OGH 6Nd513/95

OGH6Nd513/9511.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** S.r.l., ***** Italien, vertreten durch Dr.Dorda, Brugger & Jordis, Rechtsanwälte - Partnerschaft in Wien, wider die beklagte Partei Spiros K*****, Kaufmann, ***** Zypern, wegen DM 150.000 infolge Ordinantionsantrages der klagenden Partei gemäß § 28 JN in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Ordinantionsantrag wird stattgegeben und das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien für die Rechtssache als örtlich zuständiges Gericht bestimmt.

Text

Begründung

Die klagende Partei produziert als italienische Tochtergesellschaft eines der weltgrößen Verpackungshersteller Aluminiumdosen. Nach ihrem Vorbringen habe sie zu Zeiten des griechischen Embargos gegen Mazedonien Aluminiumdosen geliefert. Als offizieller Empfänger der Ware und als Zahlstelle sei die Z***** Ltd., eine Off-Shore Gesellschaft mit Sitz in Zypern eingeschaltet worden. Aus dem Geschäftsfall sei ein Guthaben der Z***** Ltd. von DM 18.775,296 (drei Dezimalstellen) verblieben, das auf deren Konto bei der Central-Wechsel und Creditbank Actiengesellschaft Wien (CWAG) überwiesen werden sollte. Durch einen Schreibfehler seien irrtümlich 18,775.296,- DM auf dieses Konto überwiesen worden.

Der Beklagte, ein mazedonischer Kaufmann, der eine Reihe von mazedonischen und zypriotischen Gesellschaften, darunter die Z***** Ltd. beherrsche und für diese zeichnungsberechtigt sei, sei derzeit unbekannten Aufenthaltes, frühere Adressen seien in Zypern und Mazedonien bekannt gewesen. Er habe Import- und Exportgeschäfte abgewickelt, die zumindest teilweise gegen die Embargobestimmungen der UNO gegen Serbien sowie Griechenlands gegen Mazedonien verstoßen hätten. Der Beklagte habe die Zustimmung zur Rücküberweisung des dem Konto der Z***** Ltd. in Wien irrtümlich gutgeschriebenen Betrages verweigert und einen Teil davon zur Finanzierung von Geschäften mehrerer in den Embargoländern gelegenen Firmen verwendet. Er habe nur einen Teilbetrag zurückbezahlt, die offene Restforderung der klagenden Partei betrage DM 7,320.261,59 samt Anhang.

Gegen den Beklagten sei wegen dieses Sachverhaltes beim Landesgericht für Strafsachen Wien zu 27 a Vr 13801/94 ein Strafverfahren wegen des Verbrechens der Unterschlagung nach § 134 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB anhängig, dem sich die klagende Partei als Privatbeteiligte angeschlossen habe.

Die klagende Partei habe gegen Z***** Ltd. und den Beklagten beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien am 3.11.1994 zu 40 C 1479/94m eine einstweilige Verfügung erwirkt, mit welcher insbesondere deren Kontoguthaben bei der CWAG zur Sicherung des Anspruches der klagenden Partei auf Zahlung von DM 7.320.261,59 gesperrt worden seien. Zur Rechtfertigung der einstweiligen Verfügung habe die klagende Partei mangels genauer Kenntnis des inländischen Vermögens der Z***** Ltd. vorerst einen Teilbetrag von DM 150.000, welcher etwa dem Restguthaben dieser Firma auf dem Konto der CWAG entsprochen habe, geltend gemacht.

Gegen den Beklagten sei bisher mangels Kenntnis seiner Vermögensverhältnisse - es bestünden nach Auskunft der CWAG Wien bei dieser zwar Privatkonten, mangels Kontoöffnung sei jedoch deren Guthabenstand bisher nicht bekannt - sowie wegen des unbekannten Aufenthaltsortes eine Rechtfertigungsklage noch nicht eingebracht, um die einstweilige Verfügung (vom Gericht bereits verlängerte Rechtfertigungsfrist) aufrechtzuerhalten, nunmehr aber dringend geboten.

Aus diesem Sachverhalt, insbesondere der Ortsbezogenheit des Streitgegenstandes und dem Ort des Schadenseintrittes sowie der strafbaren Handlung ergebe sich eine ausreichende Inlandsbeziehung zur Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit. Auch die Voraussetzung des § 28 Abs 1 Z 2 JN sei erfüllt, weil eine Rechtsverfolgung im Ausland mangels Kenntnis des Aufenthaltsortes des Beklagten nicht möglich, am allgemeinen Gerichtsstand in Zypern und Mazedonien aber unzumutbar wäre, weil ein Urteil dieser Länder, in welchen gegen einen Embargobrecher überdies kein objektives Verfahren zu erwarten sei, in Österreich nicht vollstreckt werden könnte. Die klagende Partei beantragte daher, gemäß § 28 JN das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als das für die Verhandlung und Entscheidung zuständige Gericht zu bestimmen.

Rechtliche Beurteilung

Dem Antrag ist stattzugeben.

Grundvoraussetzung für eine Ordination nach § 28 JN ist das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes besteht die inländische Gerichtsbarkeit in Zivilrechtssachen für alle Rechtssachen, die durch positiv - gesetzliche Anordnung, durch völkerrechtliche Regelungen oder zufolge eines durch die inländischen Verfahrensordnungen anerkannten Anknüpfungspunktes an das Inland vor die österreichischen Gerichte verwiesen sind (Indikationentheorie). Die inländische Gerichtsbarkeit setzt eine hinreichende Nahebeziehung zum Inland voraus; bei Fehlen einer hinreichenden Nahebeziehung ist die inländische Gerichtsbarkeit auch bei Vorliegen eines inländischen Gerichtsstandes zu verneinen. Besteht jedoch eine ausreichende Nahebeziehung, fehlt es aber an einem inländischen Gerichtsstand, dann hat der Oberste Gerichtshof, wenn die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre, ein sachlich zuständiges Gericht als örtlich zuständig zu bestimmen. Die Inlandsbeziehung kann entweder in einer Ortsgebundenheit der Parteien oder in einer Ortsbezogenheit des Streitgegenstandes gelegen sein (ZfRV 1995/26).

Im vorliegenden Fall fehlt ein inländischer Gerichtsstand. Trotz mehrfacher Ankündigungen hat Österreich das Luganoübereinkommen (LGVÜ) und dessen Nachfolger, das Brüsseler Übereinkommen (EuGVÜ), welche in Art 5 Z 3 eine Klagemöglichkeit vor dem Gericht des Ortes vorsehen, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, noch nicht unterzeichnet und ratefiziert. Dem gegenüber enthält die österreichische Jurisdiktionsnorm im § 92 a nur den Gerichtsstand der Schadenszufügung, der auf Streitigkeiten über den Ersatz des Schadens, der aus der Tötung oder Verletzung einer oder mehrerer Personen, aus der Freiheitsberaubung oder aus der Beschädigung einer körperlichen Sache entstanden ist, beschränkt und damit auf den hier behaupteten und bescheinigten Sachverhalt nicht anwendbar ist. Allerdings ist zu bedenken, daß die klagende Partei nicht nur gegen die Firma Z***** Ltd. sondern auch gegen den Beklagten, der nach Auskunft der CWAG Wien jedenfalls hier Konten, wenn auch mit (noch) unbekanntem Einlagestand unterhält, in Österreich zur Sicherung ihrer als bescheinigt angesehenen Ansprüche eine einstweilige Verfügung mit einer Auszahlungssperre erwirkt hat und insbesondere, daß gegen den Beklagten ein Strafverfahren eingeleitet wurde, dem sich die klagende Partei als Privatbeteiligte angeschlossen hat. Sollte es zur Durchführung eines Strafverfahrens und zu einer Verurteilung des Beklagten kommen, so wäre im Adhäsionsverfahren ungeachtet der Tatsache, daß ein inländischer Gerichtsstand in Zivilsachen nicht gegeben ist, ein der Rechtskraft fähiger und vollstreckbarer Zuspruch des Schadensbetrages an die klagende Partei grundsätzlich möglich. Bei dieser Sachlage ist daher wegen der Ortsbezogenheit des Streitgegenstandes von einer ausreichenden Inlandsbeziehung zur Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit auszugehen.

Auch die Voraussetzung des § 28 Abs 1 Z 2 JN ist gegeben: Eine Rechtsverfolgung im Ausland ist unter anderem dann als nicht möglich oder unzumutbar anzusehen, wenn die ausländische Entscheidung in Österreich nicht anerkannt und vollstreckt würde oder eine dringende Entscheidung im Ausland nicht rechtzeitig erreicht werden könnte (RdW 1989, 66; SZ 58/109 ua). Da weder mit Zypern noch mit Mazedonien, in welchen Ländern der Beklagte nach dem Vorbringen allenfalls seinen allgemeinen Gerichtsstand hätte, ein Vollstreckungsübereinkommen besteht, wäre selbst bei Vorliegen eines rechtskräftigen Urteiles aus einem dieser Länder eine Vollstreckung und damit eine Realisierung der durch die erwirkte einstweilige Verfügung vorläufig gesicherten Guthaben bei der CWAG Wien nicht möglich. Im Hinblick auf die im Sicherungsverfahren bestimmte Rechtfertigungsfrist zur Einbringung der Klage ist überdies davon auszugehen, daß die dringende Geltendmachung im Ausland nicht rechtzeitig sein könnte.

Dem Ordinantionsantrag war daher stattzugeben und das sachlich zuständige Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als das für den Rechtsstreit örtlich zuständige Gericht zu bestimmen.

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