OGH 4Ob506/96

OGH4Ob506/9616.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Graf, Dr.Griß und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Rechtssache der Kläger 1. Vitomila W*****, 2. Dr.Gerhard W*****, beide vertreten durch Dr.Helmut A. Kellner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei F***** GesellschaftmbH, ***** vertreten durch Dr.Martin Prunbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 24.Mai 1995, GZ 40 R 377/95-26, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 4.Jänner 1995, GZ 7 C 1732/92s-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Aufkündigung aufgehoben und das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, das Geschäftslokal top Nr. 1, 2 und 3 im Hause W*****A*****Straße 7 zu räumen und den Klägern geräumt zu übergeben, abgewiesen wird.

Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Beklagten die mit S 12.330,91 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin S 1.835,15 USt und S 1.320,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Kläger sind weiters zur ungeteilten Hand schuldig, der Beklagten die mit S 13.030,72 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 1.725,12 USt und S 2.680,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe

Die Kläger sind seit 1984 Eigentümer des Hauses W*****, A*****Straße

7. Mit Mietverträgen vom 5.7.1977 vermietete die Rechtsvorgängerin der Kläger der Rechtsvorgängerin der Beklagten die Geschäftsräume im Haus W*****, A*****Straße 7, Tür Nr. 3 "zum Betriebe eines Lagers".

Als die Kläger das Haus erwarben, teilte ihnen die Verkäuferin nur mit, "daß es das Lager gibt". Die Kläger erhielten von der Gebäudeverwaltung M***** die Mietverträge. Zu jener Zeit war das Lager geheizt; es waren "auch noch Leute anwesend". Zwei Jahre später wurden Schreibtische und Kästchen entfernt; in der Folge war das Lager nicht mehr ständig besetzt. In den Jahren danach wurde im gartenseitigen Teil des Lagers ein Boot eingestellt. Im Herbst wurden jeweils Gartenmöbel und Blumen eingelagert und im Frühjahr wieder entfernt. Ansonsten waren in den Lagerräumen alte Gebrauchs- und Einrichtungsgegenstände, Bretter, Kartons mit Weinflaschen und Sekt, Spielzeug aus einer Aktion der Beklagten, Zeitungen und Prospekte gelagert.

Die Beklagte hat noch andere Lager in Wien, in denen jedoch sowohl Gegenstände gelagert als auch Büroarbeiten durchgeführt werden. In den Jahren 1977 bis 1981 hat die Beklagte im klagsgegenständlichen Lager mehr als 1 Mio. Schilling investiert.

Die Kläger kündigten die Bestandräume der Beklagten gerichtlich auf. Sie beantragen, der Beklagten aufzutragen, das Geschäftslokal top Nr. 1, 2 und 3 im Hause W*****, A*****Straße 7 zu räumen und den Klägern geräumt zu übergeben.

Die aufgekündigten Räume seien der Beklagten für eine geschäftliche Nutzung als Lager vermietet worden. Seit einiger Zeit nutze die Beklagte die Räume nicht mehr geschäftlich. Sie habe daher kein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses.

Die Beklagte beantragt, die Aufkündigung aufzuheben.

Das Bestandobjekt sei unrichtig bezeichnet; die Beklagte sei passiv nicht legitimiert. Das Lager werde genutzt, auch wenn nicht ständig aus- und eingelagert werde. Gelagert seien verschiedene Gegenstände, die im Eigentum der Beklagten stünden.

Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung als rechtswirksam. Es verurteilte die Beklagte, das Geschäftslokal top Nr. 1, 2 und 3 im Hause W*****, A*****Straße 7 zu räumen und den Klägern geräumt zu übergeben.

Die Beklagte sei Rechtsnachfolgerin der F***** OHG und daher passiv legitimiert. Die Beklagte habe in den Bestandräumen einen Verteilerstützpunkt errichten wollen. Der Standort sei jedoch offenbar ungeeignet gewesen. Die Beklagte habe die Räume daher offensichtlich für ein "minderwertiges Lager" oder nur scheinbar für Lagerzwecke verwendet. Alle anderen Lager nutze die Beklagte sowohl als Lager als auch als Büro. Hätte die Beklagte von vornherein nur "altes Gerümpel" und Blumen lagern wollen, so hätte sie wohl nicht mehr als 1 Mio. Schilling investiert. Die Beklagte habe nicht bewiesen, daß sie die Bestandräume wieder für geschäftliche Zwecke nutzen werde.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellung des Erstgerichtes, "das Lager hat jedoch nicht dem entsprochen, wofür es die Beklagte gebraucht und gebaut hatte", mangels Relevanz nicht.

Die Beklagte habe die Bestandräume als "Geschäftsräume ... zum Betrieb eines Lagers" gemietet. Bei Abschluß des Mietvertrages sei nicht darüber gesprochen worden, was unter "Betrieb eines Lagers" zu verstehen sei. Nach der Übung des redlichen Verkehrs sei für eine geschäftliche Betätigung durch Betrieb eines Lagers ein regelmäßiges Holen und Bringen, ein Ein- und Auslagern von Waren im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit des Mieters notwendig. Werde das Lager nur mehr als Abstell- oder Rumpelkammer oder zur Einlagerung von Gegenständen verwendet, die mit der geschäftlichen Tätigkeit des Mieters in keinem Zusammenhang stehen, sei der Kündigungsgrund gegeben. Ein Abstellen von Gegenständen während der Wintermonate (Gartenmöbel, Blumen, Boot) reiche ebensowenig aus, die Kündigung zu verhindern, wie das Abstellen von Kartons mit Weinflaschen, die jahrelang im Lager stehen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Die Beklagte verweist darauf, daß in den aufgekündigten Lagerräumen (auch) Gegenstände gelagert sind, die der Ausübung ihres Gewerbes dienen. Gartenmöbel und Blumen seien für das Bürogebäude bestimmt; Sekt und Wein seien Werbe- und Weihnachtsgeschenke. Die Möbel dienten der Ausstattung der Büros und der Dienstwohnungen. Es sei, wenn auch in längeren Zeitabständen, regelmäßig ein- und ausgelagert worden.

Nach § 30 Abs 2 Z 7 MRG liegt ein wichtiger Grund zur Kündigung des Mietvertrages vor, wenn die vermieteten Räumlichkeiten nicht zu der im Vertrag bedungenen oder einer gleichwertigen Betätigung regelmäßig verwendet werden, es sei denn, daß der Mieter nur vorübergehend wegen Urlaubs, Krankheit oder Kuraufenthalts abwesend ist. Der Mieter hat die gemieteten Geschäftsräume grundsätzlich zu dem ausdrücklich oder stillschweigend bedungenen Vertragszweck zu verwenden; verwendet er sie zu einem anderen Zweck, so ist die Gleichwertigkeit zu prüfen. Als nicht gleichwertig hat die Rechtsprechung (zB) die Verwendung eines als Verkaufsraum gemieteten Gassenlokals als Lagerraum (ecolex 1994, 229) oder die Verwendung eines Geschäftsraumes als Rumpelkammer oder zur Lagerung von Gegenständen, die mit der geschäftlichen Betätigung des Mieters nichts zu tun haben (MietSlg 31.440), gewertet. Wurde der Mietgegenstand aber von Anfang an für periphere und nicht für zentrale Zwecke des Geschäftsbetriebes verwendet, dann schadet die Verwendung zu anderen peripheren Zwecken nicht (MietSlg 39.457/41 = RdW 1988, 87 mwN).

Die Verwahrung und Lagerung von Gegenständen, die für das geschäftliche Unternehmen erforderlich sind, ist eine regelmäßige geschäftliche Nutzung, solange das Einstellen der Gegenstände nicht zum bloßen Abstellen in einer Rumpelkammer wird (MietSlg 31.440; s

auch EvBl 1973/202 = MietSlg 25.351). Nach den Entscheidungen EvBl

1973/202 = MietSlg 25.351 und MietSlg 39.457/41 = RdW 1988, 87 setzt

regelmäßige geschäftliche Betätigung bei Lagerräumen das regelmäßige Holen und Bringen von Lagergegenständen voraus. In keiner der beiden Entscheidungen war diese Begründung tragend: Gegenstand der Entscheidung EvBl 1973/202 = MietSlg 25.351 war ein Geschäftslokal (= Verkaufslokal), in dem nur noch Papier gelagert war. Gegenstand der Entscheidung MietSlg 39.457/41 = RdW 1988, 87 war ein zum Betrieb eines Magazins und Büros vermietetes Objekt, in dem ursprünglich vor allem (täglich ein- und ausgelagertes) Obst und Gemüse und später nur noch alte Möbel sowie verschiedene Gegenstände wie Fahrräder, Autoreifen, Christbaumschmuck etc. gelagert waren.

In den klagsgegenständlichen Mietverträgen vom 5.7.1977 wurden "Geschäftsräume" "zum Betrieb eines Lagers" vermietet. Daß der Verwendungszweck darüber hinaus näher bestimmt worden wäre, wurde weder behauptet noch festgestellt. 1984, als die Kläger das Haus kauften, hat die Beklagte das Lager noch geheizt; es waren "auch noch Leute anwesend". Zwei Jahre später ließ die Beklagte Schreibtische und Kästchen aus dem Lager entfernen. In der Folge lagerte sie in den aufgekündigten Lagerräumen nur zum Teil Gegenstände, die mit ihrem laufenden Geschäftsbetrieb zu tun haben, zum größeren Teil befinden sich dort alte ausrangierte Sachen. Ein - in kurzen Zeitabständen erfolgendes - regelmäßiges Holen und Bringen von Lagergegenständen wurde nicht festgestellt.

Die Auffassung, daß - ein regelmäßiges Holen und Bringen von Lagergegenständen in kurzen Zeitabständen für zum Betrieb eines Lagers vermietete Geschäftsräume notwendig sei, ist damit unvereinbar, daß allein schon die Verwahrung und Lagerung von Gegenständen, die für das geschäftliche Unternehmen erforderlich sind, eine regelmäßige geschäftliche Nutzung ist, solange das Einstellen der Gegenstände nicht zum bloßen Abstellen in einer Rumpelkammer wird (MietSlg 31.440; s auch EvBl 1973/202 = MietSlg 25.351). Der Mieter kann auch durchaus ein schutzwürdiges Interesse daran haben, für die Geschäftstätigkeit notwendige Gegenstände über längere Zeiträume hinweg zu lagern. So sind (zB) Blumen und Gartenmöbel für das Bürogebäude Gegenstände, die mit der geschäftlichen Tätigkeit zusammenhängen; sie brauchen jeweils nur im Winter eingelagert werden. Geschenke für Kunden, wie Wein oder Sekt, werden nicht ständig, sondern nur zu bestimmten Anlässen gebraucht. Werden sie - aus welchen Gründen immer - in größeren Mengen gekauft, so müssen sie irgendwo gelagert werden. Das gleiche gilt für Möbel und Einrichtungsgegenstände, für die zwar derzeit kein, in Zukunft aber vielleicht wieder ein Bedarf besteht.

Ein Teil der in den aufgekündigten Lagerräumen gelagerten Gegenstände steht demnach mit dem Geschäftsbetrieb der Beklagten im Zusammenhang; die gemieteten Räume sind nur zum Teil, aber nicht zur Gänze eine Rumpelkammer. Das schließt den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 1 Z 7 MRG aus, war der Verwendungszweck der gemieteten Lagerräume doch in keiner Weise näher bestimmt worden. Erheblich nachteiliger Gebrauch wurde nicht geltend gemacht.

Der Revision war Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO.

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