OGH 13Os190/95

OGH13Os190/9510.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.Jänner 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Bodner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Helmut K***** wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Beschwerdegericht vom 4.Mai 1995, AZ 13 c Bl 398/95, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Weiß, des Subsidiaranklägers Konrad S***** jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Beschwerdegericht vom 4.Mai 1995, AZ 13 c Bl 398/95, verletzt, soweit damit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Floridsdorf im Verfahren 14 U 367/95 vom 6.Dezember 1993, ON 9, und vom 14.Oktober 1994, ON 13, ersatzlos aufgehoben werden, das Gesetz in dem aus dem XX.Hauptstück der StPO abzuleitenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft und in dem sich aus §§ 290 Abs 1, 295 Abs 1, 477 Abs 1 StPO ergebenden Grundsatz der Beschränkung der Rechtsmittelgerichte auf die Überprüfung angefochtener Entscheidung; er wird insoweit aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 5. Oktober 1993, GZ 14 U 367/93-5, wurde Helmut K***** gemäß § 259 Z 3 StPO von einer Subsidiaranklage (wegen Vergehens des Betruges) freigesprochen. Zugleich wurde dem Subsidiarankläger Kostenersatz gemäß § 390 Abs 1 StPO aufgetragen. Die Aufnahme dieses Kostenausspruches in die gekürzte Urteilsausfertigung unterblieb. Dies wurde gemäß §§ 268, 270 StPO mit Beschluß vom 14.Oktober 1994 (ON 13) durch "Angleichung" der Urteilsurschrift an das mündlich verkündete Urteil behoben. Entgegen § 270 Abs 3 letzter Satz StPO wurde die Verbesserung allerdings (noch) nicht am Rand des Urteils beigesetzt.

Mit (unangefochten gebliebenen S 57 und 65) Beschluß vom 6.Dezember 1993 (ON 9) wurden jedoch bereits vorher auf Antrag des Beschuldigten (lautend auf 8.316 S) und nach Anhörung des Subsidiaranklägers (ON 6 und 8) gemäß § 393 Abs 4, 395 Abs 1 StPO die Kosten der Verteidigung des Beschuldigten mit 2.970 S bestimmt, ohne über das Mehrbegehren von 5.346 S zu entscheiden.

In der Folge wurde der Exekutionsantrag des Freigesprochenen zur Hereinbringung der Kostenforderung abgewiesen (ON 14). Das Bezirksgericht Floridsdorf als Exekutionsgericht kam zur Ansicht, daß die oben bezeichneten Beschlüsse (ON 9 und 13) infolge formeller Mangelhaftigkeit "weder einzeln noch zusammen betrachtet einen Exekutionstitel gemäß § 7 EO darstellen". Der Beschuldigte ersuchte darauf das Strafgericht "um Übermittlung eines Exekutionstitels gemäß § 7 EO hinsichtlich der Kosten der Verteidigung" (ON 15).

Mit Beschluß vom 22.März 1995 (ON 16) "ergänzte" das Erstgericht "den Beschluß ON 9 vom 6.Dezember 1993" durch Bezeichnung der Person des Berechtigten sowie Aufnahme eines Leistungsbefehls und Festsetzung einer Leistungsfrist. Zugleich wies es (nunmehr formell) das Mehrbegehren von 5.346 S ab.

Das Landesgericht für Strafsachen Wien als Beschwerdegericht gab mit Beschluß vom 4.Mai 1995, AZ 13 c Bl 398/95 (ON 20) der gegen diesen Beschluß vom Subsidiarankläger erhobenen Beschwerde in der zu Recht auf die bereits rechtskräftige Entscheidung vom 6.Dezember 1993 verwiesen worden war (ON 17) Folge und hob den angefochtenen Beschluß (ON 16) auf. Aus Anlaß dieser Beschwerde hob es aber auch die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 6.Dezember 1993 (ON 9) und 14.Oktober 1994 (ON 13) im wesentlichen mit der Begründung auf, daß eine "Urteilsangleichung" dem Akteninhalt nicht zu entnehmen sei. Die Verpflichtung des Subsidiaranklägers zum Kostenersatz gemäß § 390 Abs 1 StPO "rund ein Jahr nach der Urteilsfällung" finde im Gesetz keine Deckung. Es fehle daher an der grundsätzlichen Voraussetzung für eine Kostenbestimmung und Verpflichtung des Subsidiaranklägers zum Kostenersatz.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 4.Mai 1995, AZ 13 c Bl 398/95 (ON 20), steht, wie der Generalprokurator in seiner gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zu Recht geltend macht, zum Teil mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Auch das Beschwerdegericht hat sich auf die in Beschwerde gezogenen Punkte zu beschränken und darf nur jene Entscheidungen überprüfen, die von der Beschwerde betroffen sind. Der Subsidiarankläger hat vorliegendenfalls nur den Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 22.März 1995 (ON 16) mit der Begründung angefochten, daß über die Höhe der zu ersetzenden Kosten bereits rechtskräftig (mit Beschluß vom 6.Dezember 1993) abgesprochen wurde. Dem Landesgericht für Strafsachen Wien war es sohin verwehrt, zum Nachteil des Freigesprochenen "aus Anlaß der Beschwerde" auch den (rechtskräftigen) Beschluß vom 6.Dezember 1993 und den (ebenfalls nicht bekämpften) Beschluß vom 14.Oktober 1994 "ersatzlos" aufzuheben.

Unzutreffend ist auch, daß dem Akteninhalt eine Urteilsangleichung nicht zu entnehmen sei. Im Beschluß vom 14.Oktober 1994 wird vielmehr festgestellt, daß dem Subsidiarankläger bei der mündlichen Verkündung des Freispruches auch der Kostenersatz gemäß § 390 Abs 1 StPO aufgetragen wurde, die Entscheidung des Gerichtes über die Kostenersatzpflicht jedoch in der gekürzten Urteilsausfertigung "ausgelassen" wurde. Da das Erstgericht an das verkündete Urteil gebunden ist, war eine Angleichung der Urteilsurschrift an das verkündete Urteil geboten und im Sinne der §§ 268, 270 StPO jedenfalls solange möglich, als nicht die unrichtige Ausfertigung Gegenstand einer meritorischen Rechtsmittelentscheidung geworden ist. Bis dahin ist eine "Angleichung" zulässig und kann sogar vom Rechtsmittelgericht veranlaßt werden (SSt 47/50). Einer (allerdings erfolgten, siehe RSa und RSb bei ON 16) Zustellung dieses Beschlusses an die Parteien bedurfte es im vorliegenden Fall nicht, weil der Subsidiarankläger bei der Urteilsverkündung (die seine Verpflichtung zum Kostenersatz enthielt) anwesend war und hiezu keine Erklärung abgab, was sich mangels Rechtsmittelbefugnis gegen den Freispruch (§§ 49 Abs 1 Z 3, 465 Abs 3 StPO) nur auf die Kostenentscheidung bezogen haben kann. Er erhob auch später keine Kostenbeschwerde (§ 392 Abs 1 StPO; vgl insoweit auch seine Äußerung zum Kostenbestimmungsantrag ON 8, in der er nur die Höhe der begehrten Kosten, nicht aber seine grundsätzliche Verpflichtung zum Kostenersatz bekämpfte), sodaß er (dem ohnehin keine Urteilsausfertigung zugestellt worden war) durch die unterbliebene Zustellung des Angleichungsbeschlusses in seinen Rechten nicht beeinträchtigt war. Dieser Angleichungsbeschluß entspricht vielmehr entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichtes sowohl der Aktenlage als auch dem Gesetz.

Damit lagen aber auch die Voraussetzungen für eine Kostenbestimmung nach §§ 393 Abs 4, 395 StPO vor, weil das Erstgericht sofort bei Urteilsverkündung (unbeschadet der erst später erfolgten Urteilsausfertigung und -angleichung) dem Subsidiarankläger den Ersatz aller infolge seines Einschreitens aufgelaufenen Kosten in der das Verfahren für die Instanz erledigenden Entscheidung (§ 390 Abs 1 StPO) aufgetragen hat. Der Beschluß vom 6.Dezember 1993 (ON 9), mit dem die Höhe der vom Subsidiarankläger dem freigesprochenen Beschuldigten zu ersetzenden Kosten mit 2.970 S bestimmt wurden, entspricht demgemäß dem Gesetz.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Der Vollständigkeit wegen wird darauf hingewiesen, daß das Erstgericht nach der vorliegenden Teilaufhebung des Beschlusses des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 4.Mai 1995 dem (freigesprochenen) Beschuldigten (bzw seinem bestellten Vertreter) auf Grund seines Antrages vom 20.März 1995 (ON 15) eine als Exekutionstitel (§ 1 Z 8 EO) geeignete, mit der Bestätigung der Rechtskraft versehene Ausfertigung der Entscheidung des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 5.Oktober 1993 (ON 5 iVm ON 13, Verpflichtung des Subsidiaranklägers zum Kostenersatz gemäß § 390 Abs 1 StPO) und vom 6.Dezember 1993 (ON 9, Bestimmung der Höhe der vom Subsidiarankläger zu ersetzenden Kosten der Verteidigung gemäß §§ 393 Abs 4, 395 Abs 1 StPO) zuzustellen haben wird (StPO-Form KO 5), aus der sich neben den Personen des Berechtigten und Verpflichteten auch Gegenstand und Umfang der geschuldeten Leistung ergibt (§ 7 Abs 1 EO). Entgegen der Meinung des Bezirksgerichtes Floridsdorf als Exekutionsgericht im Beschluß vom 14.März 1995, AZ 22 E 436/95y (ON 14), ist in Kostenbestimmungsbeschlüssen in Strafverfahren keine Leistungsfrist festzusetzen, weil die mit der Bestätigung der Rechtskraft versehenen strafgerichtlichen Erkenntnisse über die Kosten des Strafverfahrens ohne Bedachtnahme auf die im § 409 ZPO festgesetzte Leistungsfrist sofort vollstreckbar sind (Angst/Jakusch/Pimmer EO13 § 7 E 134; SSt 26/47).

Stichworte