Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Karl Willibald H***** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er
in Klagenfurt als Beamter des fremdenpolizeilichen Referates der Bundespolizeidirektion Klagenfurt mit dem Vorsatz, den Staat "in" richtig: an) seinem Recht auf ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens zur Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltsbewilligungen für Ausländer oder Staatenlose in Österreich nach dem geltenden Fremden- und Aufenthaltsgesetz sowie auf Einhaltung der für die Bundespolizeidirektion geltenden Approbationsvorschriften zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, indem er ohne Durchführung eines entsprechenden Verfahrens und ohne entsprechende Approbationsbefugnis
1.) zwischen 10.März 1994 und 11.April 1994 in dem von der Bundespolizeidirektion Klagenfurt am 10.März 1988 ausgestellten österreichischen Fremdenpaß des Anton P*****, Nr Z-0019201, dessen Gültigkeit am 10.März 1994 abgelaufen war, bei dem darin am 11.Januar 1993 von der Bundespolizeidirektion Klagenfurt angebrachten und bis 10. März 1994 befristeten Wiedereinreisesichtvermerk Nr Fr-3001/92 beim Ablaufdatum den Monat "März" durchstrich, mit "Mai" überschrieb, daneben den undatierten Vermerk "amtlich berichtigt auf 10.Mai 1994" anbrachte und die Abtretung des Antrages auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung unter Anschluß einer Ablichtung des "amtlich berichtigten" Sichtvermerkes an das zur Entscheidung berufene Amt der Kärntner Landesregierung veranlaßte;
2.) zwischen 26.August 1994 und 26.September 1994 die Gültigkeitsdauer des am 26.August 1992 bis 26.August 1994 erteilten Wiedereinreisesichtvermerkes für Vinko M***** im Fremdenakt der Bundespolizeidirektion Klagenfurt sowie im kroatischen Reisepaß Nr 09250516 ohne Datumsangabe im Ablaufdatum auf 26.September 1994 "amtlich berichtigt" und Vinko M***** aufforderte, beim Amt der Kärntner Landesregierung als Aufenthaltsbehörde unter Vorlage des im Ablaufdatum abgeänderten Sichtvermerkes um eine gültige Aufenthaltsbewilligung einzukommen, wobei er im fremdenpolizeilichen Akt mit 5.Oktober 1994 in Form eines Amtsvermerkes festhielt, daß aufgrund des berichtigten Sichtvermerksdatums noch vor dessen Ablauf bei der Aufenthaltsbehörde ein Antrag um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt worden und daher von der fremdenpolizeilichen Abteilung nichts weiter zu veranlassen war;
3.) zwischen 27.September 1994 und 30.Oktober 1994 die Gültigkeitsdauer des von der Bundespolizeidirektion Klagenfurt am 27. September 1990 ausgestellten österreichischen Fremdenpasses Nr Z-0025658 der Christine N*****, dessen Gültigkeitsdauer am 27. September 1994 abgelaufen war, auf 11.Oktober 1999 verlängerte, den darin angebrachten, bis 27.September 1994 befristeten Wiedereinreisesichtvermerk Nr Fr-5393/92 im Ablaufdatum vom 27. September 1994 durch Anbringen des Vermerkes "amtlich berichtigt auf 27.November 1994" und Durchstreichen des ursprünglichen Ablaufdatums abänderte, sodann Christine N***** aufforderte, ehestens bei der Aufenthaltsbehörde vorzusprechen und um eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung einzukommen, wobei er korrespondierende Eintragungen im fremdenpolizeilichen Akt vornahm;
4.) zwischen 31.Oktober 1994 und 30.November 1994 in dem im slowenischen Reisepaß Nr AA-365443 des Emil W***** von der Bundespolizeidirektion Klagenfurt am 3.November 1992 angebrachten Wiedereinreisesichtvermerk Nr 5331/92, der bis 31.Oktober 1994 befristet war, das Ablaufdatum durchstrich, mit 30.November 1994 überschrieb, daneben den undatierten Vermerk "amtlich berichtigt auf 30. November 1994" anbrachte, korrespondierende Eintragungen im fremdenpolizeilichen Akt vornahm und die Stiefmutter des Emil W***** zur Antragstellung bei der Aufenthaltsbehörde um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für diesen anleitete;
5.) zwischen 31.Oktober 1994 und 30.November 1994 in dem im slowenischen Reisepaß Nr AA-898754 des Jabbar-Simon W***** von der Bundespolizeidirektion Klagenfurt am 3.November 1992 angebrachten Wiedereinreisesichtvermerk Nr 5330/92, der bis 31.Oktober 1994 befristet war, das Ablaufdatum durchstrich, mit 30.November 1994 überschrieb, daneben den undatierten Vermerk "amtlich berichtigt auf 30.11.1994" anbrachte, korrespondierende Eintragungen im fremdenpolizeilichen Akt vornahm und die Stiefmutter des Jabbar-Simon W***** zur Antragstellung bei der Aufenthaltsbehörde um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für diesen anleitete.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 9 lit b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der schon aus den beiden erstgenannten Gründen Berechtigung zukommt.
Die innere Tatseite des Verbrechens nach § 302 Abs 1 StGB erfordert Wissentlichkeit in bezug auf den Mißbrauch der Befugnis des Täters sowie Vorsatz, durch den Befugnismißbrauch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen (Leukauf/Steininger Komm3 § 302 RN 34).
Zutreffend zeigt die Nichtigkeitsbeschwerde (Z 9 lit a und 5) Feststellungs- und Begründungsmängel zur subjektiven Tatseite auf. Der Angeklagte hat stets einen Schädigungsvorsatz an Hoheitsrechten des Staates in Abrede gestellt, indem er ausführte, in den inkriminierten Fällen wären jeweils die Voraussetzungen für einen unbefristeten Sichtvermerk gemäß § 8 Z 1 und Z 5 FrG gegeben gewesen (S 17 bis 19; 85; 127); demnach hat er - nach seiner Verantwortung - eine Schädigung eines staatlichen Hoheitsrechtes insoweit nicht in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen. Indem das Schöffengericht sich mit dieser Verantwortung des Angeklagten nicht auseinandergesetzt und überdies in den Sachverhaltsfeststellungen nichts hinsichtlich des Vorsatzes des Angeklagten, den Staat an einem konkreten Hoheitsrecht zu schädigen, angeführt hat, haften dem Ersturteil Feststellungs- und Begründungsmängel in der Bedeutung der Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit a und 5 des § 281 Abs 1 StPO an, die eine Aufhebung des Schuldspruches unumgänglich machen, weil die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unvermeidbar ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst aber noch nicht ergehen kann. Daher war gemäß § 285 e StPO der zum Vorteil des Angeklagten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei der nichtöffentlichen Beratung Folge zu geben.
Der Vollständigkeit halber ist zum weiteren Beschwerdevorbringen des Angeklagten anzumerken, daß für die Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltsbewilligungen zum fraglichen Deliktszeitraum nicht mehr die Bundespolizeidirektion Klagenfurt, sondern der Landeshauptmann von Kärnten zuständig war (§ 6 Abs 4 AufG = BGBl 466/1992); dies bedeutet, daß die inkriminierte faktische Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nicht einmal abstrakt dem Aufgabenbereich des Angeklagten als Organ der Bundespolizeidirektion Klagenfurt zufiel. Sein Tatverhalten erschöpfte sich jedoch in den Fakten 2 bis 5 des Schuldspruches nicht nur in der fraglichen Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, sondern darüber hinaus auch in damit korrespondierenden Veranlassungen im fremdenpolizeilichen Referat. Da die übrigen Agenden der Fremdenpolizei weiterhin in die Zuständigkeit der Bundespolizeidirektion Klagenfurt fielen, hat sich das inkriminierte Verhalten des Angeklagten insgesamt betrachtet auch auf den amtsspezifischen Bereich seiner Dienstbehörde erstreckt. Der in Frage gestellten Annahme des in objektiver Sicht gegebenen Befugnismißbrauchs haftet sohin insoweit ein rechtlicher Fehler nicht an. Ob derartige Veranlassungen auch in Punkt 1 des Urteilssatzes erfolgt sind, wurde nicht festgestellt. Hinzuweisen ist überdies darauf, daß die "Berichtigungsvermerke" den Anschein erwecken sollten, sie seien von der Behörde schon in jener Zeit erlassen worden, in der ihre Zuständigkeit noch gegeben war.
Überdies wird das Gericht im erneuerten Verfahren festzustellen und zu begründen haben, ob beim Angeklagten allenfalls die Voraussetzungen für die Anwendung des § 10 StGB (entschuldigender Notstand) vorlagen (hiezu: Leukauf/Steininger Komm3 § 10 RN 2, 14, 18; Fuchs AT I S 209 Pkt.4; [Notstandshilfe]; Triffterer AT2 Rz 143; Kienapfel AT5 E 1 Rz 7).
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