Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch von Kosten der Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.
Text
Begründung
Die klagende Partei erzeugt an ihrem Firmensitz in R***** Fenster und Türen. Zum Verkauf ihrer Produkte setzte sie unter anderem als freien Mitarbeiter im Außendienst auf Provisionsbasis Karl-Heinz M***** ein, dem sie Bestellformulare zur Akquisition von Kunden aushändigte. M***** wurde von der klagenden Partei (allerdings zu Lasten seiner Provision) bei der Aushandlung der Preise ein gewisser Spielraum, aber keine Abschlußvollmacht und keine Inkassobefugnis eingeräumt. Weder auf den Bestellformularen noch in der Auftragsbestätigung wird auf diese Einschränkung der Vollmacht hingewiesen. Anläßlich des Hausbaues des Beklagten in I***** vermittelte Karl-Heinz M*****, der dessen alleinige Kontaktperson war, die Lieferung der Türen und Fenster durch die klagende Partei. Er kassierte vom Beklagten eine Anzahlung und in der Folge, nach Lieferung und Montage der Türen und Fenster, die in seiner Anwesenheit stattfanden, auch den restlichen Kaufpreis, den er nicht an die klagende Partei ablieferte. Dem Beklagten war die mangelnde Inkassovollmacht des Karl-Heinz M***** nicht bekannt. Nachdem dieser Selbstmord begangen hatte, forderte die Klägerin den Kaufpreis ein und machte ihn mit der vorliegenden Klage geltend.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, weil es sowohl eine Inkassovollmacht als auch eine Anscheinsvollmacht des freien Mitarbeiters der klagenden Partei für nicht gegeben erachtete.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Hinblick auf die Bestimmung des § 10 KSchG iVm §§ 54 und 55 HGB im Sinne einer Klageabweisung ab. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil es sich bei seiner rechtlichen Beurteilung nur auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes habe stützen können, so daß nicht von einer gesicherten Rechtsprechung ausgegangen werden könne.
Rechtliche Beurteilung
Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO liegen entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht vor.
Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 6 Ob 847/81 in einem nahezu gleichgelagerten Fall (dort hatte ein freier Mitarbeiter eines Unternehmens auf Provisionsbasis über einen Vertragsabschluß auf einem Formular des Unternehmers ohne Inkassovollmacht von einem Konsumenten eine Kaution kassiert und nicht abgeführt) erkannt, daß bei Vorhandensein zumindest eines Minimums an Vertretungsmacht der Umfang der Vollmacht durch § 10 Abs 1 KSchG bestimmt wird, sofern der Konsument die Beschränkung der Vollmacht nicht tatsächlich kennt und die Prüfung, ob die vom Vertreter in Überschreitung seiner Vollmacht gesetzten Rechtshandlungen im Sinne dieser Gesetzesbestimmung "derartige Geschäfte gewöhnlich mit sich bringen" nach § 1029 ABGB und §§ 54 f HGB vorzunehmen ist, wobei auf die objektive Erforderlichkeit abzustellen ist und nicht auf eine dahinter zurückbleibende Übung.
Diese Entscheidung wurde nicht nur in EvBl 1982/85 veröffentlicht, mehrfach zitiert und durch die Entscheidung 8 Ob 1564/95 ausdrücklich gebilligt, sie entspricht auch den klaren und unmißverständlichen Gesetzesmaterialien (744 BlgNR 14.GP, 30) und wird in der Lehre einheitlich vertreten (Welser in JBl 1979, 458; Fenyves VersRdSch 1979, 355; Schilcher in Krejci, HBzKSchG 434 f; Krejci in Rummel ABGB2 Rz 3 bis 14 zu § 10 KSchG).
Hat der Vertreter seine Vollmacht für den Unternehmer offengelegt, diese aber überschritten, so orientiert sich der Umfang der Vollmacht nach § 10 KSchG am typischen Gegenstand der eingeräumten Geschäftsbefugnis. Die dort genannten "Rechtshandlungen" umfassen die Abgabe und Entgegennahme von rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen, aber auch ebenso rechtsgeschäftsähnliche Handlungen, auch die Durchführung und Entgegennahme von entsprechenden Erfüllungshandlungen. Daß die Entgegennahme des Kaufpreises vom Kunden durch einen Bevollmächtigten, der zur Vornahme von Geschäften an Orten verwendet wird, an denen sich keine Niederlassung des Unternehmens befindet, zu den vom Bevollmächtigten gewöhnlich vorzunehmenden Tätigkeiten zählt, legt schon § 55 Abs 2 HGB nahe, der in den EB zu § 10 KSchG ausdrücklich angeführt wird.
Die Revision der klagenden Partei ist daher mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
Der beklagten Partei konnten Kosten für die Revisionsbeantwortung nicht zugesprochen werden, weil sie auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen und deren Zurückweisung auch nicht beantragt hat.
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