OGH 15Os4/96

OGH15Os4/9615.2.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Februar 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Mänhardt als Schriftführer, in der Strafsache gegen Josef H***** und andere wegen des Verbrechens der Unzucht mit Umündigen nach § 207 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Josef H***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 7.November 1995, GZ 10 Vr 1654/95-32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, teils demgemäß, teils gemäß § 290 Abs 1 StPO, im Schuldspruch des Angeklagten Josef H***** sowie in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch andere Entscheidungen enthält, wurde Josef H***** des Verbrechens der Unzucht mit "Minderjährigen" (richtig: Unmündigen) nach § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er zu nicht näher bekannten Zeitpunkten im Jahr 1933 (richtig: 1993) in Gossendorf, Bezirk Feldbach, die am 13.Februar 1982 geborene Manuela E***** mindestens dreimal an den Brüsten und einmal am Geschlechtsteil - jeweils über der Kleidung - gestreichelt.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Angeklagten gegen diesen Schuldspruch erhobenen, auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu.

Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 1993 im Badezimmer des Hauses der Familie E***** die Brüste der am 13.Februar 1982 geborenen Manuela E***** über dem Leibchen gestreichelt; einige Zeit später streichelte er in seinem Haus erneut die Brüste der Genannten über der Kleidung. Noch im selben Jahr streichelte er während des Öffnens der Tür seines Autos die Brüste dieses Mädchens und dessen Scheide über der Kleidung (US 12 f).

In den Entscheidungsgründen findet sich aber - wie in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zutreffend vorgebracht wird - keine Feststellung dahin, in welchem Umfang das zur Tatzeit zehn bis elf Jahre alte Mädchen damals körperlich entwickelt war, sodaß unklar geblieben ist, ob die - bereits entwickelten oder auch noch nicht entwickelten (was im Ersturteil gleichfalls unkonstatiert geblieben ist) - Brüste des Mädchens physiologisch schon der Geschlechtssphäre der Genannten zuzurechnen waren (vgl Leukauf/Steininger Komm3 RN 7 sowie Mayerhofer/Rieder StGB4 E 5 und 6, jeweils zu § 207).

Darüber hinaus läßt das Ersturteil jegliche Feststellung zur subjektiven Tatseite vermissen. Der Mangel an Konstatierungen über den Vorsatz des Täters bei Vorsatzdelikten begründet Urteilsnichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 9 a E 12).

Dazu kommt, daß bei Berührung spezifisch weiblicher Körperpartien die Feststellung der zeitlichen Dauer der Kontaktierung sowie deren Intensität, Präzision und Zielsicherheit erforderlich ist, um beurteilen zu können, ob nicht bloß flüchtige und oberflächliche, demnach straflose (Mayerhofer/Rieder StGB4 § 207 E 7 c) Berührungen vorliegen. Nach Lage des Falls waren zur rechtsrichtigen Beurteilung des Sachverhalts derartige Feststellungen geboten, die dem bekämpften Urteil gleichfalls nicht zu entnehmen sind. Das Fehlen solcher Konstatierung bedingt gleichfalls Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO.

Diese zuletzt bezeichneten, vom Angeklagten nicht geltend gemachten Feststellungsmängel waren aus Anlaß seiner Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 290 Abs 1 StPO überdies von Amts wegen wahrzunehmen.

Die aufgezeigten Urteilsfehler machen eine gänzliche Verfahrenserneuerung in bezug auf die dem Angeklagten H***** zur Last gelegten strafbaren Handlungen unumgänglich, sodaß ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdepunkte nicht erforderlich war. Gemäß § 285 e StPO war daher bereits in nichtöffentlicher Sitzung der zum Vorteil dieses Angeklagten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die durch die Aufhebung des Schuldspruches bedingte Kassierung des Strafausspruches zu verweisen.

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