Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Zusatzstrafe auf 18 (achtzehn) Jahre erhöht.
Der Angeklagte wird mit seiner Berufung darauf verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Petar S***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er am 7.Februar 1986 in Wien Eva H***** dadurch vorsätzlich getötet, daß er ihr mit einem Fixiermesser Stiche in den Hals und in die Brust versetzte, wodurch die Brust- und Bauchhöhle sowie die linke Halsschlagader und die Drosselblutader eröffnet wurden und die Genannte verblutete.
Die Geschworenen hatten die anklagekonform gestellte Hauptfrage nach Mord gemäß § 75 StGB (Z 1 des Fragenschemas) - einstimmig - bejaht. Demgemäß waren die außerdem vorgelegten Eventualfragen nach Totschlag gemäß § 76 StGB (Z 2) und absichtlicher schwerer Körperverletzung gemäß § 87 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB (Z 3) folgerichtig unbeantwortet geblieben.
Rechtliche Beurteilung
Mit seiner auf den Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde rügt der Angeklagte das Unterbleiben der Stellung einer (weiteren) Eventualfrage nach dem erfolgsqualifizierten Körperverletzungsdelikt des § 86 (iVm § 83) StGB, die seiner Einlassung zufolge indiziert gewesen wäre; dies indes zu Unrecht:
Nach der Vorschrift des § 314 StPO hat der Schwurgerichtshof zu prüfen, ob die (über den Rahmen abstrakt denkbarer Möglichkeiten oder bloßer Mutmaßungen hinausgehenden) in der Hauptverhandlung vorgebrachten und im Beweisverfahren hervorgekommenen Umstände geeignet sind, dem Sachverhalt, der den Gegenstand der Hauptfrage bildet, durch Wegfall oder Änderung einzelner Deliktsmerkmale eine andere (nicht einem strengeren Strafgesetz unterfallende) juristische Gestaltung zu geben; nur in einem solchen Fall ist eine Eventualfrage nach einem (milder zu ahndenden) Straftatbestand zu stellen. Zudem muß diese Fragestellung durch ein Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung - wozu freilich auch Verlesungen zählen - indiziert sein (Mayerhofer/Rieder StPO3 E 36, 51; Foregger/Kodek StPO6 Erl II, jeweils zu § 314).
In der Nichtigkeitsbeschwerde, die den angerufenen Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt zu bezeichnen hat, wird als einziger Hinweis dafür, daß die unterlassene Fragestellung indiziert gewesen sei, auf die Verantwortung des Angeklagten vor dem Untersuchungsrichter (S 421/II - in der Hauptverhandlung verlesen lt S 34/III) verwiesen. Diese Verantwortung beschränkt sich zur subjektiven Tatseite indes auf die Negierung eines Tötungsvorsatzes und enthält überhaupt kein Vorbringen zur Intensitätsstufe des Verletzungsvorsatzes.
Dazu kommt:
Der Verantwortung des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung zur subjektiven Tatseite in ihrem Sinnzusammenhang mit dem objektiven Tathergang lassen sich keine Anhaltspunkte für die Tatbegehung mit bloßem Verletzungs- und Mißhandlungsvorsatz (§ 83 Abs 1 oder 2 StGB) entnehmen, welcher (bei fahrlässiger Herbeiführung der Todesfolge) eine Beurteilung des Verhaltens des Angeklagten nach den milderen Bestimmungen des Verbrechens nach §§ 83 Abs 1 (oder Abs 2), 86 StGB zuließen.
Der Nichtigkeitswerber, der sich in der Hauptverhandlung schuldig bekannte, allerdings auch hier den Tötungsvorsatz bestritt, hat zwar angegeben, auf Eva H***** "aus Zorn" über die für ihn unerwartete Aufforderung, ihre Wohnung zu verlassen, mit dem (geöffneten) Fixiermesser von mindestens 11 cm Klingenlänge (vgl S 263/II) eingestochen zu haben, um sie zu "verletzen, daß (damit) sie sieht, daß mit mir (dem Angeklagten) nicht zum Spielen ist" (S 20/III). Eine Eventualfrage des begehrten Inhaltes war durch diese Einlassung aber nicht indiziert; vielmehr wurde diesem Vorbringen zur subjektiven Tatseite unter Berücksichtigung des letztlich nicht in Abrede gestellten äußeren Tatgeschehens (Zufügen mehrfacher, den Tod des Opfers unmittelbar herbeiführender tiefer Stichwunden in dessen für schwere Verletzungsfolgen erfahrungsgemäß besonders anfälligen) Hals- und Brustbereich durch ein Messer mit 11 cm langer Klinge durch die Eventualfrage in Richtung des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung (iS des § 87 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB) Rechnung getragen, weil das Versetze (heftiger) Stiche mit einer solchen Waffe gegen lebenswichtige Organe bergende Körperteile des Opfers keineswegs nahelegt, das Eingeständnis des Verletzungsvorhabens anders als im Sinne einer Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) zu interpretieren, dem Opfer eine schwere Körperverletzung zuzufügen (Mayerhofer/Rieder StGB4 § 87 E 6). Demnach lagen Verfahrensergebnisse nicht vor, welche die Annahme von (einfachem) Verletzungs- oder gar nur Mißhandlungsvorsatz indizierten; die Stellung der begehrten (eventuellen) Schuldfrage nach der Erfolgsqualifikation des § 86 StGB (richtig; iVm einem der Grundtatbestände des § 83 StGB ist daher zu Recht unterblieben.
Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten nach § 75 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf die Strafverfügungen des Strafbezirksgerichtes Wien vom 1.April 1986, AZ 14 U 2289/86, vom 18. August 1986, AZ 2 U 2318/86 und vom 30.Oktober 1990, AZ 14 U 2382/90 eine Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von fünfzehn Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend keinen Umstand, als mildernd hingegen das Tatsachengeständnis, den Umstand: "nur geringfügige Vorstrafe, daher noch ordentlicher Wandel" und eine "gewisse" Erregung zur Tatzeit.
Während der Angeklagte mit seiner Berufung eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe begehrt, weil die Tat schon neun Jahre zurückliege und die Milderungsgründe mehr zu gewichten wären, begehrt die Staatsanwaltschaft eine Erhöhung der Freiheitsstrafe, weil ihrer Ansicht nach die besondere Schwere der Tat und die besondere Brutalität des Angeklagten aus general- und spezialpräventiven Erwägungen eine Anhebung des Strafmaßes gebieten.
Nur die Berufung der Staatsanwaltschaft ist im Recht.
Entgegen der Meinung des Erstgerichtes läßt nach Lage des Falles eine Gesamtbetrachtung des aus der den Angeklagten betreffenden Strafregisterauskunft erhellenden Verhaltens die Annahme des Milderungsgrundes gemäß § 34 Z 2 StGB nicht zu. Eine ungetilgte Vorstrafe - wie hier - hindert nur dann die Annahme eines ordentlichen Lebenswandels nicht, wenn sie geringfügig ist, zB wegen einer den Umständen nach allgemein begreiflichen Verletzung einer Ordnungsvorschrift oder eines leichten Verkehrsdeliktes verhängt wurde (Kunst im WK § 34 Rz 11) Eine Verurteilung wegen Diebstahls - wie hier - beruht auf einem sozialwidrigen Verhalten (Kunst aaO Rz 13).
Dazu kommt, daß der Angeklagte mit Straferkenntnis des Strafbezirksgerichtes Wien vom 1.April 1986, 14 U 2289/86-2 (auf das gemäß §§ 31, 40 StGB Bedacht genommen wurde) wegen eines am 10. Oktober 1985 - also rund vier Monate vor der Mordtat verübten Körperverletzungsdeliktes verurteilt wurde, was vollends die Annahme eines zur Tatzeit ordentlichen Lebenswandels hindert.
Dem Angeklagten ist zwar zuzugeben, daß er die Mordtat vor mehr als neun Jahren verübte, er hat sich aber seit dieser Tatbegehung nicht wohlverhalten (siehe die weiteren zwei Verurteilungen, darunter eine wegen einer rund drei Monate nach der Tat verübten Körperverletzung, auf die gemäß §§ 31, 40 StGB Bedacht zu nehmen war) und kann daher auch den Milderungsgrund des § 34 Z 18 StGB für sich nicht in Anspruch nehmen.
Wenn auch - entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft - in der Art der Tatverübung nach Lage des Falles eine besondere Brutalität nicht erblickt werden kann, war im Hinblick auf die aufgezeigte unrichtige Annahme eines Milderungsgrundes im erstgerichtlichen Urteil und unter Berücksichtigung des Unrechtsgehaltes der Tat sowie der personalen Täterschuld die Strafe auf das aus dem Spruch ersichtliche Ausmaß zu erhöhen.
Der Angeklagte war mit seiner Berufung darauf zu verweisen.
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