OGH 3Ob18/96

OGH3Ob18/9621.2.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei J*****, vertreten durch Kraft & Winternitz, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, wider die verpflichtete Partei Wilfried B*****, vertreten durch Dr.Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wegen DM 1,000.000 s.A., infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 13.November 1995, GZ 13 R 182/95-5, womit die Exekutionsbewilligung des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 4.August 1995, GZ 20 Nc 15/95d-1, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Exekutionsbewilligung des Erstgerichtes mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, daß es im Punkt 2 lit b statt "mit den aus den mit Verordnung des Bundesminsters für Justiz im BGBl 124/1992 vom 5.3.1992 kundgemachten Tabellen ersichtlichen Beschränkungen" zu heißen hat: "mit den Beschränkungen, die sich aus den in der jeweils geltenden Existenzminimum-Verordnung kundgemachten Tabellen ergeben".

Der Verpflichtete hat die Kosten seines Rekurses selbst zu tragen.

Die Kosten des Revisionsrekurses werden mit S 37.062,90 (darin S 6.177,15 USt) als weitere Exekutionskosten der betreibenden Partei bestimmt.

Text

Begründung

In einer notariellen Urkunde, die von einem Notar der Bundesrepublik Deutschland über den Kauf einer der betreibenden Partei gehörenden, in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Liegenschaft errichtet worden ist, wurde vereinbart, daß der Kaufpreis von DM 14,537.687,50 am 30.9.1993 zur Zahlung fällig ist. Die betreibende Partei und der Erwerber sind Unternehmen, deren Niederlassungen sich in der Bundesrepublik Deutschland befinden. Im § 8 der angeführten notariellen Urkunde übernahm der Verpflichtete neben anderen Personen gegenüber dem Veräußerer "die selbstschuldnerische Bürgschaft ... für sämtliche Zahlungsverpflichtungen des Erwerbers aus dieser Urkunde."

Der Punkt 2 dieses Paragraphen lautet sodann:

"Der Erwerber als Schuldner sowie (es folgen mehrere Namen, darunter der des Verpflichteten), soweit diese aufgrund vorstehend erklärter Bürgschaftsübernahme zur Zahlung in Anspruch genommen werden, unterwerfen sich bezüglich aller Zahlungsverpflichtungen des Erwerbers aus vorliegendem Vertrag (Kaufpreis einschließlich Mehrwertsteuer, Darlehen, Zinsen, Liquiditätszuschuß) der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.

Der Urkundsnotar hat die Erschienenen über die Bedeutung dieser Unterwerfungserklärung, insbesondere über die hierdurch evtl. bewirkte Umkehr der Beweislast, eingehend belehrt.

Die Beteiligten erklären jedoch, daß sie dessen ungeachtet diese Unterwerfungserklärung abgeben wollen."

Die betreibende Partei beantragte, ihr aufgrund dieser Urkunde gegen den Verpflichteten zur Hereinbringung der vollstreckbaren Teilforderung von DM 1,000.000 sA die Fahrnisexekution sowie die Exekution durch Pfändung und Überweisung der dem Verpflichteten als Schauspieler gegen einen gemäß § 294a EO zur ermittelnden und gegen einen weiteren namentlich bezeichneten Drittschuldner zustehenden Forderungen zu bewilligen.

Das Erstgericht bewilligte den Exekutionantrag in Form eines Bewilligungsvermerks gemäß § 112 Abs 1 Geo.

Das Rekursgericht wies infolge Rekurses des Verpflichteten den Exekutionsantrag ab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der betreibende Gläubiger hätte den Verpflichteten als Bürgen vor Einbringung des Exekutionsantrags zur Zahlung auffordern müssen. Andernfalls würde der Verpflichtete erstmals durch die Exekution erfahren, daß er überhaupt zur Zahlung herangezogen wird, und hätte keine Möglichkeit, freiwillig zu zahlen.

Rechtliche Beurteilung

Der von der betreibenden Partei gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichtes zulässig, weil es die Vorschriften der §§ 3 f IPRG nicht beachtete und seine Entscheidung von der hier maßgebenden Rechtsansicht abweicht, die in der Bundesrepublik Deuschland vertreten wird; er ist auch berechtigt.

Die den Exekutionstitel bildenden notarielle Urkunde bildet gemäß § 794 Z 5 dZPO in der Bundesrepublik Deutschland einen Vollstreckungstitel. Sie ist gemäß Art 13 Abs 1 des mit der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Vollstreckungsvertrages BGBl 1960/105 wie eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vollstreckbar (Hoyer/Löwe in Heller/Berger/Stix I 827 FN 35). Für die Frage der Rechtsfolgen, die mit der vom Verpflichteten abgegebenen Bürgschaftserklärung verbunden sind, ist gemäß der Sachnormverweisung (Schwimann in Rummel2 Rz 1 zu § 5 IPRG) des § 45 IPRG das Recht der Bundesrepublik Deutschland maßgebend (IPRE 2/50; Schwimann aaO Rz 2 zu § 45 IPRG), das gemäß § 3 dieses Gesetzes wie in der Bundesrepublik Deutschland anzuwenden ist. Für die Entscheidung wesentlich sind daher die dort in der Rechtsprechung und im Schrifttum vertretenen Auffassungen (Schwimann in Rummel2 Rz 3 zu § 3 IPRG mwN aus der Rechtsprechung).

In der Bundesrepublik Deutschland bedeutet die Vereinbarung der im § 773 Z 1 BGB erwähnten selbstschuldnerischen Bürgschaft, daß der Bürge auf die ihm sonst gemäß § 771 BGB zustehende Einrede der Vorausklage (genauer: der Vorausvollstreckung: Palandt, BGB54 Rz 1 zu § 771; Scholz/Lwowski, Das Recht der Kreditsicherung7 344) verzichtet hat und diese Einrede daher ausgeschlossen ist. Da es sich dabei um eine echte Einrede handelt, wird darauf nur Bedacht genommen, wenn sie der Bürge geltend macht. Der Gläubiger muß daher nicht einmal in dem gegen den gewöhnlichen Bürgen geführten Rechtsstreit behaupten, daß er die Vollstreckung gegen den Hauptschuldner erfolglos versucht hat, und der Bürge kann sie unter Umständen noch mit der Vollstreckungsgegenklage geltend machen (Horn in Staudinger, BGB12 Rz 1 zu § 771). Der selbstschuldnerische Bürge wird zwar nicht Gesamtschuldner, zumal die akzessorische Natur der Bürschaft bestehen bleibt (Horn aaO Rz 4 zu § 773; Mühl in Soergel, BGB11 Rz 1 zu § 765 und Rz 1 zu § 773). Es wird vielmehr die Meinung vertreten, daß die vereinbarte oder gesetzliche selbstschuldnerische Bürgschaft gerade die sonst geltende Subsidiarität der Bürgschaft beseitigt (Horn in Heymann4 Rz 3 zu § 349 HGB).

Soweit dies überblickt werden kann, wurde in der Bundesrepublik Deutschland werden in der Rechtsprechung noch im Schrifttum zur Frage Stellung genommen, ob der selbstschuldnerische Bürge gemahnt werden muß. Aus den wiedergegebenen Auffassungen ergibt sich aber kein Anhaltspunkt dafür, daß nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland und den hiezu vertretenen Meinungen die Inanspruchnahme des selbstschuldnerischen Bürgen dessen Mahnung voraussetzt. Etwas anderes geht entgegen der vom Verpflichteten in seinem Rekurs vertretenen Auffassung auch nicht aus dem im § 8 Punkt 2 der notariellen Urkunde enthaltenen Halbsatz hervor, wonach sich die Bürgen der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen, soweit sie aufgrund der Bürgschaftsübernahme zur Zahlung in Anspruch genommen werden. In Anspruch nehmen bedeutet nicht notwendig, daß der Schuldner zuerst zur Zahlung aufgefordert werden muß, sondern es liegt die Inanspruchnahme vor allem auch darin, daß die Forderung eingeklagt oder im Weg der Exekution betrieben wird.

Da die vom Bürgen geschuldete Leistung jedenfalls bei der selbstschuldnerischen Bürschaft zugleich mit der Hauptschuld fällig wird, ist es seine Sache, sich davon zu überzeugen, ob die Schuld getilgt wurde. So hat das Reichsgericht bereits in seiner Entscheidung RG Z 65, 134, 136 f ausgesprochen, daß eine Verpflichtung des Gläubigers, von einem die Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners betreffenden Vorgang zu benachrichtigen, nicht besteht. Die Vorschrift des § 166 BGB ist auf das Verhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Bürgen nicht anzuwenden (so auch Scherubl in Staudinger12 Rz 16 zu § 1166).

Der Meinung des Rekursgerichtes, daß die Bewilligung der Exekution die Mahnung des Verpflichteten und deren Nachweis voraussetzt, kann daher nicht gefolgt werden. Da der Bewilligung der Exekution auch sonst keine Hindernisse entgegenstehen, war der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen, wobei jedoch darauf Bedacht zu nehmen war, daß für die Exekutionsbeschränkungen die jeweils geltende Existenzminimum-Verordnung maßgebend ist (vgl § 292 g EO sowie Art XXXIV Abs 2 und 3 EO-Nov 1991).

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekurses beruht auf § 74 EO, jene die über die Kosten des Rekurses des Verpflichteten auf § 78 EO iVm dem §§ 40 und 50 ZPO.

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