OGH 9ObA196/95

OGH9ObA196/9517.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Theodor Zeh und Walter Darmstädter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Marktgemeinde P*****, vertreten durch den Bürgermeister Herbert N*****, vertreten durch Dr.Leopold Boyer, Rechtsanwalt in Zistersdorf, wider die beklagte Partei Ilse W*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Harald Ofner ua., Rechtsanwälte in Wien, wegen S 89.323,84 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8.September 1995, GZ 8 Ra 79/95-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 17. Jänner 1995, GZ 17 Cga 30/94g-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.014,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte war seit 1.8.1979 als Gemeindesekretärin bei der Klägerin beschäftigt. Wegen betrügerischer Handlungen und Veruntreuungen wurde sie vom Landesgericht Korneuburg zu 11 E Vr 296/93, Hv 23/93, rechtskräftig verurteilt. Der der Klägerin zugefügte Schaden betrug S 262.938,17. An Schadensgutmachung leistete die Beklagte S 172.263,55. Das Arbeitsverhältnis endete durch fristlose Entlassung am 28.2.1993. Für geleistete Überstunden der Beklagten ist der außerstreitgestellte Betrag von S 17.250,78 offen. Es besteht darüber hinaus ein offener Urlaubsanspruch aus Vorjahren von insgesamt 542 Stunden, wofür sich eine Urlaubsentschädigung von S 74.865,55 errechnet. Die Gemeindebediensteten haben ihren Urlaub je nach Arbeitsanfall eingeteilt und konsumiert. Es war kein Thema, wenn der Urlaub während des Urlaubsjahres nicht konsumiert werden konnte, ihn in das neue Urlaubsjahr hinüberzunehmen. Es war auch klar, daß so ein Urlaub nicht verfalle. 1985 wurde die Gehaltsauszahlung auf Computer umgestellt und um eine Unterbrechung der Geldauszahlung zu vermeiden, veranlaßte die Klägerin an die Beklagte eine Akontozahlung von S 15.900,- in zwei Beträgen. Dieser Betrag wurde bis zum Ausscheiden der Klägerin nicht zurückgefordert.

Die Klägerin begehrt nach Klageausdehnung S 89.323,84, in dem sie von der Gesamtschadenssumme von S 262.938,17 die Schadensgutmachung von S 172.263,55 und die anerkannten Überstundenentgelte von S 17.250,78 abzieht und zusätzlich die geleistete Akontozahlung von S 15.900,-

rückfordert.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte dessen Abweisung, weil die Gesamtschadenssumme höchstens S 248.000,- betragen habe und ihr eine Gegenforderung an Urlaubsentschädigung für Resturlaube von S 74.865,55 und an Überstundenentgelt (nach Einschränkung) von S 17.250,78 zustehe.

Das Erstgericht stellte das Zurechtbestehen der Klageforderung mit S 73.423,84 und das Zurechtbestehen der Gegenforderung bis zur Höhe dieser festgestellten Klageforderung fest und wies das Klagebegehren ab.

Es vertrat die Rechtsansicht, daß ohne Rücksicht auf die Art der Lösung des Arbeitsverhältnisses nicht verbrauchte Urlaubsreste aus früheren Jahren zu entschädigen seien, sodaß die Gegenforderung für Urlaubsentschädigung in der Höhe von S 74.865,55 die zustehende Klageforderung übersteige. Die Akontozahlung könne nicht rückgefordert werden, weil sie verjährt sei.

Das Gericht der zweiten Instanz gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge und sprach aus, daß die Revision zulässig sei.

In rechtlicher Hinsicht ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte des § 34 NÖG-VBG 1976, daß der ohne wichtigen Grund austretende oder schuldhaft entlassene Vertragsbedienstete lediglich seine Urlaubsansprüche aus dem zum Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses laufenden Urlaubsjahr verliere, Resturlaubsansprüche aber zu entschädigen seien. Der Rückforderungsanspruch hinsichtlich des geleisteten Gehaltsvorschusses unterliege der Verjährungsfrist des § 1486 Z 5

ABGB.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Beklagte nach Feststellung daß die eingewendete Gegenforderung nicht zu Recht bestehe, zur Zahlung von S 89.323,84 s.A. verurteilt werden möge; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei stellt den Antrag, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Aussage des Berufungsgerichtes, daß die Klägerin den compensando eingewendeten Betrag von S 17.250,78 für Überstundenentgelte sich jedenfalls anzurechnen habe, hat keine Auswirkung auf die Feststellung der Höhe der Gegenforderung, weil die Klägerin diesen Betrag bereits in der Klage bei Berechnung der Klageforderung abzog und das Berufungsgericht ihn nicht neuerlich zugunsten der Beklagten berücksichtigte.

Da die Leistung der nicht irrtümlich erbrachten Akontozahlung von S 15.900,- im Jahr 1985 nur deshalb erfolgte, um eine Unterbrechung der Gehaltsauszahlung wegen der Umstellung der Gehaltsauszahlung auf EDV zu vermeiden, lag deren Zahlung das bestehende Vertragsverhältnis zugrunde und war die Akontozahlung nichts anderes als eine Vorauszahlung noch nicht fälligen Entgelts aber nicht eine Zahlung ohne Rechtsgrund in Erwartung einer künftigen aber dann weggefallenen Gegenleistung. Der Anspruch auf Rückzahlung unterlag daher der kurzen Verjährungszeit (Rummel in Rummel ABGB2 Rz 1435 mwN; Schubert in Rummel aaO Rz 11 zu § 1486 mwN).

Der Verlust der hier maßgeblichen Ansprüche auf Urlaubsentschädigung tritt nach § 34 NÖ-GVBG ein, wenn der Vertragsbedienstete ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt oder aus seinem Verschulden entlassen wird. Schon aus der ähnlichen Bestimmung des § 9 Abs 1 UrlG, leitet sich ab, daß dem Arbeitnehmer keine Urlaubsentschädigung gebührt, wenn das Arbeitsverhältnis durch unbegründeten Austritt oder durch berechtigte Entlassung aus Verschulden des Arbeitnehmers endet. Die zu § 9 UrlG entwickelte Lehre und Rechtsprechung kann daher auch im Falle des § 34 NÖ-GVBG herangezogen werden. Danach beziehen sich die pönalisierenden Elemente der Regelung des § 9 UrlG (bzw § 34 NÖ-GVBG) ausschließlich auf noch nicht verbrauchte Urlaubsansprüche des laufenden Jahres. Sie würden ohne sachlich gerechtfertigte Gründe verstärkt werden, wenn ein in früheren Jahren (allenfalls sogar in betrieblichen Interesse) nicht verbrauchter erworbener Urlaubsanspruch einbezogen würde (Kuderna, Urlaubsgesetz2, Rz 9 zu § 9; SZ 60/261). Nicht verbrauchte Urlaubsansprüche der Beklagten aus früheren Jahren sind daher, soweit sie noch nicht verjährt sind, voll zu entschädigen (Kuderna aaO Rz 22 zu § 9; Schwarz/Löschnigg Arbeitsrecht5, 463; Pfeil in ZAS 1991, 56; RdW 1994, 57). Die Verjährung ist nicht zu prüfen, weil zwischen den Streitteilen "die Hinübernahme von Urlaub, der nicht konsumiert werden konnte, ins neue Urlaubsjahr üblich und es daher klar gewesen ist, daß so ein Urlaub nicht verfalle". Diese sohin einvernehmliche ausdrückliche oder stillschweigende Übertragung des nicht verbrauchten Urlaubsanspruches auf folgende Urlaubsjahre steht aber der in § 31 NÖ-GVBG vorgesehenen Verjährung des Anspruches auf Erholungsurlaub entgegen (Schwarz/Löschnigg aaO 453; Kuderna aaO Rz 36 zu § 4).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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