OGH 10Ob1635/95

OGH10Ob1635/959.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer, Dr.Ehmayr, Dr.Steinbauer und Dr.Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.Harry B*****, vertreten durch Dr.Rudolf Tobler, Dr.Karl-Heinz Götz und Dr.Rudolf Tobler jun., sämtliche Rechtsanwälte in Neusiedl am See, wider die beklagte Partei Bankhaus D*****, wegen Wiederaufnahme (Streitwert S 464.790,--), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 23.Oktober 1995, GZ 13 R 163/95-8, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 14.August 1995, GZ 8 Cg 116/95b-3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentliche Rekurs, der klagenden Partei wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs hat das Rekursgericht weder im Spruch noch in seinen Gründen ausgesprochen, daß der Rekurs gegen seine Entscheidung deshalb unzulässig sei, weil der erstrichterliche Beschluß zur Gänze bestätigt wurde (§ 528 Abs 2 Z 2 erster Fall ZPO); da die (Wiederaufnahms-)Klage von beiden Vorinstanzen ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde, sind vielmehr die Vorausetzungen des § 528 Abs 2 Z 2 zweiter Fall ZPO erfüllt, worauf auch das Rekursgericht zutreffend hingewiesen hat. Lediglich im Falle der Bestätigung der Zurückweisung einer Wiederaufnahmsklage gegen einen Beschluß hat der Oberste Gerichtshof zu 9 Ob 709/91 (RZ 1993/64; ebenso auch Kodek in Rechberger, ZPO Rz 1 zu § 528) die Unzulässigkeit eines Revisionsrekurses wegen konformer Rekursentscheidung bestätigt, was aber nicht im Falle einer - wie hier - Klage, mit der eine Sachentscheidung (nämlich die Abweisung des Begehrens im Vorverfahren) angestrebt wird, gelten kann.

Allerdings mangelt es an den Voraussetzungen für das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO. Dies aus folgenden - zusammengefaßten - Erwägungen:

Auch ein Versäumungsurteil kann mit Wiederaufnahmsklage nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO angefochten werden (stRsp seit SZ 6/368; Fasching, aaO Rz 1394). Daß der hierin der nunmehrigen Beklagten zugesprochene Betrag jedenfalls der Höhe nach zu Recht bestand, gesteht der Kläger - wie sich aus seinem formulierten Urteilsbegehren ergibt - selbst zu, strebt er doch dessen Abweisung lediglich aus dem Grunde einer in zumindest gleicher Höhe zu Recht bestehenden Gegenforderung an. In einer Wiederaufnahmsklage gegen ein Versäumungsurteil hat der Kläger hiebei zu behaupten, daß bei Anlegung eines objektiven Maßstabes ein verständiger Beklagter in der gleichen Situation eine Prozeßeinlassung in den Vorprozeß verweigert hätte (RZ 1978/52). Bereits in seiner Entscheidung EvBl 1970/234 hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß es einer Partei möglich sein muß, neu entdeckte Umstände, die sie, wären sie damals (nämlich im Zeitpunkt der Erlassung des Versäumungsurteils) bekannt gewesen, veranlaßt hätten, nicht von der (ersten) Tagsatzung fernzubleiben, sondern sich in den Streit einzulassen, weil diese Umstände eine andere, ihr günstige Entscheidung bewirkt hätten, im Interesse der Gerechtigkeit und zur Beseitigung eines ersichtlich unrichtigen Urteils geltend zu machen. Im Falle der Wiederaufnahme eines mit Versäumungsurteil nach § 396 ZPO geschlossenen Verfahrens bedeutet dies aber, daß diese nur dann bewilligt werden kann, wenn der Kläger beweist, daß sein seinerzeitiges prozessuales (Untätigkeits-)Verhalten dadurch bestimmt war, daß er nach der damaligen Lage eine Einlassung in den Rechtsstreit mit Sicherheit als aussichtslos ansehen mußte, und daß sich diese Lage eben durch das Auffinden neuer Beweismittel zu seinen Gunsten geändert hat. Derartiges kann seinem Vorbringen zur Wiederaufnahmsklage jedoch schon deshalb nicht unterstellt werden, behauptet er doch in Punkt I Z 3 dritter und fünfter Absatz ausdrücklich, eine Bestreitung (der seinerzeit erhaltenen Klage) deshalb unterlassen (und dem Versäumungsurteil "keine besondere Bedeutung beigemessen") zu haben, "weil das von der damals klagenden Partei finanzierte Hausanteilscheinmodell funktioniert hat", und eine (zur Klagsführung Anlaß gebende) Kontoüberziehung lediglich aus einem (nicht von der Wiederaufnahmebeklagten veranlaßten) Irrtum seinerseits über die Bezahlung auch von Versicherungsprämien der Ablebensversicherung erfolgt sei. Schon allein deshalb bedurfte es weder einer ergänzenden Befragung noch Feststellungen des Erstgerichtes zur Frage, wann exakt der Klagevertreter vom genannten Gutachten Kenntnis erlangt hat. Im übrigen ist dem Rekursgericht auch darin beizupflichten, daß gerade bei der Voraussetzungsprüfung einer Wiederaufnahmsklage den Kläger eine besondere Sorgfalts-(prozessuale Diligenz)pflicht trifft, weil sie primär nach prozessualen Maßstäben zu beurteilen ist (Fasching, aaO Rz 2067). Geht man aber - was auch im Revisionsrekurs unbestritten ist - davon aus, daß das gegenständliche Versäumungsurteil im April 1988 erging, im Juni 1988 in Rechtskraft erwuchs, der Kläger im November 1992 vom Klagevertreter ausdrücklich auf das Erfordernis einer eingehenden Besprechung hingewiesen wurde, jedoch erst zweieinhalb Jahre später, nämlich im April 1995, neuerlich in dieser Sache Kontakt nahm, so kann füglich nicht gesagt werden, der Kläger habe im Zusammenhang mit der Beschaffung und Besorgung allfälliger Beweismittel für das angestrebte Wiederaufnahmsverfahren entsprechende Sorgfalt an den Tag gelegt. Ob hiebei auch dem Klagevertreter, dem feststellungskonform bereits Ende 1992 Vollmacht erteilt worden war, den Lauf der Frist des § 534 Abs.1 ZPO auslösende Beweismittelkenntnisse zuzurechnen sind (vgl EvBl 1992/95), kann in diesem Zusammenhang ebenso unerörtert bleiben wie der Umstand, daß nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ja nicht schlechtweg jede - wie in der gegenständlichen Klage ausgeführt - Irreführung (Verschleierung) durch einen Vermittler auch dem (kreditierenden) Bankinstitut zugerechnet werden kann, sondern nur, sobald und sofern dieses auch tatsächlich über die Rolle des bloßen Drittfinanzierers hinaus am Geschäft der Geldanlage mitgewirkt hat (jüngst etwa 5 Ob 562/94 29.8.1995 uva). Demgemäß braucht auch nicht weiter darauf eingegangen zu werden, inwieweit der Kläger seinen behaupteten Schadenersatzanspruch allenfalls (noch) als Aktivanspruch durchzusetzen in der Lage ist.

Zieht man all dies in Betracht, so ist die Entscheidung des Rekursgerichtes nicht zu beanstanden; sie deckt sich mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung. Eine Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO liegt nicht vor.

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