OGH 9ObA164/95

OGH9ObA164/956.12.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Oskar Harter und Dipl.Ing.Raimund Tschulik als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing.Frank W*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Herwig Kubac und andere, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien

1. EDV-Software***** KG, ***** 2. EDV-Software***** Gesellschaft mbH, ebendort, beide vertreten durch Dr.Robert Palka, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 166.538,40 brutto und S 1.191,54 netto sA sowie Ausstellung eines Dienstzeugnisses (Streitwert S 2.000,-), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17.Mai 1995, GZ 7 Ra 31/95-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Teil-Zwischenurteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 17.November 1994, GZ 10 Cga 27/94a-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Arbeitsrechtssache an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt restliche Entgelte sowie Reisekosten und die Ausstellung eines Dienstzeugnisses sowie unter der Behauptung, ungerechtfertigt entlassen worden zu sein, Kündigungsentschädigung von S 166.538,40 brutto und S 1.191,54 netto.

Die Beklagten bestritten das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und beantragten die Abweisung desselben. Der Kläger habe jede Zusammenarbeit mit seinem Dienstvorgesetzten verweigert und die ihm erteilten dienstrechtlichen Anweisungen negiert.

Das Erstgericht stellte mit Teil-Zwischenurteil fest, daß der Anspruch des Klägers auf Kündigungsentschädigung vom 20.1.1994 bis 31.3.1994 dem Grunde nach nicht zu Recht bestehe. Es traf folgende Feststellungen:

Der Kläger ist gelernter Bautechniker. Als Angestellter hatte er im Außendienst Kunden zu akquirieren. Während zunächst der Geschäftsführer unmittelbarer Vorgesetzter des Klägers war, wurde am 16.12.1993 neben anderen Maßnahmen insofern eine Organisationsänderung vorgenommen, als nunmehr der Kontroller K***** unmittelbarer Vorgesetzter des Klägers wurde. K***** führte mit 1.1.1994 wöchentliche Verkaufsgespräche mit seinen Mitarbeitern, darunter auch dem Kläger, ein. Alle wurden instruiert, daß die Besprechung jeweils am Montag um 10,00 Uhr stattfinde, sich alle einzufinden hätten, um einerseits über die vergangene Woche zu berichten, andererseits ihre Ideen für die nächste Woche oder die Zukunft offenzulegen. Beim ersten Gespräch am 10.1., bei dem auch der Kläger zugegen war, bat K***** alle Mitarbeiter, ihm jeweils bei diesem Gespräch einen Auszug des Kalenders aus dem Computer für die nächste Woche zu übergeben. Kalender und Termine werden von jedem Mitarbeiter mittels EDV geführt. K***** bat um den Ausdruck und darum, daß der Kalender mitgebracht werde. Der Kläger äußerte sich dahin, er mache das nicht, das wäre ihm viel zu aufwendig und zu bürokratisch. K***** beharrte aber darauf. Am 17.1. kam es wieder zu einer Besprechung. Während die anderen Mitarbeiter K***** ihre Kalenderausdrucke übergaben, war der Kläger diesem Auftrag nicht nachgekommen. Über Ersuchen K*****, der Kläger möge ihm den Auszug bringen, äußerte der Kläger, er finde das unnötig, worauf sich K***** selbst den Auszug des Klägers besorgte. Für den 21.1. hatte der Kläger mit einem Verkaufsleiter von I***** und dem Geschäftsführer der Firma B***** in Salzburg einen Gesprächstermin bei I***** in Wien vereinbart. Für diesen Tag hatte I***** aber zu einem Startgespräch die Geschäftsführung eingeladen und um persönliche Teilnahme gebeten. Für die Verkaufsmitarbeiter war ein eigenes, späteres Zusammenkommen ins Auge gefaßt. Das Treffen vom 21.1. war allein der Geschäftsführerebene vorbehalten. Der Geschäftsführer der Beklagten bat K*****, er möge dem Kläger zur Kenntnis bringen, daß er seinen vereinbarten Gesprächstermin für den 21.1. absagen müsse. Der Kläger äußerte sich nach Erhalt dieser Mitteilung dahin, daß er das nicht verstehe und daß er trotzdem hingehen werde. Nach Vorhalt, daß dies dem Wunsch des Geschäftsführers entspreche, äußerte der Kläger, sich über K***** zu beschweren und er werde trotzdem zu IBM gehen, es sei ihm egal. K***** schilderte dem Geschäftsführer den Sachverhalt, worauf dieser ihn bat, den Kläger aufzusuchen und ihn nochmals aufzufordern, den Termin abzusagen und ihn, falls er sich abermals weigere, zu entlassen. K***** brachte dem Kläger daraufhin abermals zur Kenntnis, daß nach Rücksprache mit dem Geschäftsführer es dabei bleibe, daß der Kläger den Termin abzusagen habe und daß der Kläger an diesem Termin nicht gewünscht sei. Der Kläger stellte sich dann gegenüber K***** auf den Standpunkt, daß er trotzdem gehe. Es sei sicher, daß er gehe. Daraufhin wurde der Kläger entlassen.

In rechtlicher Hinsicht habe der Kläger seinem Dienstvorgesetzten bereits dadurch Widerstand entgegengesetzt, als er sich weigerte, den Kalender für die folgende Woche vorzulegen. Der Weisung, am 21.1. I*****nicht aufzusuchen, habe sich der Kläger beharrlich widersetzt, so daß er gerechtfertigt entlassen worden sei. Aus diesem Verhalten des Klägers sei Vertrauensunwürdigkeit abzuleiten.

Das Gericht der zweiten Instanz übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes aufgrund einer unbedenklichen Beweiswürdigung, gab aber der Berufung des Klägers Folge und änderte das Teil-Zwischenurteil dahin ab, daß es den Anspruch des Klägers auf Kündigungsentschädigung dem Grunde nach als zu Recht bestehend ansah.

Es sei zu berücksichtigen, daß der um neun Jahre jüngere K***** dem Kläger nach einer Organisationsänderung vorgesetzt wurde und dem Geschäftsführer bewußt sein mußte, daß dies für den Kläger eine beruflich sowie seelisch schwer zu verkraftende Lage darstelle, die zu Konflikten führen könne. Auch wenn der Kläger verpflichtet gewesen wäre, der Weisung, den Termin 21.1.1994 bei I***** Wien abzusagen, nachzukommen, sei sein Verhalten keineswegs so schwerwiegend, daß nach objektiver Beurteilung eine weitere Zusammenarbeit für die Zeit der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden könne. Es sei zu beachten, daß der Kläger sich offenbar bis zur Organiationsänderung ab 1.1.1994 im Dienst tadellos verhalten habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Parteien aus dem Revisionsgrunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles abzuändern.

Die klagende Partei stellt den Antrag, der Revision der beklagten Parteien nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Nicht der Entlassungsgrund des § 27 Z 1 AngG dritter Tatbestand (Vertrauensunwürdigkeit) ist zu prüfen, sondern ob der Kläger sich beharrlich weigerte, sich den durch den Gegenstand der Dienstleistung gerechtfertigten Anordnungen des Dienstgebers zu fügen (§ 27 Z 4 AngG zweiter Tatbestand).

Einen im Außendienste tätigen Angestellten zu ersuchen, einen Terminkalenderauszug aus dem Computer für die jeweils nächste Woche dem Dienstvorgesetzten auszudrucken, zur Wochenbesprechung mitzubringen und seinen Kalender vorzulegen, ist eine durch den Gegenstand der Dienstleistung gerechtfertigte Weisung. Gleiches gilt aber auch für die ausdrückliche und klare auf dem Direktionsrecht des Arbeitgebers beruhende Weisung, einen bestimmten schon vereinbarten Gesprächstermin mit Kunden abzusagen, und zwar selbst dann, wenn der Kläger sonst in der Termingestaltung frei war.

Soweit der Kläger am 10.1.1994 erklärte, daß er das nicht mache (Übergabe des Terminkalenderausdruckes), das wäre ihm viel zu aufwendig und zu bürokratisch und auch tatsächlich am 17.1.1994 diesem Auftrag nicht nachgekommen war und neuerlich zum Ausdruck brachte, "er finde das unnötig", ergibt sich schon daraus die beharrliche auf die Verweigerung der Befolgung gerechtfertigter Anordnungen des Dienstgebers gerichtete Willenshaltung des Klägers.

Auch die am 19.1.1994 erklärte Weigerung, den für 21.1.1994 von ihm vereinbarten Gesprächstermin abzusagen, "er verstehe das nicht und er werde trotzdem hingehen", die Wiederholung dieser Weigerung nach Vorhalt, daß die Absage dem Willen der Geschäftsleitung entspreche - "er werde trotzdem hingehen, es sei ihm egal" - sowie sein nachhaltiges Bestehen auf seiner widersetzlichen Haltung trotz einer die Anordnung bestätigenden Rücksprache seines Vorgesetzten mit dem Geschäftsführer ("daß er trotzdem gehe"), zeigt die Nachhaltigkeit, Unnachgiebigkeit und Hartnäckigkeit der die Autorität des Dienstgebers untergrabenden Willenshaltung des Klägers, sich gerechtfertigten und aus dem Direktionsrecht des Dienstgebers abgeleiteten Anordnungen nicht fügen zu wollen (Kuderna, Entlassungsrecht2 115 mwN).

Da dem Kläger im vorliegenden Fall wiederholt die leicht verständliche Anordnung des Dienstgebers, den dienstlichen Gesprächstermin abzusagen, zur Kenntnis gebracht worden war, der Kläger bereits bei einer anderen Gelegenheit und nun wieder eindeutig und beharrlich zu erkennen gegeben hat, daß er nicht gewillt sei, sich gerechtfertigten Anordnungen des Dienstgebers zu unterwerfen, kann an der Nachhaltigkeit seiner Willenshaltung und der Endgültigkeit seines Entschlusses und an der besonders schwerwiegenden Widersetzlichkeit kein Zweifel bestehen (Arb 9691). In diesem Fall kann von einer bloßen Ankündigung der Nichtbefolgung einer ihm erteilten Weisung, die mangels Beharrlichkeit nicht tatbestandsmäßig wäre (Kuderna aaO, 115 mwN; Arb 9691; 9 Ob A 47/95), keine Rede sein. Die wiederholte ungerechtfertigte Weigerung, eine Anordnung des Dienstgebers zu befolgen, ist nämlich bereits die Dienstpflichtverletzung, ohne daß noch abgewartet werden müßte, ob der Dienstnehmer dann in der Folge den Gesprächstermin tatsächlich einhält.

Ob der erst anläßlich einer Organisationsänderung dem Kläger vorgesetzte Kontroller K***** jünger als der Kläger war und ob, wie das Berufungsgericht vermeint, dies für den Kläger eine beruflich sowie seelisch schwer zu verkraftende Lage begründete, vermag an der Intensität der Dienstpflichtverletzung des Klägers nichts ändern.

Das Ersturteil kann aber deshalb nicht wiederhergestellt werden, weil kein Zwischenurteil zu fällen ist, soweit ein Anspruch als dem Grunde nach nicht zu Recht bestehend erkannt wird. Das diesbezügliche Klagebegehren ist abzuweisen (Rechberger ZPO Rz 6 zu § 393; SZ 52/73). Eine Abweisung des Begehrens auf Kündigungsentschädigung vom 20.1.1994 bis 31.3.1994 ist aber noch nicht möglich, weil es an der erforderlichen Konkretisierung des Vorbringens, welcher Teil des Begehrens entlassungsabhängige Ansprüche betrifft, fehlt.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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