OGH 12Os168/95

OGH12Os168/9518.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Jänner 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Wietrzyk als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ingrid S***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten vom 27.Juni 1995, GZ 20 Vr 929/94-54, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Fabrizy, jedoch in Abwesenheit der Verurteilten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten vom 27.Juni 1995, GZ 20 Vr 929/94-54, verletzt das Gesetz

1. in der Bestimmung des § 260 Abs 1 Z 4 StPO durch die Unterlassung des Ausspruches, welchen der beiden Deliktsfälle des § 148 StGB es als gegeben erachtete und welchen Strafsatz es anwendete;

2. in der Bestimmung des § 148 erster Fall StGB, indem es den zweiten Strafsatz anwendete.

Dieses Urteil - das im übrigen unberührt bleibt - wird in der Beschränkung des die Gewerbsmäßigkeit betreffenden Qualifikationsausspruches auf "§ 148 StGB" sowie im Strafausspruch aufgehoben und dem Erstgericht die neue Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes St.Pölten vom 27.Juni 1995, GZ 20 Vr 929/94-54, wurde Ingrid S***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges "nach den §§ 146, 147 Abs 2, 148 StGB" schuldig erkannt.

Darnach hat sie in Melk und anderen Orten mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern und in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung von "Betrügereien" eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die diese am Vermögen schädigten, wobei der Schaden 25.000 S übersteigt, und zwar

A. vom 7.September 1990 bis zum 30.September 1994 durch die Behauptung, sie sei einkommenslos, obwohl sie ein monatliches Einkommen erzielte, das die Eigenanteilsgrenze überstieg, das Arbeitsamt Melk zur Zahlung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe von insgesamt 130.800 S,

B. unter Vorspiegelung ihrer Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit, wobei sie teils (I, IV und V) unter falschem Namen, teils (II und III) als Bevollmächtigte der Firma M***** auftrat

I. am 28.März 1994 die Firma S***** zur Lieferung eines Armsessels "Capri" sowie eines Schwebetürschranks "Basel" im Wert von 24.450 S,

II. Ende Juni 1994 die Konstantin I***** zur Durchführung von diversen Installationsarbeiten im Wert von 4.715,34 S,

III. im Mai 1994 Leopold R***** zur Lieferung diverser Raumausstattungsartikel im Wert von 2.575 S,

IV. am 11.März 1994 die H.Sch***** zur Lieferung einer RattanGarnitur im Wert von 4.990 S,

V. von 23.März 1992 bis 16.September 1993 in vierzehn Angriffen die Fa. U***** zur Lieferung diverser Gegenstände im Wert von 57.908 S, von denen sie Waren im Wert von 28.874,80 S behielt.

Sie wurde hiefür "gemäß § 148 StGB" zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend zeigt die Generalprokuratur in ihrer deshalb zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde auf, daß dieses Urteil mit dem Gesetz (§§ 148 erster Fall StGB, 260 Abs 1 Z 4 StPO) nicht im Einklang steht:

Der erste Strafsatz des § 148 StGB ist dann anzuwenden, wenn sich die gewerbsmäßige Absicht auf nicht weiter beschwerte Betrugstaten (§ 146) erstreckt, wogegen die Anwendbarkeit des zweiten Strafsatzes die Begehung eines schweren Betruges in der Absicht voraussetzt, sich durch dessen wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Der zweite Fall des § 148 StGB setzt somit voraus, daß sowohl der in der bezeichneten Absicht begangene als auch der beabsichtigte weitere Betrug jeweils für sich allein ein schwerer Betrug im Sinne des § 147 StGB ist; demnach genügt es nicht, daß schwerer Betrug nur infolge der Zusammenrechnung mehrerer an sich die Wertgrenze des § 147 Abs 2 StGB jeweils nicht übersteigender Schadensbeträge vorliegt (Leukauf-Steininger Komm3 § 148 RN 6-8 mwN). Ist die Absicht des Täters auf die wiederkehrende Begehung von in jedem Einzelfall für sich allein schweren Betrügereien gerichtet, so wird die strafbare Handlung als gewerbsmäßiger schwerer Betrug nach § 148 zweiter Fall StGB bezeichnet, wogegen die strafbare Handlung im Falle, daß sich die Absicht nur auf die wiederkehrende Begehung von Betrügereien richtet, die bloß durch Zusammenrechnung der Schadensbeträge (§ 29 StGB) einen schweren Betrug ergeben (§ 147 Abs 2 StGB), einen schweren gewerbsmäßigen Betrug nach § 148 erster Fall StGB darstellt (vgl Leukauf-Steininger Komm3 § 130 RN 15).

Im vorliegenden Fall hat das Gericht lediglich ausgesprochen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), daß die Angeklagte die Taten in der Absicht begangen hat, sich durch wiederkehrende Begehung von Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, jedoch keine Feststellung dahin getroffen, daß sie zumindest einen - für sich allein als schwer zu qualifizierenden - Betrug in gewerbsmäßiger Wiederholungsabsicht beging. Folgerichtig verurteilte es Ingrid S***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges. Entgegen der Vorschrift des § 260 Abs 1 Z 4 StPO sprach das Schöffengericht jedoch nicht aus, welche der beiden Qualifikationen des § 148 StGB es als gegeben erachtete und welchen Strafsatz dieser Bestimmung es der Strafbemessung zugrunde legte; lediglich aus den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) geht hervor, daß es den zweiten Strafsatz des § 148 StGB anwendete.

Während die Außerachtlassung der Vorschrift des § 260 Abs 1 Z 4 StPO eine Gesetzesverletzung darstellt, die nicht mit Nichtigkeit bedroht ist, bewirkt die Ausmessung der Strafe nach einem unrichtigen Strafsatz Nichtigkeit des Urteils nach der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO selbst dann, wenn die ausgemessene Strafe - wie vorliegend - innerhalb des Strafrahmens liegt, der richtigerweise dem Urteil zugrunde zu legen gewesen wäre. Denn entscheidend ist nicht die tatsächlich verhängte Strafhöhe, sondern der angewendete Strafsatz (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 11 ENr 28).

Die zum Nachteil der Angeklagten unterlaufenen Gesetzesverletzungen waren spruchgemäß zu kassieren und im aufgezeigten Umfang eine Erneuerung des gegen die Angeklagte gepflogenen Verfahrens anzuordnen (§ 292 letzter Satz StPO).

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