OGH 6Ob504/96

OGH6Ob504/9611.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.F.M. Adamovic und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Melanie G*****, vertreten durch Dr.Erich Kaltenbrunner, Rechtsanwalt in Eferding, wider die beklagte Partei Engelbert B*****, vertreten durch Dr.Margit Kaufmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen 148.693,17 S sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 24. Mai 1995, GZ 40 R 378/95-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 9.Jänner 1995, GZ 7 C 1310/93-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur Verhandlung und Urteilsfällung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin mietete am 2.10.1991 vom Beklagten eine rund 72 m2 große Wohnung auf unbestimmte Zeit. Der Hauptmietzins betrug 7.239,-- S monatlich. Mit einer Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag verpflichtete sich die Klägerin zur Zahlung eines einmaligen, nicht rückzahlbaren Baukostenzuschusses von 195.000,-- S. Dieser Betrag wurde an den Beklagten ausgezahlt. Der Klägerin wurde für die Dauer von 20 Jahren ein Weitergaberecht sowie das Recht eingeräumt, den genannten Baukostenzuschuß vom Nachmieter zu verlangen. Ausdrücklich wurde vereinbart, daß eine Rückzahlung des Baukostenzuschusses durch den Vermieter nicht erfolge (Beil.B). Die Klägerin benützte die Wohnung nur ein Jahr lang und gab sie Mitte November 1992 an den Beklagten zurück.

Mit ihrer am 22.7.1993 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Klägerin 148.693,17 S. Bei diesem Betrag handle es sich um den erlegten Baukostenzuschuß zuzüglich von Zinsen und abzüglich eines Mietzinsrückstandes über 6 1/2 Monate in der Höhe von 47.053,50 S und abzüglich eines Betriebskostenpauschales von 10.000,-- S. Die Parteien seien anläßlich von Gesprächen über die Mietzinsrückstände übereingekommen, das Mietverhältnis zu beenden. Da der Beklagte bereits einen neuen Mieter zur Hand gehabt habe, hätte die Klägerin bis 14.11.1992 die Wohnung räumen sollen. Es sei Einigung erzielt worden, daß der Beklagte vom geleisteten Baukostenzuschuß samt Zinsen die offenen Mietzinse für die Monate Mai bis Mitte November 1992 und die offenen Betriebskosten abziehen könne und den Restbetrag an die Klägerin überweise. Auf das Mietverhältnis fänden die Bestimmungen des MRG Anwendung. Der Baukostenzuschuß sei mangels gleichwertiger Gegenleistung nach § 27 MRG verboten und müsse vom Beklagten nach Abs 3 leg cit zurückerstattet werden. Infolge einvernehmlicher Beendigung des Mietverhältnisses sei der Rechtsgrund weggefallen, daß der Beklagte den empfangenen Baukostenzuschuß behalte. Die Klägerin habe einen Rückforderungsanspruch nach § 1435 ABGB. Der im Mietvertrag aufscheinende Verzicht auf die Rückforderung sei ungültig. Dem Beklagten sei durch die Auflösung des Mietvertrages kein Schaden entstanden. An dieser Auflösung treffe die Klägerin kein Verschulden. Da ein Nachfolgemietvertrag abgeschlossen worden sei, habe der Beklagte keinen Schaden erlitten, er sei vielmehr im Vergleich zur Vertragsgestaltung mit der Klägerin bessergestellt, weil er einen weiteren Baukostenzuschuß in der Höhe von 240.000,-- S lukriert habe, also um 45.000,-- S mehr als von der Klägerin als Baukostenzuschuß geleistet worden sei. Mit dem Beklagten sei vereinbart worden, daß dieser den Baukostenzuschuß bei Beendigung des Mietverhältnisses wieder zurückstelle.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er brachte im wesentlichen vor, es vereinbart worden, daß der Baukostenzuschuß von S 195.000,-- nicht rückzahlbar sei. Als Gegenleistung habe der Beklagte der Klägerin ein uneingeschränktes Weitergaberecht für die Dauer von 20 Jahren eingeräumt. Bei dem Haus, in dem sich die Wohnung befinde, handle es sich um einen Neubau. Der Beklagte habe im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht der Klägerin ein Mietanbot eines Mietinteressenten vorgelegt, welches eine geringere Miete, sonst aber die gleichen Bedingungen wie das zwischen der Klägerin und ihm abgeschlossene Mietverhältnis enthalten habe. Die Klägerin habe von ihrem Weitergaberecht keinen Gebrauch gemacht und das Mietobjekt am 15.11.1992 geräumt übergeben. Vom Nachmieter erhalte der Beklagte einen um S 1.399,-- geringeren Monatsmietzins gegenüber dem mit der Klägerin vereinbarten. Daraus errechne sich ein Mietentgang von S 318.972,--, der als Gegenforderung bis zur Höhe der Klageforderung eingewendet werde. Als weitere Gegenforderung werde ein Mietzinsrückstand über neun Monate a S 7.239,-- eingewendet (S 2 in ON 12; Modifizierung der Gegenforderungen S 21 in ON 13 und S 2 in ON 16).

Wenn es sich beim Baukostenzuschuß um eine verbotene Ablöse handle, sei hiefür der streitige Rechtsweg nicht zulässig (S 1 in ON 13).

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf zu dem schon wiedergegebenen Sachverhalt noch Feststellungen über die nach Auflösung des Mietverhältnisses zwischen den Rechtsvertretern der Parteien durchgeführte Korrespondenz und beurteilte den Sachverhalt rechtlich im wesentlichen dahin, daß ein aus einem konkreten Vertrag abgeleiteter Anspruch der Klägerin auf Rückerstattung des Baukostenzuschusses nicht bestehe. Sie könne ihren Anspruch nur auf § 27 Abs 3 MRG stützen. Beim Baukostenzuschuß handle es sich offensichtlich um eine unzulässige Ablöse, der keine gleichwertige Gegenleistung gegenüberstehe. Auch das befristete Weitergaberecht sei keine derartige Gegenleistung. Entscheidungen über die Rückzahlung verbotener Leistungen und Entgelte gehörten aber in das außerstreitige Verfahren. Nach Lehre und Rechtsprechung schließe ein Rückforderungsanspruch nach § 27 Abs 3 MRG andere Bereicherungsansprüche, insbesondere solche nach §§ 1431, 1435 ABGB aus.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht statt. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen und beurteilte diese rechtlich dahin, daß danach von keiner Rückzahlungsvereinbarung ausgegangen werden könne. Hinsichtlich des Baukostenzuschusses handle es sich um eine unzulässige Vereinbarung im Sinne des § 27 Abs 1 Z 1 MRG. Einer Leistungskondiktion nach § 1435 ABGB stehe der Umstand entgegen, daß bei einer verbotenen Ablöse ein Rechtsgrund, die Leistung zu behalten, nie vorhanden gewesen sei und daher auch nicht nach § 1435 ABGB wegfallen könne. Wenn sich der Mieter auf die Unzulässigkeit einer Vereinbarung im Sinne des § 27 Abs 1 Z 1 MRG berufe, stehe ihm die Rückforderung nach § 1435 ABGB nicht offen. Die behauptete Rückzahlungsvereinbarung habe die Klägerin nicht unter Beweis stellen können.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Mit ihrer außerordentlichen Revision beantragt die Klägerin die Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen dahin, daß der Klage stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

In der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte, der Revision nicht stattzugeben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Wenn mangels gleichwertiger Gegenleistung eine unzulässige Ablöse nach § 27 Abs 1 Z 1 MRG vorliegt, kann das Geleistete samt gesetzlichen Zinsen nach Abs 3 dieser Gesetzesstelle idF des 2.WÄG BGBl 1991/68 zurückgefordert werden. Auf diesen Rückforderungsanspruch, der in drei Jahren verjährt, kann im voraus nicht rechtswirksam verzichtet werden. Über die Rückzahlung derartiger verbotener Leistungen ist im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden (§ 37 Abs 1 Z 14 MRG). Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin kann eine unzulässige Ablöse nur nach der zitierten Bestimmung des MRG zurückgefordert werden. Nach der Absicht des Gesetzgebers (arg: Verlängerung der Verjährungsfrist auf drei Jahre) ist der Rückforderungsanspruch nach § 27 Abs 3 MRG ein spezieller Bereicherungsanspruch, der andere Bereicherungsansprüche nach dem allgemeinen bürgerlichen Recht, insbesondere nach § 1431 ABGB ausschließt (SZ 62/52 = WoBl 1989/80 = MietSlg XLI/13), also auch eine Leistungskondition nach § 1435 ABGB. Diese Bestimmung ist, weil § 27 Abs 3 MRG als lex specialis aufzufassen ist, grundsätzlich nicht anwendbar. Diese rechtliche Beurteilung setzt allerdings voraus, daß ein Mietverhältnis vorliegt, auf das sämtliche Bestimmungen des MRG, also auch diejenige über unzulässige Ablösen, anzuwenden sind. Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen (ohne dazu konkrete Feststellungen zu treffen), obwohl in der Zusatzvereinbarung vom 2.10.1991 (auf die sich beide Parteien berufen) unter P.1. ausdrücklich festgehalten wurde, daß das Gebäude aufgrund einer Baubewilligung vom 7.8.1990 ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel neu errichtet worden sei (Beil.B). Bei Richtigkeit dieses Sachverhalts wäre der tragenden Begründung des Berufungsgerichtes mangels Anwendbarkeit des § 27 MRG der Boden entzogen. Diese Bestimmung ist nämlich auf Mietgegenstände, die in Gebäuden gelegen sind, die ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel aufgrund einer nach dem 30.Juni 1953 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden sind, nicht anzuwenden (§ 1 Abs 4 Z 1 MRG).

Die Klägerin hat den Klageanspruch nicht ausschließlich auf den Umstand einer unzulässigen Ablöse und den Titel eines Bereicherungsanspruchs gestützt. Der rechtlichen Beurteilung ist das gesamte Klagevorbringen zu unterwerfen, also auch die Behauptung über eine einvernehmliche Auflösung des Bestandverhältnisses, welcher umso mehr Bedeutung zukommen würde, als auf eine Rückforderung des Baukostenzuschusses gegenüber dem Vermieter zwar verzichtet, eine Überwälzungsmöglichkeit dieser Rückforderung auf den Nachmieter aber ausdrücklich vereinbart wurde. Eine sich am Vertragszweck orientierende Auslegung (§ 914 ABGB) dieser Vertragsbestimmung ergibt zunächst nur, daß der Vermieter durch eine Auflösung des Mietverhältnisses in bezug auf den Baukostenzuschuß nicht schlechter gestellt werden darf als bei Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses, er also sicher nicht zur Zurückzahlung des Baukostenzuschusses verhalten werden darf, wenn er vom Nachmieter keinen Baukostenzuschuß erhält. Ob der vereinbarte Rückforderungsverzicht nach der übereinstimmenden Parteienabsicht allerdings auch für den Fall gelten sollte, daß der Nachmieter zwar nicht der Vormieterin, aber dem Vermieter (diesem also neuerlich) einen Baukostenzuschuß zahlt, kann nur nach entsprechenden Feststellungen über die Vorstellungen und Absichten beider Parteien beurteilt werden. Im Falle fehlender Vorstellungen der Parteien über diesen künftigen, hier tatsächlich eingetretenen Sachverhalt wäre der Vertrag nach dem hypothetischen Parteiwillen unter Zugrundelegung redlicher Verkehrsanschauungen auszulegen. Unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen und des von den Parteien verfolgten Zwecks wäre danach zu fragen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten (SZ 57/71), hier also für den nicht vorbedachten Fall, daß der Vermieter sich vom Nachmieter den Baukostenzuschuß (neuerlich) auszahlen läßt und solcherart der Vormieterin die Möglichkeit genommen wird, sich die von ihr geleistete Zahlung vom Nachmieter ablösen zu lassen.

Die Urteile der Vorinstanzen sind daher mangels Spruchreife aufzuheben. Das Erstgericht wird mit den Parteien die aufgezeigten Rechtsfragen zu § 1 Abs 4 Z 1 MRG und zur Auslegung der Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag zu erörtern und entsprechende Feststellungen ua zur (allenfalls auch nur hypothetischen) Parteienabsicht zu treffen haben. Es werden auch Feststellungen zu den von der Klägerin behaupteten Modalitäten bei der Mietvertragsauflösung zu treffen sein, insbesondere auch über den Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages mit dem Nachmieter und des von diesem bezahlten Baukostenzuschusses in der außer Streit gestellten Höhe von 240.000,-- S. Sollte nach Verfahrensergänzung dem Grunde nach ein vertraglicher Anspruch der Klägerin auf Rückerstattung (eines abgewerteten Teils) des Baukostenzuschusses bejaht werden können, werden auch konkrete Feststellungen zu den die Gegenforderungen des Beklagten zu treffenden Themen (insbesondere über die Mietzinsrückstände) zu treffen sein.

Der Vorbehalt der Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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