OGH 7Ob509/96

OGH7Ob509/9621.2.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Exekutionssache der gefährdeten Partei Christian M*****, vertreten durch Dr.Gottfried Eypeltauer ua Rechtsanwälte in Linz, wider die Gegner der gefährdeten Partei 1. Karl S*****, und 2. Anna S*****, beide vertreten durch Dr.Johannes Grund und Dr.Wolf D.Polte, Rechtsanwälte in Linz, wegen einstweiliger Verfügung, infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Rekursgericht vom 5. Oktober 1995, GZ 29 R 245/95-11, womit infolge Rekurses der gefährdeten Partei der Beschluß des Bezirksgerichtes Haag vom 21. August 1995, GZ 2 C 606/95-7, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten zur Erlassung der einstweiligen Verfügung.

Text

Begründung

Die Antragsgegner vermieteten im Jahr 1985 einen auf der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** E***** befindlichen Schweinestall an die gefährdete Partei zum Abstellen von PKWs. Der wertgesicherte Mietzins betrug zuletzt S 4.678,-- (für welchen Zeitraum, läßt sich dem Akteninhalt nicht entnehmen). In der Folge benützte die gefährdete Partei im Einvernehmen mit den Antragsgegnern auch die umliegende Freifläche zum Abstellen von PKWs. Mit Schreiben vom 2.2.1995 kündigten die Antragsgegner das Mietverhältnis mit Wirksamkeit für 31.3.1995 auf. Inzwischen wurde ein Abbruchbescheid für den ehemaligen Schweinestall erwirkt.

Mit am 11.4.1995 zu 2 C 606/95 des Erstgerichtes eingebrachter Klage begehrten die Antragsgegner die Räumung der Liegenschaft EZ *****, und zwar sowohl des Schweinestalles als auch der Freiflächen. Sie brachten vor, daß "das Prekarium" für das Abstellen von PKWs auf den Freiflächen mit Schreiben vom 2.2.1995 zum 31.3.1995 aufgehoben worden sei. Die Vereinbarung betreffend das Abstellen der PKWs im Schweinestall sei ebenfalls fristgerecht zum 31.3.1995 aufgelöst worden. Der Beklagte (die gefährdete Partei) benütze daher nunmehr den Schweinestall und die Freifläche titellos.

Am 10.7.1995 langte beim Erstgericht ein mit dem Aktenzeichen 2 C 606/95 versehener Schriftsatz der gefährdeten Partei ein, mit dem sie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung des Inhaltes begehrte, daß den Antragsgegnern bis zum rechtskräftigen Abschluß des zu 2 C 606/95 beim Erstgericht anhängigen Räumungsverfahrens untersagt werde, den auf der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** befindlichen, von der gefährdeten Partei gemieteten ehemaligen Schweinestall samt anschließenden Raum, der als Aufenthaltsraum genutzt werde, abzureißen bzw. zu beschädigen. Die gefährdete Partei behauptete, daß sie den ehemaligen Schweinestall zum Teil als Atelier für ihre Tätigkeit als Maler sowie einen anschließenden Raum als Aufenthaltsraum und Vereinslokal benütze. Aufgrund des seitens Dipl.Ing.Dr.Franz S***** erwirkten Abbruchsbescheides und der mehrfachen Androhungen, daß unabhängig vom Ausgang des Räumungsverfahrens alles abgerissen werde, bestehe die dringende Gefahr, daß der Schweinestall schon in den nächsten Tagen abgebrochen werde, ohne daß der Ausgang des Räumungsverfahrens abgewartet werde.

Die Antragsgegner beantragten die Abweisung dieses Antrages. Sie wendeten ein, daß ein Mietverhältnis, insbesondere ein dem MRG unterliegendes Mietverhältnis nicht vorliege und bestritten, daß der Schweinestall als Atelier verwendet werde. Die Erlassung der einstweiligen Verfügung würde "dem nunmehrigen Grundeigentümer" unwiederbringlichen Schaden zufügen, weil aufgrund des Abbruchbescheides und der erteilten Baubewilligung bereits Verträge mit Professionisten zur Errichtung eines Wohnhauses abgeschlossen worden seien. Im übrigen sei den Klägern am 26.7.1995 "der Beschluß des BG H*****" zugestellt worden, womit aufgrund des Übergabsvertrages "die klagsgegenständliche Liegenschaft von den klagenden Parteien an ihren Sohn Dr.Friedrich S***** übergeben wurde".

Die gefährdete Partei behauptete in der Folge noch, daß die Antragsgegner von der Verwendung des Schweinestalles als Atelier und des daran anschließenden Raumes als Aufenthaltsraum bzw. Vereinslokal gewußt hätten.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab. Es stellte fest, daß die gesamte Fläche zum Abstellen teils von Oldtimern, teils von Autowracks oder Autoteilen benützt werde. Eine über das Abstellen von Autos hinausgehende Nutzung sei nicht vereinbart worden. Die gefährdete Partei habe im ehemaligen Schweinestall niemals Aufenthalt genommen. Ein Maleratelier oder ein Vereinslokal bestehe nicht.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß die gefährdete Partei nicht bescheinigt habe, daß das Mietverhältnis dem MRG unterliege und daß die Aufkündigung vom 2.2.1995 wirkungslos gewesen sei. Es sei auch die Gefährdung nicht bescheinigt worden, weil nicht glaubhaft gemacht worden sei, daß die Antragsgegner von der Abbruchbewilligung vor Beendigung des Räumungsstreites Gebrauch machen würden. Außerdem stünde es der gefährdeten Partei frei, sich gegen ein eigenmächtiges Vorgehen der Antragsgegner mittels Besitzstörungsklage zur Wehr zu setzen.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es sei zwar die Bescheinigung einer Gefährdung gelungen, weil die Antragsgegner nicht nur über eine Abbruchsgenehmigung verfügten, sondern auch auf bereits geschlossene Verträge mit Professionisten zur Errichtung eines Neubaues und auf die drohenden Verzögerungsschäden hingewiesen hätten. Es liege schon nach dem eigenen Vorbringen der Antragsgegner ein Mietvertrag vor, wobei dahingestellt bleiben könne, ob dieser dem MRG unterliege oder nicht. Im Anwendungsbereich des MRG könnten Mietverträge gemäß § 33 Abs.1 MRG nur gerichtlich aufgekündigt werden. Andernfalls käme § 560 Abs.1 Z 2 lit.e ZPO zum Tragen, wonach eine dreimonatige Kündigungsfrist einzuhalten sei. Die am 2.2.1995 für den 31.3.1995 erklärte (außergerichtliche) Aufkündigung sei somit jedenfalls unwirksam. Dennoch könne dem Provisorialantrag nicht entsprochen werden, weil sich eine einstweilige Verfügung immer im Rahmen des Hauptanspruches halten müsse. Der Beklagte (= gefährdete Partei) könne daher im Räumungsprozeß nicht die Erlassung eines einstweiligen Demolierungsverbotes, also die Sicherung eines aus § 1096 Abs.1 ABGB erfließenden Unterlassunganspruches, begehren. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Rechtsfrage, ob ein derartiges Verbot auch im Rahmen des Räumungsprozesses erwirkt werden könne, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Entscheidung des Rekursgerichtes die Bestimmungen der §§ 378, 391 Abs.2 EO außer acht läßt. Er ist im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen auch berechtigt.

Wie das Rekursgericht insoweit richtig erkannt hat, hat der Bestandnehmer das gegen den Bestandgeber durchsetzbare Recht auf Erhaltung der übergebenen Bestandsache im brauchbaren Zustand und auf Schutz vor Störungen (§ 1096 ABGB). Bei nicht gehöriger Erfüllung dieser Pflichten durch den Bestandgeber kann der Bestandnehmer auf Zuhaltung des Vertrages, wie insbesondere auch auf Unterlassung von Störungen, bestehen (vgl. Würth in Rummel2 I Rz 2 und 7 zu § 1096 ABGB). Aus dem Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung geht unzweifelhaft hervor, daß die gefährdete Partei eben diesen Anspruch gesichert haben will.

Die gefährdete Partei hat zwar einen solchen, aus dem behaupteten aufrechten Bestandverhältnis erfließenden Unterlassungsanspruch noch nicht gerichtlich geltend gemacht, sondern dem Räumungsanspruch der Antragsgegner nur entgegengehalten, daß das Mietverhältnis noch aufrecht sei und keine titellose Benützung vorliege. Dies hindert aber die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung des sich aus § 1096 ABGB ergebenden Anspruches nicht. Wie sich aus den §§ 378, 387 Abs.2 EO ergibt, kann eine einstweilige Verfügung auch vor Einleitung des Prozesses bewilligt werden. Gemäß § 391 Abs.2 EO ist in einem solchen Fall im (bewilligenden) Beschluß eine angemessene Frist für die Einbringung der Klage zu bestimmen; nach vergeblichem Ablauf der Frist ist die getroffene Verfügung auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben.

Auch der Umstand, daß die Zeit, für die die einstweilige Verfügung beantragt wurde, im Antrag mit der Dauer des Räumungsverfahrens angeführt ist, kann nicht zur Abweisung des Antrages führen, weil im (bewilligenden) Beschluß eine andere oder eine zusätzliche Befristung (etwa mit dem rechtskräftigen Abschluß des noch einzuleitenden Verfahrens über den Unterlassungsanspruch) gesetzt werden kann (§ 391 Abs.1 EO).

Der Ansicht des Erstgerichtes, daß die Gefahrenbescheinigung mißlungen sei, ist das Rekursgericht zu Recht entgegengetreten. Die Antragsgegner haben gar nicht bestritten, daß umgehend vom Abbruchsbescheid Gebrauch gemacht werden soll, wodurch unzweifelhaft der Tatbestand des § 381 Abs.1 EO verwirklicht würde.

Richtig ist auch, daß der Mietvertrag durch das Schreiben vom 2.2.1995 selbst dann nicht wirksam beendet wurde, wenn der Mietvertrag nicht dem MRG unterliegen sollte, weil die Kündigungsfrist des § 560 Abs.1 Z 2 lit.e ZPO nicht eingehalten wurde. Auf das im Revisionsrekurs erstmals enthaltene Vorbringen, daß "die Vereinbarung" mündlich bereits im September 1994 aufgelöst worden sei, ist schon infolge des im Rechtsmittelverfahren geltenden Neuerungsverbotes nicht weiter einzugehen. Die Frage, ob die Vereinbarung bezüglich der Überlassung der Freifläche als Miete, Leihe oder Bittleihe zu qualifizieren ist, stellt sich entgegen der in der Revisionsrekursbeantwortung vertretenen Auffassung nicht, weil sich der mittels einstweiliger Verfügung zu sichernde Anspruch nach dem Inhalt des Antrages nur auf das Gebäude, das abgerissen werden soll, bezieht.

Dennoch ist eine abschließende Beurteilung, ob die Anspruchsbescheinigung gelungen ist, noch nicht möglich. Aus dem Vorbringen der Antragsgegner insbesondere auch in ihrer Äußerung zur begehrten einstweiligen Verfügung, sie hätten die Liegenschaft oder die betreffenden Teile ihrer Liegenschaft ihrem Sohn übertragen und auch schon einen entsprechenden Beschluß (Grundbuchsbeschluß über die Verbücherung der Eigentumsübertragung?) erhalten, läßt sich die Bestreitung ihrer Passivlegitimation in einem künftigen Unterlassungsprozeß ableiten. Wären die Antragsgegner tatsächlich auch nicht mehr bücherliche Eigentümer des von der begehrten einstweiligen Verfügung betroffenen Stallgebäudes, wäre der zu sichernde Anspruch nicht gegen sie, sondern gegen ihren Rechtsnachfolger zu richten (§ 1120 ABGB bzw. § 2 Abs.2 MRG). Ihre Inanspruchnahme wäre daher auch im Rahmen der einstweiligen Verfügung verfehlt.

Die Vorinstanzen haben keine Feststellungen hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse am strittigen Gebäude getroffen. Es wird daher im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein, ob die Antragsgegner (noch) Eigentümer dieses Objektes sind.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 402 Abs.4, 78 EO, § 52 Abs.1 ZPO.

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