OGH 15Os119/95

OGH15Os119/9521.12.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Dezember 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Eichinger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karl E***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten E***** und D***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18.April 1995, GZ 2 c Vr 3817/94-121, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Tiegs, der Angeklagten E***** und D***** und der Verteidiger Dr.Mayer und Dr.Bernhardt zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1.) Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Karl E***** wird verworfen.

2.) Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann D***** wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Beurteilung des diesem Angeklagten weiterhin als Beteiligtem gemäß § 12 dritter Fall StGB zur Last liegenden Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB auch als schwerer Betrug gemäß § 147 Abs 2 StGB sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

3.) Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten D***** verworfen.

4.) Der Berufung des Angeklagten E***** wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe als Zusatzstrafe unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 11.Jänner 1995, GZ 1 a U 15/94-22, mit 3 1/2 (in Worten: dreieinhalb) Jahren festgesetzt.

5.) Mit seiner Berufung wird der Angeklagte D***** auf die zu 2.) getroffene Entscheidung verwiesen.

6.) Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch andere Entscheidungen enthält, wurden Karl E***** der Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB, begangen teils als Beteiligter gemäß § 12 zweiter und dritter Fall StGB sowie der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB und des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 1, 224 StGB sowie Johann D***** des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB, begangen als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB, schuldig erkannt.

Darnach haben

A/ Karl E*****

I. mit dem Vorsatz, sich oder Dritte durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern und andere durch Täuschung über Tatsachen und unter Benützung falscher sowie verfälschter Urkunden zu Handlungen verleitet, die diese oder andere am Vermögen schädigten, wobei der Gesamtschaden insgesamt 2,966.733 S beträgt und somit 500.000 S übersteigt, sowie überdies in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung des schweren Betruges eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar

A/ 1.a bis d) zwischen dem 29.April 1994 und dem 5.September 1994 Angestellte verschiedener Banken zur Auszahlung von Darlehen im Gesamtbetrag von 753.840 S (Schaden in dieser Höhe) sowie Verfügungsberechtigte der Firma ***** AG zur Ausfolgung von Waren im Gesamtwert von 27.783 S (Schaden 22.223 S) und

2. a bis d) zwischen dem 5.Mai 1994 und dem 5.August 1994 in fünfundsiebzig Fällen durch Täuschung über die Tatsache, berechtigter Inhaber von Kreditkarten zu sein, indem er diese vorlegte und die Unterschriften der Kreditkarteninhaber auf den jeweiligen Verkaufs- oder Leistungsbelegen fälschte, Verfügungsberechtigte verschiedener Unternehmen zur Ausfolgung von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen verleitet, wodurch die jeweiligen Kreditkartenunternehmungen im Gesamtbetrag von 262.521 S geschädigt wurden, sowie

B/ 1. bis 6.) zwischen Oktober 1993 und März 1994 in sechs Fällen andere zur Begehung von Kreditkartenbetrügereien mit einem Gesamtschadensbetrag von 1,475.628 S verleitet oder zu dieser Tatausführung beigetragen und

B/ 7.) im Mai 1994 Brigitte B***** zur Begehung der Vergehen der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB sowie der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 1, Abs 2 und 224 StGB bestimmt,

II. im Jahr 1994 echte inländische Urkunden, nämlich zwei Reisepässe und einen Personalausweis mit dem Vorsatz verfälscht, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich seiner Identität mit dem Urkundeninhaber, gebraucht werden,

III. am 17.Oktober 1994 den Bankbeamten Wilhelm S***** und den Kreditvermittler Andreas H***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, daß er diese einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich des Tatbeitrages zur Ausführung des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 12 dritter Fall, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB falsch verdächtigte, wobei er wußte, daß die Verdächtigungen falsch waren und

C/ Johann D***** - im Zusammenwirken mit Karl E***** - zur Ausführung des Kreditbetruges (laut A/I B 2 des Urteilssatzes) eines bisher unbekannt gebliebenen Täters, der am 22.November 1993 in Wien mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der Bank ***** AG, Zweigstelle*****, durch Täuschung über die Tatsache seiner mangelnden Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit durch Vorlage des Reisepasses des Günter K***** und Nachmachen dessen Unterschrift auf dem Kreditvertrag sowie durch Vorlage einer von Johann D***** ausgestellten inhaltlich unrichtigen Gehaltsbestätigung, mithin unter Benützung einer falschen Urkunde sowie eines falschen Beweismittels zu einer Handlung, nämlich zur Auszahlung eines Darlehens von 270.000 S verleitete, wodurch die Bank ***** AG in diesem Betrag am Vermögen geschädigt wurde, dadurch beigetragen, daß er diese inhaltlich unrichtige Gehaltsbestätigung ausstellte.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten E*****:

Unmittelbar nach Urteilsverkündung meldete dieser Angeklagte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (S 483/IV). Nach Zustellung einer Urteilsausfertigung brachte er fristgerecht nur das Rechtsmittel der Berufung ein; die Nichtigkeitsbeschwerde hingegen wurde nicht ausgeführt (ON 135). Da der Angeklagte E***** bei der Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde keine der im § 281 Abs 1 Z 1 bis 11 StPO angegebenen Gründe deutlich und bestimmt bezeichnet hat, dieses Rechtsmittel in der Folge nicht ausgeführt worden ist und auch der Vorsitzende des Schöffengerichtes die Zurückweisung dieser Nichtigkeitsbeschwerde unterlassen hat (§§ 285 a Z 2, 285 b Abs 1 StPO), war auf die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten E***** keine Rücksicht zu nehmen (§ 285 Abs 1 StPO).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten D*****:

Dieser Angeklagte releviert nominell die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 5 a und 10 - hilfsweise auch Z 5 - StPO.

In der Tatsachenrüge (Z 5 a) bemängelt er, das Erstgericht sei seiner Verantwortung, er habe die unrichtige Lohnbestätigung für Günter K***** nur deshalb ausgestellt, weil er für sein Unternehmen dringend einen Elektriker gesucht (und K***** für diesen künftigen Arbeitnehmer gehalten) habe, nicht gefolgt, obgleich ein sonstiges Motiv für die Ausstellung einer unrichtigen Lohnbestätigung nicht feststellbar gewesen sei.

Abgesehen davon, daß die Feststellung eines Motivs im Urteil nur dann geboten ist, wenn es - was auf den vorliegenden Fall nicht zutrifft - für die Erfüllung der subjektiven Tatseite erforderlich ist, vermag dieses Beschwerdevorbringen auch sonst keine sich aus den Akten ergebende Bedenken - und angesichts des Inhaltes der Bestätigung, die ein schon Monate hindurch bestehendes Beschäftigungsverhältnis vortäuscht (US 17 f), schon gar nicht solche erheblicher Art - gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen darzutun; vielmehr läuft die Beweisrüge auf eine im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung hinaus, ohne auch formale Begründungsmängel in Ansehung relevanter Umstände aufzuzeigen. Daß der Beschwerdeführer "keinerlei Vorteil" aus der Tat gehabt hätte, ist unerheblich, kann doch Betrug auch zur unrechtmäßigen Bereicherung eines Dritten verwirklicht werden.

Sofern der Angeklagte Feststellungen zur subjektiven Tatseite vermißt, weil das Erstgericht gar nicht davon ausgegangen sei, daß er vorsätzlich ein falsches Beweismittel zur Begehung eines Betruges hergestellt habe, weicht er vom tatsächlichen Urteilsinhalt ab und bringt den damit der Sache nach relevierten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO, dessen Ausführung ein Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt erfordert, nicht zu gesetzmäßiger Darstellung. Denn das Schöffengericht hat festgestellt, daß D***** die unrichtige Gehaltsbestätigung auf Ersuchen des Angeklagten E*****, der ihm gesagt habe, Günter K***** würde diese zur Erlangung eines Kredites benötigen, ausgestellt hat, wobei D***** es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, daß eine Kreditgewährung durch K***** weder beabsichtigt war, noch tatsächlich erfolgen würde (US 18).

Inwiefern in diesem Zusammenhang ein Begründungsmangel (Z 5) vorliegen soll, wird in der Beschwerde nicht deutlich und bestimmt dargetan (§ 285 a Z 2 StPO).

Der Subsumtionsrüge (Z 10) kommt hingegen teilweise Berechtigung zu.

Zu Unrecht vermeint der Angeklagte, eine inhaltlich unrichtige Lohnbestätigung erfülle nicht die Voraussetzungen des § 147 Abs 1 Z 1 StGB. Denn nach der Entscheidung des verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes (JBl 1995, 386) kommt eine sogenannte Lugurkunde als qualifikationsbegründendes Täuschungsmittel zwar nicht nach dem ersten Fall des § 147 Abs 1 Z 1 StGB (also als falsche Urkunde), wohl aber nach dessen zweitem Fall (als "falsches Beweismittel") in Betracht (vgl auch JBl 1989, 189).

Begründet ist die Beschwerde allerdings, soweit sie einen Feststellungsmangel zur subjektiven Tatseite in bezug auf den zweiten Absatz des § 147 StGB moniert. Denn das Erstgericht hat jedwede Feststellung dahin unterlassen, daß sich der Schädigungsvorsatz des Angeklagten D***** auch auf einen 25.000 S übersteigenden Betrag erstreckte. Ohne diese Feststellung kann die Qualifikation nach § 147 Abs 2 StGB mit Recht nicht angenommen werden.

Dieser Feststellungsmangel zwingt zur Aufhebung der erstgerichtlichen Unterstellung der Tat des Angeklagten auch unter die Bestimmung des § 147 Abs 2 StGB.

Damit erweist sich das erstinstanzliche Verfahren insoweit als ergänzungsbedürftig. Im zweiten Rechtsgang wird festzustellen und zu begründen sein, ob der Angeklagte D***** nicht oder doch zumindest ernstlich mit der - bei einer Gehaltskreditaufnahme in Betracht zu ziehenden - Möglichkeit gerechnet und sich damit abgefunden hat, daß durch seinen Tatbeitrag ein 25.000 S übersteigender Schaden bewirkt würde.

Diese Teilaufhebung des Ersturteils hat auch eine Kassierung des Strafausspruches zur Folge, sodaß dieser Angeklagte mit seiner Berufung auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen war.

Zur Berufung des Angeklagten E*****:

Das Schöffengericht verhängte über Karl E***** nach dem zweiten Strafsatz des § 148 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren.

Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen von verschiedenen Verbrechen mit Vergehen, die teilweise Wiederholung der strafbaren Handlungen sowie den hohen Schaden, als mildernd hingegen das umfassende Geständnis.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte E***** die Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe an; er ist damit im Ergebnis im Recht.

Es mag zutreffen, daß die bisherigen strafbaren Handlungen des Berufungswerbers - was das Ausmaß der dafür verhängten Strafe betrifft - eher dem unteren Bereich der Kriminalität zugerechnet werden können. Die verfahrensgegenständlichen Serienbetrügereien hingegen sind graduell als Schwerkriminalität zu beurteilen, wobei nicht unberücksichtigt bleiben kann, daß Karl E***** sie nach einer am 21.Oktober 1991 wegen §§ 146, 147 Abs 2 und 198 Abs 1 StPO erlittenen Verurteilung zu einer siebenmonatigen Freiheitsstrafe, deren Vollzug zum Teil auf Grund nachträglichen Aufschubs des Strafvollzuges gemäß § 133 StVG noch offen war, begangen hat, was einen zusätzlichen Erschwerungsgrund darstellt.

Es entspricht herrschender Rechtsprechung, daß die Wiederholung strafbarer Handlungen auch bei gewerbsmäßiger Tatbegehung einen Erschwerungsgrund darstellen können, weil Gewerbsmäßigkeit auch dann anzunehmen ist, wenn der Täter nur einmal straffällig wurde, allerdings in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung gleichartiger Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (EvBl 1995/104 uam). Nur dann, wenn die Annahme der Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit ausschließlich mit der wiederholten Delinquenz begründet wurde - was nach Lage des Falls nicht zutrifft - stellt die Wiederholung der strafbaren Handlungen im Hinblick auf den Grundsatz des Doppelverwertungsverbotes keinen gesonderten Erschwerungsgrund dar.

Aus dem vom Obersten Gerichtshof beigeschafften Akt 1 a U 15/94 des Strafbezirksgerichtes Wien ergibt sich, daß Karl E***** mit Urteil dieses Gerichtes vom 11.Jänner 1995, rechtskräftig seit 17.Jänner 1995, wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB (Schadensbetrag 15.000 S) zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Demnach hätte das Schöffengericht gemäß §§ 31, 40 StGB auf dieses - ohnehin aktenkundige (S 449/IV) - Urteil Bedacht nehmen und eine Zusatzstrafe verhängen müssen.

Dieses Versäumnis war vom Obersten Gerichtshof im Zuge der Erledigung der Berufung dieses Angeklagten nachzuholen.

Unter Abwägung des Grades des Verschuldens des Angeklagten E***** und des Unrechtsgehaltes der nunmehr zu beurteilenden Straftaten ist eine Zusatzstrafe in dem aus dem Spruch ersichtlichen Ausmaß tatschuldangemessen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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