OGH 6Ob600/95

OGH6Ob600/9511.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.F.M.Adamovic und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Konrad S***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Georg Hahmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Herbert Michael P*****, Geschäftsführer, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Blaschitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert S 100.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 3.Mai 1995, GZ 17 R 77/95-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 5.Jänner 1995, GZ 22 Cg 92/93t-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei betreibt unter der Marke "B*****" eine Wirtschaftsdatenbank, die dem Informationsaustausch und der Vermittlung von Gegengeschäften zwischen den Teilnehmern (Barter) dient. Der Beklagte ist Geschäftsführer der W***** GesmbH, die ein Gastgewerbe betreibt. Diese Gesellschaft war bis 26.5.1992 Teilnehmerin der "B*****". Seit der Beendigung der Geschäftsbeziehung sind zwischen den Streitteilen eine Reihe von Verfahren anhängig.

Die klagende Partei ist alleinige Eigentümerin des Faxgerätes mit der Faxnummer ***** an ihrem Geschäftssitz. Über das Faxgerät wurden bis 27.11.1992 zwischen den Streitteilen mehrere Nachrichten ausgetauscht. Am 27.11.1992 schickte der Beklagte über das gegenständliche Faxgerät an Dr.Konrad S*****, den Geschäftsführer der klagenden Partei, nachstehendes Telefax:

"Lieber Konrad!

Ich finde es äußerst gemein und verlogen, den armen Exmitarbeiter W***** den Streit zu verkünden. Jeder Bordellbesitzer läßt sich auch von seinen Nutten unterschreiben, daß in Separees nicht gefickt wird. Es müßten dann ca. 50 Geschädigte sich getäuscht haben, von Oscard Keilern angelogen und getäuscht worden zu sein. Es hilft auch nicht mehr viel, wenn H***** vor Gericht für Euch die Drecksarbeit verrichtet. Die Uhr, die er trägt, ist für seine Größe etwas zu protzig.

Dein Oscard und Barterfachmann

Michael".

Mit Schreiben vom 23.12.1992 untersagte der Geschäftsführer der klagenden Partei dem Beklagten weitere Zusendungen über deren Faxgerät.

Am 25.1.1993 übermittelte der Beklagte dem Geschäftsführer der Klägerin nachstehendes Fax:

"Lieber Konrad!

Da ich leider von Euch nach bewährtem Muster betrogen wurde und ich mein Geld retour haben wollte, wurde ich wegen Erpressung von Euch angezeigt.

Irgendwie ist es belustigend, daß es wirklich die Möglichkeit gibt, daß der Betrüger den Betrogenen anzeigt (durch das jahrelang erfolgreiche Betrügen hast Du jedes Gefühl der Realität verloren und glaubst, mit einigen sogenannten Keilern und Anwälten, an die man am besten nicht anstreift, ein großer Geschäftsmann zu sein).

Als ich mir erlaubte, um andere vor Schaden zu bewahren, den Betrug zu veröffentlichen, wurde ich als Verleumder angezeigt.

Die Kripo Döbling machte sich aber sehr rasch ein Bild von den feinen Praktiken eines Konrad & Co. Beide Anzeigen wurden von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Ich weiß nicht, welches Geisteskind hinter diesen Anzeigen steht, aber in Zukunft bitte keine Belästigungen dieser Art mehr. Weiters sind auch diese vielen sinnlosen Ehrenbeleidigungsklagen zu unterlassen (Fantasiestreitwert a la H***** - 1/2 Mill. - Geldgier, Profilierungssucht, Einschüchterungsversuche, etc.)".

Die klagende Partei begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, Faxzusendungen an die klagende Partei zu unterlassen, wenn diese ihm dies ausdrücklich untersagt habe. Sie brachte vor, der Beklagte habe ohne Anlaß und offenbar um ihren Geschäftsführer bei den Mitarbeitern zu kompromittieren, in schriftlichen Mitteilungen begonnen, den Geschäftsführer zu duzen, obwohl dieser keinerlei privaten Kontakt mit dem Beklagten gehabt oder gewünscht habe. Der Beklagte habe am 27.11.1992 der klagenden Partei ein Fax gesandt, das diverse ehrenbeleidigende Passagen enthalten habe und im übrigen in einem ordinären, anstößigen Ton gehalten gewesen sei. Da der Faxanschluß der klagenden Partei ausschließlich für geschäftliche Mitteilungen sinnvollen Inhaltes zur Verfügung stehe, habe sie mit Schreiben vom 23.12.1992 dem Beklagten unter Hinweis auf den schädigenden und geschäftsstörenden Charakter seiner Zusendungen jede weitere Faxübermittlung untersagt. Dessenungeachtet habe der Beklagte am 25.1.1993 der klagenden Partei gegen ihren Willen und in Schädigungsabsicht neuerlich ein mehrseitiges Fax gesandt. Die klagende Partei sei dadurch nicht nur belästigt, sondern auch geschädigt, weil das Faxgerät unnötig blockiert und sinnlos Papier und Tinte verschwendet werde.

Der Beklagte wandte ein, die W***** GesmbH sei aufgrund arglistiger Irreführung bis zum 26.5.1992 Teilnehmerin der B***** gewesen. Zwischen den Streitteilen sei im Zeitraum Ende 1992/Anfang 1993 ein wechselseitiger Schriftverkehr geführt worden, es sei nämlich für den Beklagten notwendig gewesen, die klagende Partei auf diverse Umstände im Zusammenhang mit anhängigen Prozeßverfahren aufmerksam zu machen. Die klagende Partei habe als juristische Person keine Privatsphäre, ihre Ehre könne nicht verletzt werden, von einem geschäftsstörenden Charakter der wechselseitigen Korrespondenz und einem unnötigen Blockieren des Faxgerätes könne keine Rede sein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es führte rechtlich aus, der Geschäftsführer der klagenden Partei habe dem Beklagten die Zusendung von Faxnachrichten mit Schreiben vom 23.12.1992 untersagt, es müsse der klagenden Partei das Recht zugestanden werden, sich gegen weitere Faxzusendungen durch den Beklagten zu wehren. Dieses Recht ergebe sich aus § 16 ABGB. Selbst wenn sich der Beklagte durch die B***** oder deren Geschäftsführer oder Anwalt betrogen fühlen sollte, gebe ihm dies nicht das Recht, Faxmitteilungen beleidigenden Inhaltes zu übermitteln.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten keine Folge.

Der auf § 16 ABGB gestützte Unterlassungsanspruch ergebe sich schon daraus, daß die beiden Schreiben des Beklagten in einem für den Empfänger unzumutbaren Ton abgefaßt seien. Schon deshalb müsse der Unterlassungsanspruch bejaht werden, auch wenn der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 4 Ob 98/92 (ecolex 1993, 159) die dort vom Berufungsgericht vertretene Ansicht gebilligt habe, dem Adressaten einer schriftlichen Mitteilung stehe es frei, diese zur Kenntnis zu nehmen oder nicht. Das schließe aus, im Senden von Schreiben, Telegrammen oder Telefax eine - unerbetenen Anrufen gleichzuhaltende - unzulässige Störung der Privatsphäre zu sehen. Daraus könne zwar geschlossen werden, daß das Zusenden von Briefen oder Telefaxmitteilungen grundsätzlich nicht untersagt werden könne, doch sei im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, daß sich der Beklagte in seinen Mitteilungen einer beleidigenden bis ordinären Diktion bediene, die für die klagende Partei jedenfalls unzumutbar sei. Auch juristische Personen könnten Persönlichkeitsrechte haben.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage des Anspruches auf Unterlassung von Zusendungen mittels Telefax, soweit überblickbar, keine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bestehe.

In der Revision macht die beklagte Partei unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil im klageabweisenden Sinne abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Die klagende Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung. Sie beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen oder ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers hat der Oberste Gerichtshof zur Frage der Duldung unerwünschter Telefaxsendungen - auch im Sinne einer Billigung der Ausführungen der zweiten Instanz - in der Entscheidung 4 Ob 98/92 (= ecolex 1993, 159) nicht Stellung genommen. Hiezu bestand auch keine Veranlassung, weil der abweisliche, die Ausführungen zu Telefaxsendungen enthaltende Teil der zu überprüfenden Entscheidung nicht angefochten war.

Nach § 26 ABGB sind die juristischen Personen den natürlichen gleichgestellt. Einschränkungen ergeben sich nur aus der Natur der juristischen Person, also insoweit, als durch die Rechtsordnung eingeräumte Rechte notwendig eine natürliche Person voraussetzen. Zu den dem unmittelbaren Schutz der menschlichen Person dienenden, im § 16 ABGB verankerten Persönlichkeitsrechten zählt auch das Recht auf Ehre, das unter anderem aus § 1330 ABGB abgeleitet wird und absoluten Schutz genießt. Eine Ehrenbeleidigung kann sich zwar nur gegen eine natürliche Person richten, doch entspricht es, entgegen der Ansicht des Rechtsmittelwerbers, der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und der Lehre, daß in gleicher Weise auch der wirtschaftliche Ruf, auch einer juristischen Person, absoluten Schutz genießt (fva Koziol-Welser I10, 79 mwN), dessen Verletzung unter anderem Unterlassungsansprüche gegen jeden auslöst, der ihn rechtswidrig (sogar schuldlos) gefährdet. Auch ein Unternehmen, das zur raschen Abwicklung geschäftlicher, dem Betrieb dienender Mitteilungen einen Telefaxanschluß unterhält, muß die Möglichkeit haben, sich gegen mißbräuchliche Inanspruchnahme, hier nur zum Zwecke obszöner und ehrenbeleidigender Äußerungen gegen den Geschäftsführer des Unternehmens, die sogar den Vorwurf des Betruges enthalten, zur Wehr zu setzen. Ein solcher Mißbrauch ist jedenfalls auch geeignet, den geschäftlichen Ruf des Unternehmens bei den mit der Bearbeitung eingehender Faxsendungen befaßten Dienstnehmern zu gefährden, denn die juristische Person kann nur durch ihr geschäftsführendes Organ handeln, dem ehrenrührige und sogar strafbare Handlungen, der Betrug an Geschäftspartnern des Unternehmens, vorgeworfen wurden. Ein rechtswidriges schuldhaftes Handeln der juristischen Person wäre dieser zuzurechnen und machte sie schadenersatzpflichtig.

Der Gesetzgeber hat in § 16 Abs 2 Fernmeldegesetz 1993 BGBl 908 (ähnlich davor § 39 Fernsprechordnung BGBl 1966/276) die mißbräuchliche Verwendung von Fernmeldeanlagen definiert und normiert, daß als Mißbrauch anzusehen ist: 1. Jede Nachrichtenübermittlung, welche die öffentliche Ordnung und Sicherheit oder die Sittlichkeit gefährdet oder welche gegen die Gesetze verstößt; 2. jede grobe Belästigung oder Verängstigung anderer Benützer; 3. jede Verletzung der nach diesem Gesetz und den internationalen Verträgen bestehenden Geheimhaltungspflicht und 4. jede Nachrichtenübermittlung, die nicht dem bewilligten Zweck einer bewilligungspflichtigen Fernmeldeanlage entspricht. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß das Verhalten des Beklagten, der nach seinem Prozeßstandpunkt auf der Rechtmäßigkeit seines Handelns beharrt, sodaß die Wiederholungsgefahr jedenfalls gegeben ist, über eine grobe Belästigung, die allein schon ein Unterlassungsbegehren rechtfertigte, hinausgeht. Die Vorinstanzen haben daher zu Recht dem Klagebegehren stattgegeben.

Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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