OGH 11Os182/95(11Os183/95)

OGH11Os182/95(11Os183/95)13.2.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Februar 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Brunner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Helena H***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 11.Oktober 1995, GZ 1 a Vr 6310/95-22, sowie die Beschwerde der Angeklagten gegen den (Widerrufs-)Beschluß vom selben Tag, S 100 iVm ON 22, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Schroll, und des Verteidigers Dr.Reitschmied, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung und der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Helena H***** des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls nach §§ 127 und 15 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat sie in Wien mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung Nachgenannten fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert, und zwar

1.) am 3.Februar 1995 Berechtigten der Firma G***** eine Damenbluse im Wert von 690 S und einen Damenpullover im Wert von 299 S weggenommen,

2.) wegzunehmen versucht, nämlich

a) (zu ergänzen: am 3.Februar 1995, vgl US 5 iVm 21) Berechtigten der Firma B***** ein Trägerkleid im Wert von 798 S und

b) am 12.September 1995 Berechtigten der Firma B***** Waren im Wert von 4.600 S dadurch, daß sie diese Waren in ihrer Handtasche und drei Plastiktragetaschen versteckte und beim Passieren der Kassa verschwieg.

Dem maßgeblichen Urteilssachverhalt zufolge beging die vermögenslose Angeklagte, die seit vierzehn Jahren Drogen konsumiert und 4.300 S Sozialhilfe im Monat bezieht, die ihr zur Last gelegten Diebstähle (jeweils) ohne die Tendenz, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, sondern nur "gelegentlich und fallweise" unter Ausnützung ihrer Ansicht nach günstigen Situationen. Dabei folgten die Tatrichter der für glaubwürdig erachteten Verantwortung der Angeklagten, wonach sie (vor Begehung der Diebstähle) nicht überlegt bzw nachgedacht habe, die diebischen Angriffe vielmehr unüberlegte Handlungen gewesen seien (US 4, 8 bis 10 iVm 97 verso).

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die unterbliebene Annahme gewerbsmäßiger Begehung der Diebstähle nach § 130 erster Fall StGB gerichteten, auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 (sachlich nur Z 5) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Wien kommt keine Berechtigung zu.

Entgegen der Beschwerde war das Erstgericht nicht verhalten, Erörterungen über die ungeklärte Herkunft von zahlreichen weiteren Waren, die die Angeklagte bei ihren Tathandlungen am 3.Februar 1995 neben den in den Urteilspunkten 1. und 2. a bezeichneten Waren bei sich hatte, anzustellen. Hinsichtlich dieser Gegenstände war - wie schon die Zurücklegung der bezüglichen Anzeige gemäß § 90 Abs 1 StPO durch die Staatsanwaltschaft (1 des Antrags- und Verfügungsbogens) zeigt - ein sicherer Nachweis einer unredlichen Herkunft trotz Widerlegung der betreffenden seinerzeitigen Angaben der Beschwerdeführerin (22, 23) nicht möglich. Bloß bedenklicher Besitz einer größeren Warenmenge, deren unredliche Herkunft nicht feststellbar ist, kann aber keinen erörterungsbedürftigen Umstand für die Frage gewerbsmäßiger Begehung von Diebstählen durch deren Besitzer bieten.

Es ist aber auch der Ausspruch über entscheidende Tatsachen nicht mit sich selbst im Widerspruch, zumal bloß zur Tathandlung vom 12. September 1995 (2./b) ausgeführt wird, daß sich die Angeklagte der Tragweite ihrer Handlung bewußt war, hat doch das Erstgericht damit (US 8) lediglich zum Ausdruck gebracht, daß die Angeklagte trotz Enthemmung infolge Einnahme von Rohypnoltabletten und gleichzeitigem Bierkonsum nicht voll berauscht war. Dies schloß aber nicht aus, daß andererseits ihrer Verantwortung Glauben geschenkt wurde, es habe sich bei der Tat um "unüberlegte Handlungen" gehandelt (US 8 und 9).

Der Beschwerde zuwider hat sich das Erstgericht - wie bereits dargelegt - mit den Vermögens- und Einkommenverhältnissen sowie dem Drogenkonsum der Angeklagten ohnedies auseinandergesetzt, dessen ungeachtet aber gewerbsmäßige Tatbegehung (mit formell mängelfreier Begründung) für nicht erweisbar erachtet. Die dagegen erhobenen Beschwerdeinwände bekämpfen in Wahrheit die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im schöffen- und geschworenengerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung. Ein Begründungsmangel in der Bedeutung des § 281 Abs 1 Z 5 StPO wird damit nicht dargetan.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über die Angeklagte eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten. Bei der Strafbemessung wertete es die einschlägigen, rückfallsbegründenden Vorstrafen, die Tatwiederholung sowie den Umstand, daß die letzte Straftat während des anhängigen Strafverfahrens verübt wurde, als erschwerend, als mildernd hingegen das reumütige Geständnis, den Umstand, daß es teilweise beim Versuch blieb und die objektive Schadensgutmachung.

Auch die eine Erhöhung des Strafausmaßes anstrebende Berufung der Anklagebehörde ist unbegründet.

Abgesehen davon, daß die Behauptung, das Erstgericht habe den Erschwerungsgrund "der Begehung innerhalb der Probezeit nach einer bedingten Entlassung" angenommen, im Urteil keine Deckung findet, und nicht einsichtig ist, warum der Erschwerungsgrund der mehrfachen Tatbegehung (§ 33 Z 1 StGB) bei Nichtannahme der Qualifikation des § 130 StGB entfallen und der Milderungsumstand des reumütigen Geständnisses (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB) "weniger bedeutsam" sein sollte, "zumal sich die Angeklagte ursprünglich leugnend verantwortet hat", werden durch den Hinweis auf das (vom Erstgericht ohnehin berücksichtigte - US 4, 10) durch acht einschlägige und rückfallsbegründende Vorstrafen getrübte Vorleben der Angeklagten keine für eine Straferhöhung hinreichenden Grundlagen aufgezeigt. Die Tatbegehung während einer Probezeit ist bei der Gewichtung der persönlichen Schuld der Angeklagten zu berücksichtigen, stellt aber keinen eigenen Erschwerungsgrund dar (Leukauf/Steininger Komm3 § 33 RN 8). Nach Lage des Falles bestand daher für eine Erhöhung der Strafe kein Anlaß.

In Anbetracht des Vorlebens der Angeklagten und der von ihr während einer Probezeit nach bedingter Entlassung begangenen strafbaren Handlungen ist aber der Vollzug des Strafrestes zusätzlich geboten, um die Beschwerdeführerin von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten (§ 53 Abs 1 StGB).

Ihrer Beschwerde gegen den auf § 494 a Abs 1 Z 4 StPO gestützten Widerrufsbeschluß war somit gleichfalls der Erfolg zu versagen.

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