Räumung und die vom Pächter begehrte Entschädigung ausgeht (SZ 62/141). Es waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen im angefochtenen Umfang zur Gänze aufzuheben.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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