OGH 2Ob506/96

OGH2Ob506/9611.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin Dr.Eva R*****, ********** vertreten durch Dr.Johannes Hock sen. und Dr.Johannes Hock jun., Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegnerin Trude M*****, ***** vertreten durch Dr.Franz P. Oberlercher, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, wegen Festlegung einer Benützungsregelung, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 18.Oktober 1995, GZ 3 R 364/95-14, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Spittal an der Drau vom 7.Juni 1995, GZ 15 Nc 4/94m-10, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß aufgehoben; zugleich wird auch der Beschluß des Erstgerichtes aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Revisionsrekursbeantwortung der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die beiden Parteien sind je zur Hälfte Miteigentümer der Liegenschaft ***** M***** I mit Wohnhaus H*****straße 49. Die Antragstellerin erhielt ihre Liegenschaftshälfte mit Vertrag vom 29.3.1994 von ihrem Vater Dipl.Ing.Herbert R***** geschenkt; der Punkt IV des Schenkungsvertrages lautet wie folgt:

"Die Liegenschaft wird wie sie liegt und steht übergeben. Der Lastenstand ist der Geschenknehmerin bekannt, ebenso das zwischen Trude M***** und dem Geschenkgeber abgeschlossene Übereinkommen samt Benützungsregelung."

Dipl.Ing.R***** und die Antragsgegnerin waren Geschwister. Ihr am 22.1.1953 verstorbener Vater bestimmte sie je zu einem Viertel zu Erben, seine Gattin Barbara R***** zur Hälfte, wobei er ausdrücklich anführte: Nach dem Ableben meiner Gattin fällt auch diese Hälfte den beiden Kindern zu; den Ausgleich wird später meine Gattin treffen. Im Rahmen des Anfalles dieses Nachvermächtnisses trafen Dipl.Ing.R***** und die Antragsgegnerin am 5.1.1978 ein Übereinkommen samt Benützungsregelung, welches im wesentlichen wie folgend lautet:

"1.) Der nachgelassene Miteigentumsanteil zur Hälfte an EZ ***** KG M***** I wird von den Vermächtnisnehmern je zur Hälfte mit allen anteiligen Rechten und Pflichten wie alles liegt und steht übernommen....

2.) Trude M***** und Dipl.Ing.R***** vereinbaren hiemit auch mit Wirksamkeit für die Rechtsnachfolger des Dipl.Ing.R***** folgende Regelung der Benützung der Liegenschaft EZ ***** mit dem Wohnhaus H*****straße 49:

a) Dipl.Ing.R***** erhält zur alleinigen und ausschließlichen Benützung die aus der angeschlossenen Lageskizze ersichtlichen Räumlichkeiten und zwar im Obergeschloß die mit den Top Nr. 1, 2, 3 , 4 und 5 sowie im Dachgeschoß mit den Top Nr. 7 und 8 bezeichneten Räumlichkeiten.

b) Trude M***** erhält auf ihre weitere Lebensdauer alle übrigen nicht dem gemeinsamen Gebrauch der Hausbewohner dienenden und aus der Lageskizze ersichtlichen Räumlichkeiten zur alleinigen und ausschließlichen Benützung....

c) Gemeinsam genutzt werden....

3.) ...

4.) Nach dem Ableben der Trude M***** ist von den jeweiligen Miteigentümern eine neue, den Miteigentumsanteilen entsprechende Benützungsregelung zu treffen."

Am 28.11.1994 beantragte die Antragstellerin eine (neue) Benützungsregelung mit der Begründung, daß jene vom 5.1.1978 auf sie als Einzelrechtsnachfolgerin nicht übergegangen sei. Überdies stehe es jedem Miteigentümer frei, die Benützungsregelung zu jeder Zeit aufzukündigen und eine (neue) zu verlangen. Die Benützungsregelung aus dem Jahre 1978 benachteilige die Antragstellerin entscheidend. Die Antragstellerin stellte detaillierte Anträge, die im wesentlichen dahin gehen, daß ihr Nutzungsrechte an rund der Hälfte der Liegenschaft zuerkannt werden.

Die Antragsgegnerin beantragt die Abweisung des Antrages und vertritt die Ansicht, die Benützungsregelung aus dem Jahre 1978 sei nach wie vor bindend. Die Antragsgegnerin habe nach dem Tode ihres Vaters höhere Aufwendungen auf das Haus erbracht als ihr Bruder, welchem überdies eine teure Ausbildung finanziert worden sei; aus diesem Grunde sei sie von der Vermächtsnisnehmerin zur Alleinerbin eingesetzt worden. Mit dem Übereinkommen vom 5.1.1978 sei ein minimaler Ausgleich geschaffen worden.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Benützungsregelung ab, wobei es über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinausgehend im wesentlichen folgende Feststellungen traf:

Der Vater der Antragstellerin hat sich an die Benützungsvereinbarung vom 5.1.1978 gehalten. Die Antragstellerin, eine Ärztin, möchte nach dem Abschluß ihrer Parxisausbildung im gegenständlichen Haus ihren Hauptwohnsitz begründen und ihre Arztpraxis errichten. Die Antragstellerin hatte bei Abschluß des Schenkungsvertrages vom 29.3.1994 nicht die Absicht, die von ihrem Vater mit der Antragsgegnerin getroffene Benützungsvereinbarung zu widerrufen. Die Schenkung der Miteigentumsanteile an die Antragstellerin am 29.3.1994 erfolgte mit allem rechtlichen und tatsächlichen Zubehör.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Meinung, die Antragstellerin sei als Einzelrechtsnachfolgerin nach ihrem Vater im Eigentum der Liegenschaftshälfte an die Benutzungsvereinbarung vom 5.1.1978 gebunden, weil sie den Miteigentumsanteil mit allen Rechten und Pflichten schenkungsweise übertragen erhalten habe. Sie sei in die von ihrem Vater mit der Antragsgegnerin getroffene Benützungsvereinbarung zumindest schlüssig eingetreten. Wegen der befristeten Benützungsvereinbarung könne das Dauerrechtsverhältnis nicht aufgelöst bzw abgeändert werden; Dipl.Ing.R***** habe für sich und seine Rechtsnachfolger auf eine vorzeitige Auflösung bzw Kündigung verzichtet. Im übrigen wäre ein wichtiger Grund in Form von bei Vertragsabschluß nicht vorgesehenen geänderten Verhältnissen zu verneinen.

Das von der Antragstellerin angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 50.000 S und erklärt den ordentlichen Revisionsrekurs nicht für zulässig.

Das Rekursgericht wies in rechtlicher Hinsicht darauf hin, daß der Antragstellerin die Benützungsvereinbarung nicht ausdrücklich überbunden wurde und sie diese auch nicht ausdrücklich übernommen habe. Beim Geschenkgeber habe aber ein dies bejahender Eindruck entstanden sein können. Auch erscheine der Gedanke, daß er die Vereinbarung mit seiner Schwester einhalten und diese nicht durch die Schenkung an seine Tochter beeinträchtigen wollte, naheliegend. Darüberhinaus sei anzunehmen, daß Dipl.Ing.R***** die Verpflichtungen aus der Benützungsregelung gegenüber der Antragsgegnerin auf die Geschenknehmerin überbinden und sich nicht einer allfälligen Schadenersatzverpflichtung wegen Vertragsverletzung aussetzen wollte.

Die Benützungsvereinbarung könne auch nicht wegen geänderter Verhältnisse abgeändert werden, weil eine nicht einseitig widerrufbare vertragliche Regelung für einen bestimmten Zeitraum vorliege. Zumindest in diesem Fall komme auch die Frage des Gutglaubenserwerbes zum Nachteil der Antragstellerin zum Tragen. Auch der Oberste Gerichtshof habe ausgesprochen, daß die Übernahme der Verpflichtungen aus dem Benützungsvertrag dann gegeben sei, wenn der Rechtsvorgänger den Miteigentumsanteil schenkungsweise übertragen habe (MietSlg 21.073).

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß dem in erster Instanz gestellten Antrag stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig, weil sich das Rekursgericht mit der Frage der geänderten Verhältnisse inhaltlich nicht auseinandergesetzt hat; er ist im Sinne seines Eventualantrages auf Aufhebung auch berechtigt.

Die Antragstellerin macht in ihrem Rechtsmittel geltend, die Benützungsvereinbarung aus dem Jahre 1978 sei auf sie nicht überbunden worden, sie habe sich ihr auch nicht unterworfen. Hätte der Geschenkgeber die Benützungsregelung der Geschenknehmerin überbinden wollen, so hätte er dies zweifellos auch getan. Im übrigen müsse der Antragstellerin auch die Möglichkeit eingeräumt werden, durch eine neue Benützungsregelung den aktuellen Bedürfnissen Rechnung zu tragen.

Diese Ausführungen sind, was die Geltung der Benützungsvereinbarung vom 5.1.1978 für die Antragstellerin betrifft, zutreffend:

Eine zwischen Miteigentümern getroffene Benützungsregelung geht auf den Einzelrechtsnachfolger nur bei ausdrücklicher Überbindung oder stillschweigender Unterwerfung über (MietSlg 32.073; 32.075; 36.066; Gamerith in Rummel2, Rz 4 zu § 834). Wenngleich der Eintritt in ein Benützungsverhältnis auch schlüssig erfolgen kann, reicht die bloße Kenntnis von der Benützungsregelung anläßlich des Anteilserwerbs durch den Einzelrechtsnachfolger nicht aus (Schwimann/Hofmeister, ABGB III, § 834 Rz 20 f mwN). Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen wurde die Benützungsregelung aus dem Jahre 1978 der Antragstellerin weder überbunden noch ist sie in diese ausdrücklich oder stillschweigend eingetreten. Der Schenkungsvertrag vom 29.3.1994 enthält lediglich den Hinweis, daß der Geschenknehmerin das zwischen dem Geschenkgeber und der Antragsgegnerin abgeschlossene Übereinkommen samt Benützungsregelung bekannt ist. Daß diese Vereinbarung auch für die Geschenknehmerin bindend sei, ist der Vereinbarung nicht zu entnehmen. Daß der Miteigentumsanteil "mit allem rechtlichen und tatsächlichem Zubehör" geschenkt wurde, bedeutet nicht, daß das Übereinkommen aus dem Jahre 1978 von der Geschenknehmerin übernommen worden sei. Auch ein schlüssiger Eintritt in das Benützungsverhältnis kann mit Rücksicht auf die strengen Anforderungen des § 863 ABGB nicht angenommen werden. Eine konkludente Handlung darf nämlich nur dann angenommen werden, wenn sie nach der Verkehrssitte eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, daß der Wille, eine bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen, vorliegt (MietSlg 31.081; 29.088; 28.073 ua), wobei für die Schlüssigkeit eines Verhaltens ein strenger Maßstab anzulegen ist (RdW 1990, 286). Bei Anwendung dieses gebotenen strengen Maßstabes für die Anwendung des § 863 ABGB kann in der Erklärung der Antragstellerin, die zwischen dem Geschenkgeber und der Antragsgegnerin abgeschlossene Benützungsregelung zu kennen, keine schlüssige Erklärung des Inhalts, in diese Benützungsregelung auch einzutreten, erblickt werden.

Aufgrund der zitierten Formulierungen im Schenkungsvertrag läßt sich der vorliegende Rechtsfall auch nicht mit jenem vergleichen, der den Entscheidungen MietSlg 21.073, 32.007 und 35.077 zugrundeliegt. Während in jenen Fällen der Erwerber den Miteintumsanteil mit allen Rechten und Pflichten, mit welchen ihn der Veräußerer besessen hat, übernommen hat, fehlt im voliegenden Fall eine derartige Formulierung und nimmt die Geschenknehmerin die Benützungsregelung lediglich zur Kenntnis. In der bloßen Kenntnisnahme kann aber eine schlüssige Eintrittserklärung in die bestehende Benützungsregelung nicht erblickt werden.

Daraus folgt, daß die Benützungsregelung aus dem Jahre 1978 für die Antragstellerin nicht verbindlich ist, sodaß eine (neue) Benützungsregelung zu treffen ist.

Auf die Frage, ob die Benützungsregelung aus dem Jahre 1978 nicht auch wegen geänderter Verhältnisse keine Gültigkeit mehr hat, ist sohin nicht mehr einzugehen.

Die Zurückweisung der Revisionsrekursbeantwortung der Antragstellerin gründet sich darauf, daß gemäß § 16 Abs 3 AußStrG eine Rechtsmittelbeantwortung nur dann zulässig ist, wenn eine solche in besonderen Verfahrensvorschriften vorgesehen ist, was hier nicht der Fall ist.

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