OGH 2Ob553/94

OGH2Ob553/948.2.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Michael N*****, vertreten durch Dr.Hans Gradischnig, Rechtsanwalt in Villach, wider die beklagte Partei G***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr.Helga Prokopp, Rechtsanwältin in Wien, wegen S 53.760 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 19.April 1994, GZ 45 R 170/94-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 5.Jänner 1994, GZ 25 C 1188/93f-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Parteien haben die Kosten ihrer Rechtsmittelschriften selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei die Rückzahlung dreier Spieleinsätze von je S 17.920. Er habe sich an einem von der beklagten Partei veranstalteten Gewinnspiel beteiligt. Bei Abschluß des Vertrages sei ihm ausdrücklich mitgeteilt worden, daß er den Einsatz zu zurückgezahlt erhalte, sobald er zwei weitere Spieler namhaft gemacht habe und seit der Einzahlung des Spielgeldes eine Frist von sechs Monaten vergangen sei. Der Kläger habe zwei weitere Mitspieler namhaft gemacht und fristgerecht die Bezahlung seines Einsatzes begehrt. Die beklagte Partei habe vorerst eine Rückzahlungsverpflichtung anerkannt, später jedoch mitgeteilt, daß eine Zahlung nicht erfolgen könne, weil am Rücklagenkonto kein Geld vorhanden sei. Derartige Rechtsgeschäfte seien sittenwidrig und daher nichtig (AS 23).

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage; der Kläger habe durch seine Unterschrift die Spielregeln für die Teilnahme am Spiel akzeptiert und bekräftigt. Eine Rückzahlung des Einstiegsgeldes sei nicht möglich, da das Rücklagenkonto derartiges nicht zulasse. Spieleinsätze seien nach den Bestimmungen des ABGB nicht rückforderbar.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es ging dabei von nachstehenden wesentlichen Feststellungen aus:

Der Kläger beteiligte sich an mehreren sogenannten "Computerspielen" der beklagten Partei. Er wußte, daß er mit einer deutschen Firma kontrahiere.

Er bezahlte an Spielkapital zuzüglich Bearbeitungsgebühr einen Betrag von S 17.920. Dem Kläger wurde erklärt, daß es sich um ein Pyramidenspiel handle, wobei man immer weiter aufrücke und daß er seinen Einsatz zumindest dann zurückerhalte, wenn er zwei weitere Mitspieler namhaft machen könne. Er warb als weitere Mitspieler seine Mutter und seine Lebensgefährtin. Von diesen beiden Personen übernam er je einen weiteren Betrag von S 17.920 und leitete diesen ebenfalls an die beklagte Partei weiter. Diese Beträge wurden vom Kläger an seine Mutter und an seine Lebensgefährtin zurückbezahlt.

Das Erstgericht verwies noch auf die dem Urteil angeschlossenen "Spielregeln" und erörterte rechtlich, daß es sich beim gegenständlichen Spiel um ein im Pyramidensystem aufgebautes Spiel nach dem Typ des sogenannten Pilotenspiels handle. Dieses funktioniere im wesentlichen nach einem Kettenbriefsystem, wobei die Gewinnauszahlungen an Spieler durch Spielgeldeinzahlungen späterer Mitglieder finanziert werden. Ein derartiges Spiel sei als sittenwidrig und damit nichtig gemäß § 879 ABGB zu werten. Der Kläger könne aufgrund der nichtigen Vereinbarung den gesamten von ihm der beklagten Partei übergebenen Betrag zurückfordern. Schließlich sei er auch hinsichtlich jener Beträge, die er für seine Mutter bzw Lebensgefährtin einbezahlt habe, aktiv legitimiert, weil er diesen Mitspielerinnen den von ihnen bezahlten Betrag zurückerstattet habe. Daran ändere sich auch dann nichts, wenn aufgrund des allgemeinen Schuldstatues gemäß § 36 IPRG deutsches Recht anzuwenden wäre, weil auch nach den deutschen Normen ein derartiges Spiel als nichtig zu werten sei und selbst gegenteilige Normen ausländischen Rechtes nach § 6 IPRG nicht durchschlagen könnten.

Das Berufungsgericht gab der dagegen von der beklagten Partei erhobenen Berufung nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte auch dessen Rechtsmeinung. Gemäß § 879 Abs 1 ABGB sei ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoße, nichtig. Sittenwidrigkeit sei Rechtswidrigkeit, wobei jene Rechtsnormen, die die guten Sitten ausmachten, im Gesetz nicht ausdrücklich ausgesprochen seien. Die guten Sitten würden mit dem ungeschriebenen Recht gleichgesetzt. Für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäftes sei das Gesamtbild entscheidend, das sich aus Inhalt, Zweck, Beweggrund und Begleitumständen ergebe (Krejci in Rummel ABGB2 Rz 49 zu § 879, EvBl 1980/117). Abgesehen von dem zutreffend als vage kritisierte Verweis auf das Rechtsgefühl der Rechtsgemeinschaft, "das sei aller billig und gerecht Denkenden" bzw deren "Anstandsgefühl" bzw dem gleichfalls nicht unbedenklichen Hinweis auf die allgemein anerkannten Normen der Moral (Krejci aaO Rz 52) seien zur Konkretisierung dessen, was als gute Sitten zu verstehen sei, vergleichbar der Konkretisierung der natürlichen Rechtsgrundsätze im Sinne des § 7 ABGB die obersten Rechtsgrundsätze heranzuziehen. Bei Prüfung der Sittenwidrigkeit habe eine Interessenabwägung stattzufinden, wobei Sittenwidrigkeit dann vorliege, wenn die Interessenabwägung eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen oder bei Interessenkollision ein grobes Mißverhältnis zwischen den durch die Handlung Verletzten und den durch sie geförderten Interessen ergebe. Es komme daher auf den rechtlichen Schutz der Interessen an. Diese seien nicht nach richterlichem Gutdünken zueinander in Beziehung zu setzen, vielmehr seien die aus der Rechtsordnung ablesbaren Wertungsgesichtspunkte heranzuziehen, die in mehr oder weniger verwandten, positiv geregelten Normenkomplexen zum Tragen kämen (Krejci aaO Rz 55). Auch Glücksverträge könnten als wucherisch oder sittenwidrig angefochten werden. Ein Glücksvertrag widerspreche den guten Sitten, wenn die Hoffnung des doch ungewissen Vorteiles nur ganz einseitig zugunsten eines Vertragsteiles gegeben sei. Bei der Beurteilung gestörter Äquivalenz der Leistungen sei allerdings das aleatorische Moment zu berücksichtigen, mit dem die Inäquivalenzen der Natur der Sache nach verbunden seien (Krejci aaO Rz 64 zu § 1267 ff; EvBl 1958/94). Sei ein Glücksvertrag unwirksam, so sei das auf seiner Grundlage gezahlte zurückzuzahlen. § 1174 Satz 1 ABGB greife nicht, weil in der Regel nicht gezahlt werde, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern um am Spiel teilzunehmen bzw den Gewinn zu bezahlen. Es widerspreche dem Zweck des Glückspielverbotes, die Erfüllung der Spielbedingungen zu belassen (Krejci aaO Rz 66).

Im vorliegenden Fall werde durch das System der Gewinnauszahlungen durch weitere Spielgeldeinzahlungen späterer Mitglieder die Hoffnung des ungewissen Vorteiles ganz einseitig zugunsten des Spielveranstalters bzw der allerersten Mitglieder verteilt, was ungeachtet des aleatorischen Elementes jeden Glücksspiels ein Sittenwidrigkeit begründendes grobes Mißverhältnis zwischen Einsatz und Gewinnchance bewirke. Der Kläger sei infolge Nichtigkeit des zwischen den Streitteilen geschlossenen Rechtsgeschäftes zur Rückforderung berechtigt.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil höchstgerichtliche Judikatur zur Frage, ob ein Pyramidenspiel infolge Sittenwidrigkeit nichtig sei, noch nicht vorhanden sei.

Die beklagte Partei bekämpft dieses Urteil mit Revision und beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist trotz des nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes jedenfalls unzulässig.

Auszugehen ist davon, daß sich der Kläger nach den Feststellungen des Erstgerichtes an dem von der beklagten Partei veranstalteten Spiel mit einem Spieleinsatz von S 17.920 beteiligte und von seiner Lebensgefährtin und seiner Mutter jeweils einen weiteren Betrag in dieser Höhe übernahm, an die beklagte Partei weiterleitete und diese Beträge in der Folge an seine Lebensgefährtin und an seine Mutter zurückerstattete. Dies bedeutet, daß sich daher drei verschiedene Personen an dem gegenständlichen Spiel beteiligten und daher grundsätzlich jeweils selbständig forderungsberechtigt sind. Die unbestritten gebliebene Feststellung, der Kläger habe die von seiner Lebensgefährtin und seiner Mutter übernommenen Beträge diesen zurückerstattet, kann im Zusammenhang mit dem unterbliebenen Einwand der mangelnden aktiven Klagslegitimation nur dahingehend verstanden werden, daß dem Kläger die seiner Mutter und seiner Lebensgefährtin zustehenden Forderungen zediert worden seien. Einer anderen rechtlichen Beurteilung kann dieser Sachverhalt nicht unterstellt werden.

Werden aber in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, und damit einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichtes, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; andernfalls sind sie getrennt zu behandeln (Kodek in Rechberger Rz 1 zu § 502 ZPO). Eine Zusammenrechnung mehrerer Forderungen ist dann zu verneinen, wenn die Ansprüche weder aus einer gemeinsamen Tatsache noch aus einem gemeinsamen Rechtsgrund abgeleitet werden (WBl 1992, 335 ua); so bei einzelnen abgetretenen Forderungen (Mayr in Rechberger Rz 2 zu § 55 JN mwN).

Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet dies, daß sowohl die Forderung des Klägers als auch die ihm zedierten Forderungen seiner Lebensgefährtin und seiner Mutter den Betrag von S 50.000 nicht erreichen.

Die Revision ist daher jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO, weil auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen wurde.

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