OGH 7Ob42/95

OGH7Ob42/9521.2.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Reinhard P*****, vertreten durch Rechtsanwaltssozietät Eisenberger-Herzog-Nierhaus-Forcher & Partner in Graz, gegen die beklagte Partei Univ-Prof.Dr.Eduard Peter L*****, vertreten durch Dr.Bernd Fritsch und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen S 741.294,60 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 6.März 1995, GZ 4 b R 9/95-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 21.November 1994, GZ 16 Cg 340/93t-12, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 22.050,- (darin enthalten S 3.675,- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger erlitt am 13.2.1987 bei einem Sturz mit den Schiern eine Verletzung des linken Kniegelenks. Er war bei der M*****-AG (nunmehr infolge Verschmelzung W*****-AG) auf Grundlage der AUVB 1965 unfallversichert. Der Beklagte erstellte für den Kläger ein Privatgutachten, aus dem sich eine Minderung des Beinwertes um ein Drittel (= 20 % der Vollinvalidität) ergab. Der Versicherer beantragte die Entscheidung einer Ärztekommission. Der vom Kläger hiefür namhaft gemachte Beklagte kam mit dem vom Versicherer namhaft gemachten Gutachter am 13.12.1988 überein, daß eine Minderung des Beinwertes von 12 % (= 7,2 % der Vollinvalidität) vorliege. In dem hierüber verfaßten und von beiden Ärzten unterfertigten Aktenvermerk ist abschließend festgehalten: "Die Anrufung einer Ärztekommission wird derzeit von beiden Herren nicht ins Auge gefaßt".

In dem vom Kläger gegen den Versicherer zu 9 Cg 422/89 des Erstgerichtes geführten Verfahren, in dem er eine (weitere) Versicherungsleistung von S 1,083.915,- begehrte, stellte er außer Streit, daß der Aktenvermerk vom 13.12.1988 "die Entscheidung der Ärztekommission" darstelle. Das Erstgericht erkannte dem Kläger S 481.740,- zu und wies das Mehrbegehren ab. Das Gericht zweiter Instanz änderte dieses Urteil mangels offenbarer Unrichtigkeit der Entscheidung der Ärztekommission (§ 184 VersVG) im Sinn einer gänzlichen Klagsabweisung ab. Die dagegen vom Kläger erhobene außerordentliche Revision wurde vom Obersten Gerichtshof zurückgewiesen.

Der Kläger begehrt nunmehr vom Beklagten den im Verfahren 9 Cg 422/89 des Erstgerichtes in erster Instanz zuerkannten Betrag von S 481.740,- sowie den Ersatz der eigenen Kosten und die dem Gegner zu ersetzenden Kosten des genannten Verfahrens.

Das Erstgericht gab der Klage statt.

Das Gericht zweiter Instanz änderte das Urteil im Sinne einer Klagsabweisung ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine österreichische höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Verbindlichkeit von ohne Bestellung eines Obmannes getroffenen "Ärztekommissionsentscheidungen" fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist jedoch mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

Der Kläger hält in seiner Revision im wesentlichen den Vorwurf gegen den Beklagten aufrecht, erstens, daß dieser ungeachtet mangelnder Fachkompetenz die Erstattung eines fachgerechten Gutachtens zur Beurteilung des Invaliditätsgrades im Sinn der AUVB übernommen und den Invaliditätsgrad unrichtig deutlich überhöht beurteilt habe und zweitens, daß der Beklagte ohne entsprechende Kenntnis die Vertretung der Interessen des Klägers im Schiedsgutachtenverfahren übernommen und sich dort ohne Bestellung des Obmannes mit dem vom Versicherer bestellten Gutachter auf einen zu niedrigen Prozentsatz des Invaliditätsgrades geeinigt habe.

Zu 1.):

Nach ständiger Rechtsprechung soll der Oberste Gerichtshof, von grundsätzlichen Fragen abgesehen, nicht Entscheidungen über Fragen des Verschuldensgrades zu treffen haben; die Kasuistik des Einzelfalles schließt eine beispielgebende Entscheidung hierüber in der Regel aus.

In der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz, daß eine innerhalb der zu tolerierenden Schwankungsbreiten liegende Bewertung des Invaliditätsgrades des Klägers durch den Beklagten vorliege, sodaß von einem fahrlässigen Verhalten des Beklagten nicht gesprochen werden könne, ist keine zur sachlichen Behandlung der Revision Anlaß gebende Fehlbeurteilung des Gerichtes zweiter Instanz zu erblicken.

Zu 2): Mangels einer zum Vergleichsabschluß mit dem Versicherer ermächtigenden Vollmacht des Klägers an den Beklagten war dessen Übereinkunft mit dem vom Versicherer bestellten Arzt für den Kläger ohne rechtliche Wirkung.

Inwieweit der Beklagte die Willensbetätigung des Vertreters des Klägers im Verfahren 9 Cg 422/89 des Erstgerichtes, nämlich insbesondere die Außerstreitstellung, daß der die Übereinkunft festhaltende Aktenvermerk "die Entscheidung der Ärztekommission" darstelle, veranlaßt haben soll, ist nicht erkennbar, zumal doch in diesem Aktenvermerk ausdrücklich festgehalten wurde, daß die Anrufung der Ärztekommission von den beiden unterzeichneten Ärzten derzeit nicht ins Auge gefaßt werde. Schon auf Grund dieser den Aktenvermerk abschließenden Erklärung, aber auch deshalb, weil ein den Vorschriften des Art 14 Z 3 bis 5 AUVB 1965 entsprechendes Verfahren überhaupt nicht durchgeführt wurde (insbesondere keine Obmannbestellung, keine Anhörung der Parteien), mußte dem Kläger bzw dessen Vertreter klar sein, daß ohne seine Billigung, daß von den Versicherungsbedingungen abweichende Regeln für das Sachverständigenverfahren gelten sollten, keine Entscheidung der Ärztekommission im Sinn des Art 14 AUVB 1965 vorlag und daß daher die zwischen den beiden Ärzten getroffene Übereinkunft für ihn nicht bindend war (SZ 54/167). Es wäre vielmehr am Kläger gelegen gewesen, auf die Durchführung des Ärztekommissionsverfahrens zu dringen und bei dessen Scheitern den ihm seiner Meinung nach zustehenden Betrag ohne Rücksicht auf den Aktenvermerk und ohne Berufung auf § 184 VersVG einzuklagen.

Der Beklagte hatte weder Einfluß darauf, daß der Kläger bzw sein Vertreter den Aktenvermerk im Verfahren 9 Cg 422/89 des Erstgerichtes im nachhinein als Schiedsgutachten verstanden wissen wollte, noch darauf, wie die betreffende Außerstreitstellung seitens der im dortigen Verfahren tätigen Gerichte beurteilt wurde. Ein für den nunmehr behaupteten Schaden kausales Fehlverhalten des Beklagten kann in den Feststellungen der Vorinstanzen nicht erblickt werden.

Die für die Revisionsbeantwortung verzeichneten Kosten waren dem Beklagten als zweckentsprechend zuzuerkennen, weil in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision mangels erheblicher Rechtsfrage hingewiesen wurde.

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