OGH 13Os1/96(13Os2/96)

OGH13Os1/96(13Os2/96)31.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.Jänner 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Archan als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Jürgen H***** wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 31.Oktober 1995, GZ 10 Vr 659/95-25, und die Beschwerde (§§ 494 a Abs 4, 498 Abs 3 StPO) des Angeklagten nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Weiß, des Angeklagten Jürgen H***** und des Verteidigers Dr.Getreuer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und es werden das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt,

im Schuldspruch (1./) wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB sowie

im Strafausspruch und

der gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO ergangene Widerrufsbeschluß

aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jürgen H***** der Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (1.) und des Betruges nach § 146 StGB (2.) sowie der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (3./a.) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (3./b.) schuldig erkannt.

Danach hat er in Graz

1./ an einem nicht näher bekannten Tag im Zeitraum September 1994 bis Jänner 1995 Susanne W***** ein von ihm durch Einfügung eines Einzahlungsvermerkes auf einen Einlagenstand von 350.200 S verfälschtes Sparbuch zum Nachweis eines Vermögens vorgewiesen und damit eine verfälschte Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes (Forderung gegenüber einer Bank) und einer Tatsache (Vermögen von 350.200 S) gebraucht,

2./ am 14.Dezember 1994 und 17.Jänner 1995 mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verantwortliche einer Grazer Kohlen Vertriebsgesellschaft durch die Vorgabe, zahlungsfähig und -willig zu sein, am 17.Jänner 1995 auch unter Verwendung des Namens Jürgen W*****, also durch Täuschung über Tatsachen, zu Lieferungen von Koks verleitet, die die genannte Vertriebsgesellschaft mit zumindest 7.982,80 S am Vermögen schädigten,

3./ Susanne W*****

a) in der Nacht vom 22. zum 23.Februar 1995 außer dem Fall des § 201 Absd 1 StGB, indem er sie ohrfeigte, sich auf ihren Unterleib setzte, ihre Arme auf das Bett niederdrückte und ihre Beine mit seinen Knien auseinanderschob, mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes genötigt und

b) an nicht näher bekannten Tagen im Zeitraum von 23.Februar 1995 bis 2. März 1995 durch die wiederholte Drohung, er werde sie umbringen, wenn sie ihn verlasse, zur Aufrechterhaltung der Lebensgemeinschaft genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft das Urteil mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 5 a, 9 lit a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Zum Schuldspruch wegen Urkundenfälschung:

Das Erstgericht stellt fest, daß der Angeklagte der Susanne W***** ein verfälschtes Sparbuch zeigte, um ihr "zu imponieren und ihr vorzutäuschen, daß er über Vermögen verfüge". Diese Urteilsannahmen reichen nicht aus, um verläßlich beurteilen zu können, ob der Angeklagte die Urkunde entsprechend der Tatbestandsumschreibung des § 223 Abs 2 StGB "im Rechtsverkehr" gebrauchte, also wegen ihres Inhalts in rechtserheblicher Weise verwendete, wofür bloßes Renomieren nicht ausreichen würde (vgl EvBl 1981/107), wohl aber eine (versuchte) Einflußnahme zwecks rechtserhebliche Reaktion eines anderen (Leukauf-Steininger Komm3 § 223 RN 32 f) wie etwa wirtschaftlicher Dispositionen. Da das Schöffengericht ersichtlich wegen einer verfehlten Rechtsansicht die nach den Verfahrensergebnissen gebotene Klärung des einschlägigen Willensinhaltes des Angeklagten unterlassen hat, liegt ein Feststellungsmangel vor, der in der Nichtigkeitsbeschwerde jedenfalls im Ergebnis zutreffend geltend gemacht wird.

Dieser Teil des Schuldspruches war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde aufzuheben und im erforderlichen Umfang eine Verfahrenserneuerung anzuordnen, ohne daß es einer Befassung mit den weiteren dagegen vorgetragenen Einwänden bedurfte. Als Konsequenz dessen, waren aber auch der Strafausspruch und der Widerrufsbeschluß aufzuheben und der Angeklagte mit seinen dagegen erhobenen Rechtsmitteln auf diese Entscheidung zu verweisen.

Zum Schuldspruch wegen Betruges:

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) enthalten die erstgerichtlichen Aussprüche, wonach der Angeklagte die Kokslieferungen unter Irreführung über seine Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit veranlaßt hat und sein Vorsatz die Schädigung des Lieferanten sowie eine unrechtmäßige Bereicherung umfaßte (Urteil, S 8 und 14 f), durchaus die notwendigen Feststellungen zur subjektiven Tatseite. Die Beschwerdemeinung, es habe zum Anklagevorwurf des Betruges über die Befragung des Angeklagten hinaus kein wie immer geartetes Beweisverfahren stattgefunden, ist im Hinblick auf die auch dieses Geschehen betreffende Aussage der Zeugin W***** (S 41, 117) unrichtig, wobei die Haltlosigkeit des Beschwerdestandpunktes noch durch die Tatsache unterstrichen wird, daß der Verteidiger in der Hauptverhandlung auch zu diesem Anklagepunkt sein Fragerecht ausgeübt hat (S 121). Aus den für glaubhaft befundenen Angaben der genannten Zeugin, wonach der Angeklagte - ebenso wie bei den von ihm zugestandenen Vorspiegelungen von Mietzahlungen - fälschlich die Begleichung dieser Lieferungen behauptet hat, ergab sich für das Erstgericht eine tragfähige Grundlage zur Ableitung eines mangelnden Zahlungswillens und damit eines für sich allein als Täuschungsinhalt eines Betruges ausreichenden Umstandes. Demgemäß betrifft aber die Frage, ob der Angeklagte zusätzlich auch noch zahlungsunfähig war, keine entscheidende Tatsache mehr (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO).

Der Betrugsschaden trat mit der Übergabe der Ware durch den irregeführten Verkäufer ein, sodaß die später bewirkte Zurückholung der Ware nur den Charakter einer Schadensgutmachung haben konnte und den einschlägigen Reklamationen zuwider den Sachverhaltsannahmen über das Tatgeschehen in keiner Weise entgegenstand.

Die rechtlichen Einwände (Z 9 lit a, 9 lit b und 10) sind nicht der Prozeßordnung gemäß ausgeführt, weil das Gesetz eine deutliche und bestimmte Bezeichnung der Beschwerdegründe vorsieht (§§ 285 Abs 1, 285 a Z 2 StPO) und den Beschwerdeführer bei Geltendmachung materiellrechtlicher Nichtigkeitsgründe verpflichtet, den Ausspruch des Gerichtshofes ohne Beifügung oder Weglassung mit dem Gesetz zu vergleichen und anzugeben, weshalb seiner Ansicht nach das Gesetz verletzt worden sei. Mit der hier unternommenen Bestreitung von Urteilsfeststellungen und dem begründungslosen bloßen Verlangen nach Anwendung des § 42 StGB (siehe hiezu Mayerhofer-Rieder StPO3 § 285 a Nr 46 b bezüglich §§ 12 und 13 JGG) werden die umschriebenen Mindesterfordernisse einer gesetzmäßigen Rechtsrüge nicht erfüllt. Somit braucht nur noch am Rande angemerkt zu werden, daß eine Bezugnahme der Beschwerde auf "die unter einem zur Vorlage gelangenden Unterlagen" eine Mißachtung des im Nichtigkeitsverfahren herrschenden Neuerungsverbotes darstellt.

Zum Schuldspruch wegen Vergewaltigung

und schwerer Nötigung:

Den Urteilsgründen haften die ins Treffen geführten Mängel (Z 5) der Unvollständigkeit und Aktenwidrigkeit nicht an. Die Begründung ist auch keineswegs unzureichend.

Das Erstgericht hat die leugnende Verantwortung des Angeklagten nicht mit Stillschweigen übergangen, sondern ihr die Aussage der Zeugin W***** gegenübergestellt, wobei es deren Schilderungen für glaubwürdig erachtete. In den vom Beschwerdeführer dagegen vorgetragenen Einwänden kommt keine zur Darlegung einer Mängelrüge taugliche Kritik an der erstgerichtlichen Beweiswürdigung zum Ausdruck, die zudem noch unter Vernachlässigung der Aktenlage geübt wird. Es trifft nämlich nicht zu, daß der Sachverständige für gerichtliche Medizin Dr.R***** zum Ergebnis gelangte, der Angeklagte sei unter Zugrundelegung der von der Zeugin angegebenen Trinkmengen damals zufolge Alkoholisierung zu einigermaßen zielgerichteten Handlungen nicht mehr fähig gewesen. In Wahrheit erklärte der Sachverständige sinngemäß (S 125 ff), nach der angegebenen Trinkmenge könne ein Zustand voller Berauschung des Angeklagten nicht ausgeschlossen werden, jedoch sei damit die Tatschilderung der Zeugin nur schwer in Einklang zu bringen, weshalb die entscheidende Beweisfragenlösung letztlich nicht in die Fachkompetenz des Gerichtsmediziners falle. Eine weitere vom Akteninhalt nicht gedeckte Beschwerdeprämisse ist die Annahme, die Zeugin W***** habe erklärt, die tataktuellen Drohungen des Angeklagten nicht ernst genommen zu haben. Bei richtigem Verständnis betrafen die Schilderungen der Zeugin frühere Äußerungen des Angeklagten (S 41, 119).

Das Schöffengericht hat keineswegs außer acht gelassen, daß die Strafanzeige nicht unmittelbar nach der Tat erstattet wurde und eine ärztliche Untersuchung der Zeugin W***** unterblieben ist, sondern diese Umstände und die von der Zeugin hiezu abgegebenen Erklärungen in die Urteilserwägungen einbezogen und plausibel gewürdigt (Urteil, S 12 f). Mit dem urteilsfremden Vorwurf der Übergehung dieser Verfahrensergebnisse wird weder der in diesem Zusammenhang genannte Begründungsmangel der Aktenwidrigkeit, noch eine andere Fehlerhaftigkeit aufgezeigt. Eine Aktenwidrigkeit liegt überhaupt nur dann vor, wenn der Inhalt einer Urkunde oder einer gerichtlichen Aussage in den Entscheidungsgründen unrichtig zitiert wird. Konkrete Behauptungen in dieser Richtung sind den Beschwerdedarlegungen nicht zu entnehmen.

Auch die Tatsachenrüge (Z 5 a), welche die schon als Mängelrüge ins Treffen geführte Beweiswürdigungskritik wiederholt und ergänzt, ist nicht zielführend, weil sich unter Berücksichtigung der gesamten Aktenlage keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld des Angeklagten zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben.

Die Rechtsrügen (Z 9 lit a, 9 lit b und 10) gehen abermals insgesamt nicht vom Urteilssachverhalt aus und entbehren solcherart der prozeßordnungsmäßigen Ausführung. Bei den zum Teil auch in der Mängelrüge vorgetragenen Vorwürfen über Feststellungsmängel werden die in den Urteilsgründen enthaltenen Aussprüche über die Nötigung (Urteil, S 11 und 15) sowie die Vergewaltigung (Urteil, S 10 und 15) nicht zur Kenntnis genommen und daher eine Grundbedingung für die Geltendmachung materiellrechtlicher Nichtigkeitsgründe verfehlt.

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