Spruch:
Im Verfahren AZ 16 U 529/94 des Bezirksgerichtes Wels wurde das Gesetz verletzt
1. durch den Vorgang, daß das Bezirksgericht Wels seinen Beschluß vom 2. Juni 1995, GZ 16 U 529/94-18, vor der Aktenvorlage an das Landesgericht Wels zur Entscheidung über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen diesen Beschluß nicht dem Vertreter des Antragstellers Gerhard H***** zustellte, in den Bestimmungen der §§ 77, 79 Abs 2 und 481 StPO iVm § 179 Abs 1 GeO;
2. durch den Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 28.Juni 1995, AZ 24 Bl 95/95, in der Bestimmung des § 481 StPO.
Der Beschluß des Landesgerichtes Wels (GZ 16 U 529/94-22 des Bezirksgerichtes Wels) wird gemäß § 292 StPO aufgehoben, und es wird dem Bezirksgericht Wels aufgetragen, Gerhard H***** den Beschluß vom 2. Juni 1995 gemäß §§ 77, 79 Abs 2 StPO zuzustellen und in der Folge nach § 179 Abs 1 GeO vorzugehen.
Text
Gründe:
Mit dem rechtskräftigen Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 3.Mai 1995, GZ 16 U 529/94-11, wurde Gerhard H***** von dem wider ihn erhobenen Vorwurf des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Auf dessen - nur hinsichtlich des Barauslagenersatzes mit 225 S präzisierten - Antrag gemäß §§ 393 a, 447 StPO (ON 16) sprach ihm das Bezirksgericht Wels mit Beschluß vom 2.Juni 1995, GZ 16 U 529/94-18, einen Pauschalbeitrag zu den Kosten des (Wahl-)Verteidigers in der Höhe von 2.400 S sowie den beanspruchten Barauslagenersatz, sohin insgesamt 2.625 S zu.
Gegen diesen - nur der Staatsanwaltschaft Wels, nicht aber (iS der Zustellverfügung S 149) auch dem Antragsteller zugestellten (S 1 g) - Beschluß erhob die Staatsanwaltschaft am 7.Juni 1995 Beschwerde, in der sie sich gegen die Höhe des zugesprochenen Pauschalbeitrages wandte (ON 19). Der Antragsteller erhielt von diesen Vorgängen erst durch den (ihm zugestellten) Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 28. Juni 1995, AZ 24 Bl 95/95 (ON 22 iA), Kenntnis, mit dem der Beschwerde der Staatsanwaltschaft Wels Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahingehend geändert wurde, daß der Pauschalbeitrag mit (lediglich) 1.725 S bestimmt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Wie die vom Generalprokurator gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, verstoßen sowohl die Vorgangsweise des Bezirksgerichtes Wels als auch jene des Landesgerichtes Wels gegen das Gesetz.
Gemäß § 481 StPO steht den Beteiligten gegen alle der Berufung nicht unterliegenden Entscheidungen des Bezirksgerichtes das - binnen 14 Tagen zu ergreifende - Rechtsmittel der Beschwerde an den Gerichtshof erster Instanz zu. Zur Absicherung (ua) dieses Rechtes bestimmt einerseits § 77 Abs 1 StPO, daß gerichtliche Verfügungen (entweder durch mündliche Verkündung vor Gericht oder) durch Zustellung der Urschrift oder einer amtlich beglaubigten Abschrift bekannt zu machen sind, andrerseits legt § 79 Abs 2 StPO fest, daß alle Aktenstücke, von deren Behändigung für einen Beteiligten die Frist zur Ergreifung eines Rechtsmittels läuft, diesem selbst oder seinem bestellten Vertreter zugestellt werden müssen.
Dadurch, daß das Bezirksgericht Wels vor der Aktenvorlage an das Rechtsmittelgericht seinen Beschluß vom 2.Juni 1995 dem Wahlverteidiger nicht zustellte, obwohl dem Freigesprochenen, dem nicht der Höchstsatz des Pauschalbetrages zugesprochen worden war, das Rechtsmittel der Beschwerde zustand, verletzte es sowohl die erwähnten Vorschriften der Strafprozeßordnung als auch jene des § 179 Abs 1 GeO, wonach die Aktenvorlage an das Rechtsmittelgericht (erst) nach Einlangen sämtlicher Rechtsmittelschriften oder nach Ablauf der allen Beteiligten offenstehenden Rechtsmittelfristen zu erfolgen hat. Eine gesetzliche Verpflichtung, dem Antragsteller auch die gegen diesen Beschluß erhobene Beschwerde der Staatsanwaltschaft Wels zur Kenntnis zu bringen, traf das Gericht allerdings nicht; ist doch die Beschwerde - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - ein (lediglich) einseitiges Rechtsmittel, zu dem der Gegner keine Gelegenheit zu einer Gegenausführung erhält (Bertel, Grundriß4 Rz 1053).
Aber auch die Vorgangsweise des Landesgerichtes Wels verletzte das Gesetz, weil es als Rechtsmittelgericht seine - nicht weiter bekämpfbare (Foregger/Kodek StPO6 Erl II zu § 481) - Entscheidung vor Ablauf der - überhaupt erst mit der eigenhändigen Zustellung des erstinstanzlichen Beschlusses beginnenden - Rechtsmittelfrist eines Beteiligten gefällt und diesem sohin die ihm gemäß § 481 StPO zustehende Anfechtungsmöglichkeit genommen hat.
Die unterlaufenen Gesetzesverletzungen wirkten sich zum Nachteil des Antragstellers Gerhard H***** aus, weil ihm dadurch die (mangels Präzisierung seines Anspruches auf einen bestimmten Pauschalbeitrag und infolge dessen Bemessung unterhalb der Höchstgrenze des § 393 a Abs 1 Z 4 StPO bestehende) Möglichkeit genommen wurde, (gleichfalls) gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 2.Juni 1995 Beschwerde zu erheben.
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war sohin der Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 28.Juni 1995 aufzuheben und dem Bezirksgericht Wels aufzutragen, seinen Beschluß vom 2.Juni 1995 in Durchführung der betreffenden Zustellverfügung (auch) dem Antragsteller Gerhard H***** tatsächlich zuzustellen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)