OGH 6Ob540/95

OGH6Ob540/957.12.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Benjamin S*****, Kaufmann, ***** vertreten durch Dr.Daniel Charim, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B*****handelsgesmbH, ***** vertreten durch Dr.Franz Christian Sladek, Dr.Michael Meyenburg, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1,381.148 sA (Revisionsinteresse S 452.184), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 14.September 1994, AZ 49 R 63/94(ON 27), womit das Teilurteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 26.April 1994, GZ 7 C 317/93i-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die beklagte Partei ist Hauptmieterin des Geschäftslokales top Nr.9a im Haus M*****straße *****, der Kläger deren Untermieter.

Der Kläger begehrte (zuletzt) S 1,381.148 samt stufenweisen Zinsen. Diesen Betrag habe der Kläger gegenüber dem gesetzlich zulässigen Untermietzins im Zeitraum März 1980 bis Dezember 1990 irrtümlich zuviel gezahlt, er fordere ihn daher gemäß § 1431 ABGB zurück. Bei Abschluß des Untermietvertrages am 16.5.1978 sei ein Untermietzins von S 20.000 zuzüglich Umsatzsteuer wertgesichert vereinbart worden. Der Kläger habe versucht, eine Reduktion des Mietzinses zu erreichen und habe im Februar 1980 tatsächlich eine Reduktion auf S 13.500 zuzüglich Umsatzsteuer und eine Halbierung der Valorisierung erwirkt. In der Folge habe er, weil er diese Vereinbarung für zulässig erachtet habe, den überhöhten Untermietzins auch bezahlt. Er habe sich in einem Irrtum über die tatsächliche Gesetzeslage befunden. Da auf das Untermietverhältnis gemäß § 43 Abs 2 MRG weiterhin § 14 MG anzuwenden sei, hätte der zulässige Untermietzins den vom Hauptmieter zu entrichtenden gesetzlich zulässigen Mietzins nicht übersteigen dürfen. Der Kläger habe nicht gewußt, daß er den vereinbarten Betrag tatsächlich nicht geschuldet habe.

Die beklagte Partei wandte insbesondere Verjährung ein. Durch die Vereinbarung vom Februar 1980 habe der Kläger einerseits auf Rückforderungen verzichtet, andererseits zu diesem Zeitpunkt gewußt, daß es eine gesetzliche Bestimmung über die Zulässigkeit des Untermietzinses nur bis zur Höhe des Hauptmietzinses gebe und sich in Kenntnis dieser Gesetzeslage trotzdem zur Zahlung des - der Geschäftslage durchaus angemessenen - höheren Untermietzinses verpflichtet. Es liege daher keine irrtümliche Zahlung einer Nichtschuld vor. Dem Vergleich vom Februar 1980 sei nämlich eine Antragstellung des Klägers an die Schlichtungsstelle vorausgegangen, auszusprechen, daß das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten werde; der Antrag habe ausdrücklich auf § 14 MG hingewiesen und auch die genaue Berechnung des Überschreitungsbetrages enthalten.

Das Erstgericht fällte hinsichtlich des Rückforderungszeitraumes Jänner 1984 bis Dezember 1987, über welchen der gesetzlich zulässige Untermietzins bereits zu 47 Msch 34/89 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien rechtskräftig festgestellt ist, ein Teilurteil und verpflichtete die beklagte Partei zur Rückzahlung von S 452.184. Es traf folgende Feststellungen:

Die beklagte Partei schloß mit dem Hauseigentümer des Hauses M*****straße ***** einen Mietvertrag über das Gassengeschäftslokal samt Nebenraum top Nr.9a. Vereinbart war ein Hauptmietzins von S

2.500 zuzüglich Umsatzsteuer und Betriebskosten. Sie verwendete das Lokal als Juweliergeschäft. Im Jahr 1978 schloß sie mit dem Kläger einen Untermietvertrag über dieses Objekt. Der monatliche Nettomietzins wurde mit 20.000 S wertgesichert vereinbart, wobei eine Vorauszahlung von jeweils sechs Monatsmieten zu leisten war. Da der Kläger nach Geschäftsbeginn - er führte ein Schallplattengeschäft - finanzielle Probleme hatte, wollte er ein Entgegenkommen der beklagten Partei erreichen. Da diese nicht gesprächsbereit war, wandte er sich an Rechtsanwalt Dr.Z*****, der ihm mitteilte, es könne eine Herabsetzung des Untermietzinses im Wege eines Schlichtungsstellenverfahrens versucht werden. Konkrete Erklärungen über die damalige Gesetzeslage zur Untermietzinshöhe gab Dr.Z***** nicht. Am 19.11.1979 brachte der Anwalt in Vertretung des Klägers einen Antrag auf Feststellung, daß das gesetzlich zulässige Zinsausmaß durch den vorgeschriebenen Nettomietzins von S 20.000 überschritten sei, ein und führte im Schriftsatz aus, die getroffene Vereinbarung verstoße gegen § 14 MG, weil bei einer gänzlichen Untervermietung der Hauptmieter nur jenen Betrag verlangen könne, den er selbst an den Hauseigentümer zahle.

Im Februar 1980 kam es ohne Beisein des Vertreters des Klägers zu einer Besprechung mit der beklagten Partei. Der Kläger versuchte, ohne Einschaltung von Anwalt und Schlichtungsstelle eine Herabsetzung des Untermietzinses zu erreichen. Die beklagte Partei war bereit, den Untermietzins auf S 13.500 zu reduzieren und die vereinbarte Valorisierung zu halbieren. Damit war der Kläger einverstanden und zahlte ab 1.Juli 1980 die vereinbarten Beträge. Beim Abschluß des Vergleiches war der Kläger der Meinung, eine günstige Vereinbarung getroffen zu haben, es war ihm nicht bekannt, daß er als Untermieter nach § 14 MG nur jenen Mietzins zu zahlen hätte, den der Hauptmieter zahlt. Über Verständigung des Klägers zog sein Anwalt den Antrag bei der Schlichtungsstelle zurück, ohne dem Kläger mitzuteilen, daß die Entscheidung der Schlichtungsstelle für ihn wesentlich günstiger hätte ausgehen können. Beide Parteien fühlten sich an die neue Vereinbarunng gebunden und der Kläger hatte zunächst nicht die Absicht, den neu vereinbarten Mietzins herabsetzen zu lassen. Nachdem die beklagte Partei durch Eröffnung eines Fotogeschäftes mit Diskontschallplattenabteilung in unmittelbarer Nähe des Klägers diesem Konkurrenz machte und sich das Schallplattengeschäft des Klägers verschlechterte, suchte er seinen nunmehrigen Rechtsvertreter auf, der erklärte, einen neuen Versuch zur Senkung des Untermietzinses zu unternehmen. Der Anwalt brachte bei der Schlichtungsstelle einen auf § 26 MRG gestützten Antrag auf Überprüfung des Untermietzinses mit dem Vorbringen ein, dieser übersteige den Hauptmietzins unverhältnismäßig. Erst durch die Entscheidung der Rechtsmittelinstanz in diesem Verfahren vom 18.4.1989 erlangte der Kläger davon Kenntnis, daß nach dem auf das Bestandverhältnis anzuwendenden § 14 MG der Untermietzins nur die Höhe des Hauptmietzinses betragen dürfe. Die Höhe des Hauptmietzinses war dem Kläger bereits bei Abschluß der Vereinbarung vom Februar 1980 bekannt, da ihm der Hauseigentümer den Hauptmietvertrag über Verlangen gegeben hatte, die Höhe der Betriebskosten kannte er nicht.

Mit Sachbeschluß vom 8.11.1991 stellte das Bezirksgericht Innere Stadt Wien fest, daß das gesetzlich zulässige Zinsausmaß übrschritten sei und stellte die zulässige Höhe für die Jahre 1984 bis 1987 fest. Diese Entscheidung wurde durch das Rekursgericht bestätigt, der Beschluß über die Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses durch den Obersten Gerichtshof wurde dem Klagevertreter am 9.11.1992 zugestellt. Die Leistungsklage, mit welcher die Überschreitungsbeträge zurückgefordert wurden, langte am 19.2.1993 bei Gericht ein.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, auf das Untermietverhältnis zwischen den Streitteilen seien nach § 43 Abs 2 MRG noch die Bestimmungen des Mietengesetzes weiter anzuwenden. Die Verjährungsfrist für die Rückforderung von Leistungen aus ungültigen Vereinbarungen über die Mietzinshöhe betrage nach § 17 Abs 2 MG drei Monate. Allerdings bestehe die Möglichkeit, den Rückforderungsanspruch aus vor dem 1.1.1982 geschlossenen Mietverträgen auch auf § 1431 ABGB zu stützen. Der Kläger habe anläßlich seiner Zahlungen im Zeitraum 1.1.1984 bis 31.12.1987 von der geltenden Gesetzeslage keine Kenntnis gehabt und überhöhte Zahlungen geleistet, weil er sich an die Vereinbarung vom Februar 1980 gebunden gefühlt habe. Sein Irrtum berechtige ihn zur Rückforderung nach § 1431 ABGB.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Klagebegehren im Umfang des Teilurteiles ab.

Es führte aus, zwar würden der Beweisrüge der Berufung durchaus gewichtige Gründe gegen die Feststellungen des Erstgerichtes über die mangelnde Kenntnis der Gesetzeslage zum Zeitpunkt der Rechtsvertretung des Klägers durch Dr.Z***** und der damals erfolgten ersten Antragstellung bei der Schlichtungsstelle geltend gemacht, auf diese müsse aber nicht eingegangen werden, weil selbst ausgehend von den - teilweise bekämpften - Feststellungen des Erstgerichtes ein Irrtum des Klägers im Sinne des § 1431 ABGB nicht vorliege. Feststehe jedenfalls, daß der damalige Rechtsvertreter des Klägers am 19.11.1979 einen Antrag bei der Schlichtungsstelle eingebracht habe, in welchem ausdrücklich angeführt sei, daß die Untermietzinsvereinbarung gegen § 14 MG verstoße, weil bei gänzlicher Untervermietung der Hauptmieter nur jenen Betrag verlangen könne, den er selbst an die Hausinhabung zahle. Ob der Kläger bei Abschluß der Vereinbarung im Februar 1980 über die für das Untermietverhältnis anwendbare Regel des § 14 MG gänzlich informiert gewesen sei, könne dahingestellt bleiben, weil diese jedenfalls dem Rechtsvertreter des Klägers bekanntgewesen sei. Dieses Wissen seines Vertreters müsse sich der Vertretene, also der Kläger, zurechnen lassen. Es sei daher davon auszugehen, daß der Kläger in zurechenbarer Kenntnis der Gesetzeslage den außergerichtlichen Vergleich geschlossen habe. Damit sei aber ein Rückforderungsanspruch mangels eines Irrtums im Sinne des § 1431 ABGB ausgeschlossen.

Nach § 17 Abs 2 MG sei der Anspruch aber verjährt. Zwar sei die Verjährung dieses Rückforderungsanspruches gehemmt, solange bei Gericht oder der Gemeinde ein Verfahren über die Höhe des Mietzinses anhängig sei, das Verfahren 47 Msch 34/89 sei durch die Zurückweisung des ao Revisionsrekurses der beklagten Partei endgültig beendet, die Klage aber erst nach Ablauf der dreimonatigen Verjährungsfrist, gerechnet ab Zustellung der Entscheidung, eingebracht worden.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der Frage fehle, ob die Kenntnis des Rechtsvertreters dem Vertretenen bei Beurteilung, ob ein Irrtum im Sinne des § 1431 ABGB vorliege, zuzurechnen sei und ob die Kenntnis der Unzulässigkeit der Mietzinshöhe bei Abschluß einer Vereinbarung über die Mietzinshöhe § 1431 ABGB unanwendbar mache.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Gemäß § 43 Abs 2 MRG sind auf das gegenständliche Untermietverhältnis sowohl hinsichtlich der Höhe des Mietzinses als auch für die Rückforderungsansprüche noch die Bestimmungen des MG weiter anzuwenden. Es entsprach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß neben den - als unbillig empfundenen kurzen - Verjährungsfristen des § 17 Abs 2 MG Rückforderungsansprüche bei Vorliegen der Voraussetzungen auch auf § 1431 ABGB gestützt werden konnten. Erst mit Inkrafttreten des MRG wurde, im vorliegenden Fall allerdings nicht anwendbar, in § 27 Abs 3 ein einheitlicher, alle anderen Kondiktionsansprüche ausschließender Rückforderungsanspruch mit einer einheitlichen Verjährungsfrist von drei Jahren geschaffen.

Voraussetzung für die Rückforderung einer rechtsgrundlosen Leistung ist nach § 1431 ABGB ein Irrtum, auch ein Rechtsirrtum, des Leistenden, wobei ein Verschulden, daß ihm ein Irrtum unterlaufen ist, belanglos ist und nicht zum Entfall des Rückforderungsrechtes führt. Nur die wissentliche Zahlung einer Nichtschuld schließt die Rückforderung aus (§ 1432 ABGB).

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes kann dem Kläger die Kenntnis seines Vertreters von der tatsächlichen Rechtslage nicht zugerechnet werden. Hätte dieser im Vollmachtsnamen des Klägers die Vereinbarung vom Februar 1980 über die Reduktion des Untermietzinses auf ein gesetzlich noch immer nicht zulässiges Ausmaß geschlossen, müßte der Kläger sich die Kenntnis seines Vertreters zurechnen lassen und könnte sich nicht darauf berufen, er selbst habe sich in einem Rechtsirrtum befunden. Im vorliegenden Fall hat aber der Kläger selbst, ohne Beiziehung seines Anwaltes und nach den bisherigen Feststellungen auch ohne von diesem über die Rechtslage aufgeklärt worden zu sein, eine den zwingenden Bestimmungen des Mietengesetzes über die Mietzinshöhe widersprechende Vereinbarung getroffen. Sein Vertreter aber hat lediglich in seinem Auftrag einen Antrag an die Schlichtungsstelle verfaßt, war aber in die Vertragsverhandlungen nicht eingebunden. Nur die Kenntnis des Klägers selbst über den gesetzlich zulässigen Mietzins (den Hauptmietvertrag hatte er von der beklagten Partei erhalten) etwa, weil er von seinem Anwalt, den er ja zu diesem Zweck aufgesucht hatte, darüber aufgeklärt wurde, dessen Schriftsatz an die Schlichtungsstelle, welcher auch eine Berechnung des Überschreitungsbetrages enthielt, erhalten und gelesen, sich aber aus anderen Gründen bereit gefunden hätte, trotzdem einen von den zwingenden Bestimmungen des MG abweichenden Vergleich zu schließen, könnte einen Irrtum ausschließen und die wissentliche Zahlung einer Nichtschuld begründen.

Da die beklagte Partei eine umfangreiche, vom Berufungsgericht als gewichtig angesehene Beweisrüge erhoben hat, die bisher, wegen der abweichenden Rechtsmeinung noch nicht erledigt wurde, ist die Rechtssache noch nicht spruchreif und sie war zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Ausspruch über den Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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