OGH 7Ob515/96

OGH7Ob515/9631.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schalich, Dr.Tittel, Dr.I.Huber und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Heinrich S*****, ***** vertreten durch Dr.Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Florian B*****, ***** vertreten durch Dr.Michael Ambrosch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung (Streitwert S 7.200,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 8.März 1995, GZ 40 R 102/95-24, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 1.Dezember 1994, GZ 5 C 2236/93m-19, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Revisionskosten bilden weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung

Der Kläger hat die Hausverwaltung T***** mit der Verwaltung seines Hauses in Wien ***** betraut. Zeika S***** (dessen Naheverhältnis zur Hausverwaltung T***** nicht festgestellt worden ist) bot dem Beklagten die Miete der Wohnung top Nr 29 in diesem Haus zunächst auf sechs Monate mit der Möglichkeit einer Verlängerung auf fünf Jahre gegen Bezahlung von S 90.000,-- an. Bei der Zahlung dieses Betrages (im Feber 1993) übergab S***** dem Beklagten eine Kopie eines in deutscher und serbokroatischer Sprache abgefaßten Mietvertrages, die - neben der firmenmäßigen Zeichnung durch die Hausverwaltung - von jemanden anderen (es wurde nicht festgestellt von wem) bereits mit dem Namen des Beklagten unterfertigt worden war. Dies störte den Beklagten nicht, weil er froh war, eine Wohnung zu haben. S***** erklärte dabei dem Beklagten, daß er in den ersten zwei Monaten keinen Mietzins, dann monatlich S 1.500,-- zu bezahlen habe. Bei einer Vorsprache des Beklagten im April 1993 bei der Hausverwaltung T***** wurde ihm über Vorhalt des Originalmietvertrages mitgeteilt, daß er sämtliche Mietzinse bereits bezahlt habe und der Mietvertrag auf sechs Monate befristet sei.

Der Kläger begehrt vom Beklagten unter Berufung auf den Zeitablauf des Mietvetrages die Räumung der gegenständlichen Wohnung. Zeika S***** sei niemals Mitarbeiter der Hausverwaltung T***** und auch niemals bevollmächtigt gewesen, für diese tätig zu werden. Dem Beklagten sei durch die Hausverwaltung T***** ein auf 6 Monate befristeter Mietvertrag ohne vorherige Absprache vorgelegt worden.

Der Beklagte wendete ein, daß ihm vom Mitarbeiter der Hausverwaltung des Klägers S***** gegen Bezahlung von S 90.000 ein auf fünf Jahre befristetes Mietvertragsverhältnis zugesagt worden sei. Die Hausverwaltung des Klägers habe vereinbarungswidrig im Sommer 1993 erklärt, daß kein neuer Mietvertrag abgeschlossen werde.

Das Erstgericht wies das Räumungsbegehren ab. Gemäß dem zu Beginn des Mietvertragsverhältnisses noch geltenden § 1 Abs 2 Z 3 MRG idF des zweiten WÄG fielen Mietverträge, die durch den Ablauf der Zeit ohne Kündigung erlöschen, soferne ihre Dauer ein halbes Jahr nicht übersteige, nicht in den Anwendungbereich des MRG. Eine schriftliche Vereinbarung für die Begründung solcher Mietverhältnisse sei daher nicht erforderlich gewesen. Die Beweislast für eine derartige Befristung treffe denjenigen, der diese Befristung behauptet habe. Die vom Kläger in diesem Sinne angebotene Beweisführung durch den vorgelegten Mietvertrag versage aber, weil nicht feststehe, daß dieser Mietvertrag vom Beklagten unterfertigt worden sei. Zeika S***** sei kein Angestellter der Hausverwaltung gewesen, habe ohne Auftrag und Vollmacht der Hausverwaltung gehandelt und sei somit nur "Bote", sohin eine Person gewesen, die weder dem Kläger noch dem Beklagten zuzurechnen sei. Die im Mietvertrag enthaltene Befristungserklärung entspreche nicht einer rechtsverbindlichen Willenserklärung des Beklagten.

Das Berufungsgericht gab dem Räumungsbegehren statt und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Für die Beurteilung, ob es zu der vom Kläger behaupteten Befristung des Mietvertrages gekommen sei, könne die schriftliche Mietvertragsurkunde nicht allein herangezogen werden, weil der Beklagte gar nicht in Abrede gestellt habe, daß ihm die Wohnung bloß auf die Dauer von sechs Monaten vermietet worden sei, was so auch in den Feststellungen seinen Niederschlag gefunden habe. Seiner Behauptung, daß ihm danach ein auf fünf Jahre befristeter neuer Mietvertrag versprochen worden wäre, stehe die widerspruchslose Hinnahme der im Mietvertrag enthaltenen Befristung entgegen. Dieses Verhalten könne unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände im Sinne des § 863 ABGB nur dahin verstanden werden, daß der Beklagte die angebotene Wohnung auch nur für die Dauer von sechs Monaten anmieten habe wollen. Abgesehen davon, daß das von S***** abgegebene Versprechen auf eine sechs Monate übersteigende Mietdauer dem Kläger nicht zugerechnet werden könne, behaupte der Beklagte auch gar nicht, daß ihm die Wohnung nach Ablauf der sechs Monate für weitere fünf Jahre überlassen worden sei; vielmehr spreche er selbst nur davon, daß nach sechs Monaten ein weiterer Mietvertrag abgeschlossen hätte werden sollen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung vom Beklagten erhobene außerordentliche Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, weil das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis auf Grund der getroffenen Feststellungen noch nicht abschließend beurteilt werden kann; sie ist auch berechtigt.

Die vom Revisionswerber gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

Berechtigt ist jedoch die Rechtsrüge. Beide Teile gehen vom rechtswirksamen Zustandekommen eines Bestandvertrages aus, strittig ist allein, ob ein solcher befristet vereinbart wurde oder nicht.

Für die Vereinbarung einer sechsmonatigen Befristung des Bestandverhältnisses ist der Bestandgeber beweispflichtig. Die vorliegenden Feststellungen lassen noch nicht den Schluß zu, daß der Beklagte durch die widerspruchslose Entgegennahme einer die sechsmonatige Befristung ausweisenden Mietvertragsurkunde, die von einem Unbekannten mit seinem Namenszug unterfertigt wurde, der sechsmonatigen Befristung zugestimmt hat. Der Erklärung des S*****, daß die Wohnung zunächst auf sechs Monate vermietet werde, steht die weitere Zusage gegenüber, daß nach Ablauf dieser Frist eine Verlängerung des Mietvertrages auf fünf Jahre möglich sei. Ein solches Versprechen würde einer wirksamen Befristung des Mietvertrages auf sechs Monate entgegenstehen, sollte es nicht von noch ungewissen Vorausssetzungen abhängig gemacht worden sein. Konnte der Beklagte aber auf Grund der ihm abgegebenen Erklärung davon ausgehen, daß die Befristung des schriftlichen Vertrages auf sechs Monate nur Formsache sei und es jedenfalls zu einer Verlängerung des Mietvertrages auf weitere fünf Jahre kommen werde, dann hätte die Klägerin aus der Entgegennahme des schriftlichen Vertrags allein nicht schließen dürfen, daß sich der Beklagte mi einer nur sechsmonatigen Vertragsdauer begnügt.

Auch die Rechtsansicht des Erstgerichtes, Zeika S***** sei nur Bote gewesen, findet in den Feststellungen keine Deckung, steht doch noch nicht fest, wie es zur Anbahnung und zu dem im Mietvertrag dokumentierten Entschluß der Hausverwaltung, die Wohnung dem ihr bisher völlig unbekannten Beklagten zu vermieten, gekommen ist. Die Verwendung eines Boten setzt voraus, daß der Vertragswille des Offerierenden was den Vertragsinhalt und die Person des Vertragspartners betrifft, bereits feststand. Völlig ungeklärt blieb in diesem Zusammenhang, in welcher Funktion S***** dem Beklagten das Mietvertragsoffert in welcher Form auch immer gemacht hat, wie er überhaupt in den Besitz einer von der Hausverwaltung des Klägers unterfertigten Mietvertragsurkunde sowie in den Besitz der Wohnungsschlüssel gekommen ist; durfte der Beklagte aus diesen Umständen mangels gegenteiliger Erklärungen oder sonstiger objektiver Anhaltspunkte annehmen, daß S***** von der Hausverwaltung zum Abschluß des Mietvertrages (samt Übergabe der Wohnungsschlüssel) entsendet worden war, dann hätte der Kläger den von ihm zu vertretenden Anschein einer Bevollmächtigung gesetzt. Da beide Teile von einem rechtswirksamen Zustandekommen des Mietvertrages ausgehen, reichen die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen zu einer abschließenden Beurteilung nicht aus.

Beim vorliegenden Feststellungsstand muß sich die klagende Partei vorwerfen lassen, daß sie unaufgeklärt ließ, wie sie zum Mietanbot des Beklagten bzw der Ausfüllung und Unterfertigung eines Mietvertragsformulares letzteres auch durch die Unterfertigung durch einen unbekannten Dritten kam und warum sie die Kopie dieser Urkunde samt den Wohnungsschlüsseln Zeika S***** oder einem Dritten überließ, der sie Zeika S***** auch aushändigte. Infolge der fehlenden Feststellungen über diese Umstände wurde dem Beklagten die Möglichkeit genommen, nachzuweisen, daß S***** im behaupteten Vollmachtsverhältnis zur klagenden Partei stand. Der äußere Tatbestand einer Vollmachtserteilung ist nämlich immer dann gegeben, wenn der Geschäftsherr bei Vertragsverhandlungen in seinem Namen abgegebene Erklärungen eines anderen widerspruchslos gelten läßt. Das ein solches Vertrauen auf den äußeren Tatbestand rechtfertigende Verhalten des Vollmachtsgebers kann auch in einem Unterlassen der Aufklärung bestehen, daß der als Bevollmächtigter Handelnde nicht befugt sei, den angeblichen Machtgeber zu verpflichten (vgl JBl 1986, 448 = SZ 58/208).

Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren, allenfalls nach Aufforderung an die klagende Partei ergänzende Beweise für ihre Behauptung, daß Zeika S***** in keinerlei Beziehung zu ihr gestanden sei, Feststellungen aus den von ihm für glaubwürdig erachteten Aussagen des Beklagten und seiner Gattin zu diesen Umständen zu treffen haben. Sollte das Erstgericht die Aussage des Beklagten und seiner Gattin zum Gegenstand seiner Feststellungen machen, so wäre davon auszugehen, daß Zeika S***** gegenüber dem Beklagten als Vertreter des Klägers erscheinen konnte, weil der Kläger ihm sowohl die Vertragsverhandlungen überließ, als auch einen unterfertigten Mietvertrag samt den Wohnungsschlüsseln mit der Ermächtigung ausgehändigt hat, dem Beklagten die Benützung der Wohnung einzuräumen (vgl JBl 1986, 448 = SZ 58/208). Sollte der Beklagte von dem mit Anscheinsvollmacht ausgestatteten Zeika S***** die Verlängerung des Mietvertrages ohne weitere Bedingungen als möglich zugesagt bekommen haben, dann wäre auf Grund der Unklarheitsregel des § 915 ABGB von einem unzulässigerweise auf fünf Jahre und sechs Monate befristeten Mietvertrag, sohin von einem Bestandverhältnis auf unbestimmte Zeit auszugehen.

Der Revision war daher Folge zu geben und die Entscheidung der Vorinstanzen aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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