OGH 15Os10/96

OGH15Os10/9615.2.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Februar 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Mänhardt als Schriftführer, in der Strafsache gegen Friederike M***** wegen des Vergehens des Versicherungsmißbrauchs nach § 151 Abs 1 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 24.Oktober 1995, GZ 28 Vr 1025/95-41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen (infolge Rückziehung der vom öffentlichen Ankläger angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde - 1 h des Antrags- und Verfügungsbogens) in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des Angeklagten Gerhard Heinz M***** enthält, wurde (dessen Ehegattin) Friederike M***** (abweichend von der wegen des Verbrechens nach §§ 15, 146, 147 Abs 3 StGB erhobenen Anklage der Staatsanwaltschaft - ON 35 - lediglich) des Vergehens des Versicherungsmißbrauchs nach § 151 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt, weil sie am 22.September 1993 in Steyregg mit dem Vorsatz, sich oder (gemeint: und) einem anderen eine Versicherungsleistung zu verschaffen, eine gegen Zerstörung und Beschädigung versicherte Sache, nämlich das je zur Hälfte in ihrem und ihres Ehegatten Eigentum stehende, gegen Feuerschaden versicherte landwirtschaftliche Anwesen in Holzwinden Nr 35, dadurch teilweise zerstört hat, daß sie einen das Wirtschaftsgebäude vernichtenden Brand legte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5 a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Fehl geht der Beschwerdevorwurf, das bekämpfte Urteil leide zufolge Verletzung der Vorschrift des § 252 StPO an einer Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO, weil trotz Widerspruchs der Angeklagten aus dem Gutachten des (von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich beauftragten) Brandsachverständigen Ing.Manfred H***** die Befundaufnahmen (183-187 der ON 9) verlesen wurden (431 f).

Indes müssen nach dem klaren Wortlaut des § 252 Abs 2 StPO ua Befundaufnahmen verlesen werden, wenn nicht beide Teile darauf verzichten. Vorliegend hat der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft auf die Verlesung des in Rede stehenden Befundes nicht nur nicht verzichtet, sondern geradezu dessen Verlesung "verlangt"; nur diese Befundaufnahme, nicht aber das daran anschließende Gutachten wurde verlesen (433). Demnach liegt der relevierte Nichtigkeitsgrund nicht vor, sodaß auf das weitere Vorbringen, welches - der eigenen zentralen Beschwerdeargumentation sowie der Aktenlage zuwider - dabei stets vom verlesenen "Gutachten" ausgeht.

Nicht stichhältig sind die Einwände in der Mängelrüge (Z 5).

Mit der Frage, ob die Angeklagte vor der Gendarmerie und vor dem Journalrichter ein "unrichtiges" Geständnis abgelegt hat oder nicht, sowie über ihre körperliche und geistige Verfassung zu diesen Zeiten setzt sich das Schöffengericht in der Beweiswürdigung ausführlich auseinander, ohne entgegenstehende entscheidende Beweisergebnisse mit Stillschweigen zu übergehen (US 10 ff).

Die nach Ansicht der Beschwerdeführerin als unvollständig begründeten "Feststellungen" (A 2.1 der BS) sind erkennbar teils Erwägungen, von denen sich die Erkenntnisrichter bei Prüfung der Glaubwürdigkeit der Angeklagten leiten ließen (US 24-26), teils Wiedergaben von einzelnen, als unglaubwürdig beurteilten Verantwortungspassagen (US 22 unten), teils aus den Verfahrensergebnissen gezogene Schlußfolgerungen, demnach insgesamt solche Vorgänge, die einer Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren unzugänglich sind. Somit stellt dieses Vorbringen im wesentlichen lediglich - nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung - die tatrichterliche Beweiswürdigung und den (dieser zugrundeliegenden) kritisch-psychologischen Vorgang in Frage (vgl Mayerhofer/Rieder StPO3 § 258 E 16; § 281 Z 5 E 1 f, 26). Die Zeugen S***** und Dr.Mo*****, die eine Müdigkeit (oder Anspannung) der Beschwerdeführerin bei ihren Vernehmungen durch die Gendarmerie und den Untersuchungsrichter wahrgenommen hatten, berichteten - was die Beschwerde zu erwähnen unterläßt - von dennoch völlig "normalen" Einvernahmen. Soweit behauptet wird, die Aussagen S***** und D***** widersprächen der Urteilsfeststellung, wonach das Geständnis vor der Gendarmerie weder in Form eines Nachsagens eines vorgeredeten Satzes noch nach einem Anschreien zustandegekommen sei, werden die genannten Aussagen in ihrem Sinngehalt grob mißdeutet und geradezu ins Gegenteil verkehrt.

Die vermißte Begründung zur Feststellung, daß objektive Brandentstehungsursachen auszuschließen sind (A 2.2 der BS), findet ihre beweismäßige Deckung in dem detaillierten Gutachten des in der Hauptverhandlung vernommenen Brandsachverständigen Ing.W***** (304 ff; vgl auch 413, 427 f), auf das sich das Urteil bezieht (US 22 fünfter Absatz).

Von einer (Nichtigkeit begründenden) Aktenwidrigkeit (A 2.2 der BS) im Zusammenhang mit der Wiedergabe der Aussage des Zeugen Dr.Mi***** durch den Gebrauch des Umstandswortes "keineswegs" (US 25 zweiter Absatz) anstelle des Fürwortes "kein" (425 unten) kann - so man sich nicht dem Vorwurf sophistischer Wortklauberei aussetzen will - schon nach deren sprachlicher Bedeutung keine Rede sein. Zudem wird dadurch kein entscheidender Umstand berührt (vgl Mayerhofer/Rieder aaO § 281 Z 5 E 192 f).

Mit dem in der Beschwerdeschrift (A 2.4) grob unvollständig zitierten und aus dem Sinnzusammenhang gerissenen Detail aus den erstgerichtlichen Erwägungen (US 25 dritter Absatz) wird erneut kein formeller Begründungsmangel dargetan.

Unbegründet ist schließlich der Beschwerdevorwurf (A 2.5), wonach einerseits in der Urteilsfeststellung, derzufolge die Angeklagte mit dem Vorsatz handelte, sich oder einem anderen eine Versicherungsleistung zu verschaffen, lediglich die verba legalia wiedergegeben würden, andererseits diese Konstatierung zur subjektiven Tatseite mit jener auf US 9 unten bis 10 oben in unlösbarem Widerspruch stünde:

Vernachlässigt doch die Nichtigkeitswerberin auch im ersten Fall wiederum sowohl den gesamten zusammenhängenden Feststellungskomplex (US 7 zweiter Absatz) als auch die korrespondierende Entscheidungsstelle (US 26 bis 27 oben), die - in ihrer Gesamtheit betrachtet - nicht nur den für die Verwirklichung des unter dem Aspekt eines Versicherungsbetruges (§§ 146 ff StGB) eine bloße Vorbereitungshandlung darstellenden Vergehens des Versicherungsmißbrauches nach § 151 Abs 1 Z 1 StGB (s. Leukauf/Steininger Komm3 § 146 RN 66) erforderlichen spezifischen Vorsatz zu tragen vermögen, sondern diesen auch sachverhaltsmäßig zureichend und in Übereinstimmung mit den Denkgesetzen begründen.

Im zweiten Fall hinwieder verkennt die Beschwerde, daß darin bloß Zweifel des Erstgerichtes zum Ausdruck gebracht werden, daß die Beschwerdeführerin in einem späteren Stadium (also nach Erfüllung des in Rede stehenden Vergehens), in Ansehung des Verdachtes eines versuchten Versicherungsbetruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 3 StGB, nämlich beim Ausfüllen der Schadensmeldung an die Versicherung durch Ha***** (vgl ZV Karl K*****: 411), aktiv mitgewirkt und anläßlich der Unterfertigung der Schadensmeldung tatsächlich mit bedingtem Betrugsvorsatz gehandelt hat.

Da die beiden relevierten - verschiedene zeitliche Phasen betreffenden - Feststellungen verschiedene Tatbestände (subsidiäre, selbständig vertypte, nur ausnahmsweise strafbare bestimmte Vorbereitungshandlungen zum Versicherungsmißbrauch nach § 151 Abs 1 Z 1 StGB dort und strafbarer Versuch des schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 3 StGB da) mit differenzierten Vorsatzkomponenten betreffen, haftet dem bekämpften Urteil auch insoweit kein Begründungsfehler an.

Die Tatsachenrüge (Z 5 a), in der die Rechtsmittelwerberin abermals alle schon unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO ins Treffen geführten Argumente weitwendig mit der Behauptung wiederholt, das Gericht habe jedenfalls "die Beweisergebnisse derart lückenhaft und unrichtig gewürdigt", daß sich erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit seiner Feststellungen ergeben (A 3.1-5 der BS), schlägt nicht durch.

Der Oberste Gerichtshof vermag nämlich nach Prüfung der gesamten Aktenlage diese Bedenken nicht zu teilen, zumal das Erstgericht in einer ausführlichen und kritischen Gesamtschau aller maßgebenden Zeugen- und Sachbeweise (einschließlich der Gutachten der gerichtlich beeideten Sachverständigen Univ.Prof.Dr.Werner L***** und Ing.Ferdinand W*****) sowie unter Verwertung des in der Hauptverhandlung persönlich gewonnenen Eindrucks gemäß den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) denkfolgerichtig und plausibel darlegt, aus welchen Gründen es die Angeklagte als Brandstifterin angesehen, (nur) des Vergehens des Versicherungsmißbrauchs für schuldig erachtet und ihre nunmehrige leugnende Verantwortung als widerlegt und unglaubwürdig verworfen hat.

Der Behauptung laut Punkt A 3.4 der Beschwerdeschrift, wonach "der Umstand, daß es dem [der] Angeklagten nicht gelang, den wahren Täter ausfindig zu machen, nicht Grund für einen Schuldspruch darstellen kann", ist zwar zuzustimmen; sollte sie aber inhaltlich als Vorwurf auf das Erstgericht gemünzt sein, muß sie als urteilsfremd, ungerechtfertigt und zudem als unqualifiziert zurückgewiesen werden.

Bei der gegebenen Beweislage waren die Erkenntnisrichter - der Beschwerde zuwider - aber auch nicht verpflichtet, "jedenfalls weitere Erhebungen, insbesondere in Form eines Sachverständigengutachtens aus dem Bereich der Psychiatrie sowie einer entsprechenden Befragung meiner Person anstellen [zu müssen]". Aus dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 24.Oktober 1995, dessen Berichtigung von keiner der Prozeßparteien beantragt wurde, geht nicht hervor, daß der Verteidiger in seinem Fragerecht beschnitten worden ist. Es wäre ihm daher nicht nur freigestanden, "entsprechend" weitere Fragen an die Angeklagte zu richten, sondern auch sein Recht gewesen, einen begründeten Antrag auf Einholung eines (weiteren) psychiatrischen Gutachtens zu stellen, nach dessen Abweisung durch den Gerichtshof ihm sodann die Ergreifung der Verfahrensrüge nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO offengestanden wäre. Dieses Versäumnis hinterher im Rahmen der Beweisrüge dem Erstgericht zuzurechnen, ist unter den gegebenen Umständen unzulässig.

Nur am Rande ist demnach darauf zu verweisen, daß der als Sachverständiger vernommene Universitätsprofessor Dr.L***** ua Sachverständiger für forensische Psychiatrie ist (315) und selbst in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht dargetan wird, weshalb die Voraussetzungen der §§ 118, 125 f StPO für die Beiziehung eines zweiten psychiatrischen Sachverständigen gegeben gewesen sein sollten.

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) einem aus dem Zusammenhang gerissenen Halbsatz der im Konnex zu sehenden Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (US 7 zweiter Absatz: "Friederike M***** handelte zur Tatzeit mit dem Vorsatz, sich oder einem anderen eine Versicherungsleistung zu verschaffen, ...) die Qualifikation einer Feststellung rundweg abspricht und sie eigenwillig als "rechtliche Beurteilung" umdeutet, sowie sich demgegenüber ausschließlich auf einen einzigen Satz der Entscheidungsgründe stützt (US 6 dritter Absatz: "in der Vorstellung, Gerhard Heinz M***** einen Wunsch zu erfüllen, entschloß sich schließlich Friederike M***** ... das Haus anzuzünden"), ferner - den im Urteil (US 2, 7, 26 f) unmißverständlich festgestellten direkten Vorsatz (§ 5 Abs 1 erster Halbsatz), der seinem Wesen nach die Wissens- aber auch die Willenskomponente einschließt, prozeßordnungswidrig übergehend - die fehlende Konstatierung in Richtung eines bedingten Vorsatzes (§ 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB) reklamiert und aus der (einen späteren vorsätzlichen Betrugsversuch betreffenden) Negativfeststellung (US 9 f) mit hypothetischer Schlußfolgerung auch die - eine frühere Phase betreffende - "Verneinung des Tatbestandes des § 151 Abs 1 StPO" (gemeint: StGB) zwingend ableitet (A 4.1 und 4.2 der BS), entbehrt sie zur Gänze einer gesetzmäßigen Darstellung. Die erfolgreiche Geltendmachung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes verlangt nämlich unabdingbar das Festhalten am (auch zur subjektiven Tatseite) festgestellten wesentlichen Sachverhalt und dessen Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz sowie den Nachweis, daß das Erstgericht bei Beurteilung eben dieses Tatsachensubstrates einem materiellrechtlichen Rechtsirrtum unterlegen sei.

Sonach war die Nichtigkeitsbeschwerde teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 und Z 2 iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Daraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufung das Oberlandesgericht Linz zuständig ist (§ 285 i StPO).

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