OGH 13Os145/95(13Os146/95)

OGH13Os145/95(13Os146/95)6.12.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.Dezember 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Bodner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Daniel K***** wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 17.Juli 1995, GZ 20 i Vr 4136/95-30, und die Beschwerde (§§ 494 a Abs 4, 498 Abs 3 StPO) des Angeklagten nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Weiss, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Lampelmayer, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen und der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auf dem einstimmigen Wahrspruch der Geschworenen beruhenden) Urteil wurde Daniel K***** des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt, weil er am 1.April 1995 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz einem Tankwart mit einem ca 30 cm langen Küchenmesser einen Schlag auf den Hinterkopf versetzte, um solcherart mit Gewalt unter Verwendung einer Waffe Bargeld aus dem offenstehenden Tresor der Tankstelle nehmen zu können.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit (formell lediglich) auf § 345 Abs 1 Z 6 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde; indes zu Unrecht.

Die Fragestellungsrüge moniert, der Schwurgerichtshof habe es unterlassen, die Hauptfrage in Richtung des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB in eine lediglich auf den Grundtatbestand des § 142 StGB gerichtete und in eine Zusatzfrage nach der Waffenqualifikation gemäß § 143 StGB zu teilen. Ferner bemängelt die Beschwerde, daß den Geschworenen keine Zusatzfrage nach Rücktritt vom Versuch gestellt worden sei, die nach der Verantwortung des Angeklagten indiziert gewesen wäre.

Der Schwurgerichtshof hat die darauf gerichteten Anträge der Verteidigung in der Hauptverhandlung zu Recht als unbegründet abgewiesen (S 241). Die Aufnahme der Qualifikation unter Verwendung einer Waffe nach § 143 zweiter Fall StGB in die Hauptfrage wegen Raubes nach § 142 Abs 1 StGB verstößt weder gegen § 312 Abs 1 StPO noch gegen § 316 StPO, weil es gemäß § 317 Abs 2 StPO der Beurteilung des Schwurgerichtshofes unterliegt, ob ein strafsatzändernder Umstand in die Hauptfrage aufgenommen oder zum Gegenstand einer besonderen (Zusatz-)Frage gemacht wird. Seiner Verpflichtung, die Geschworenen auf die ihnen durch § 330 Abs 2 StPO eingeräumte Möglichkeit der Bejahung der Hauptfrage mit der Einschränkung hinzuweisen, daß die angeführten Qualifikationsmerkmale nicht vorliegen, ist der Schwurgerichtshof durch ausdrücklichen Hinweis darauf in der allgemeinen Rechtsbelehrung für die Geschworenen nachgekommen (Punkt 3 b).

Die dazu in der Beschwerde des weiteren vertretene Ansicht, ein Raub werde nur dann unter Verwendung einer Waffe im Sinn des § 143 zweiter Fall StGB verübt, wenn eine zumindest umgangssprachlich als Waffe zu qualifizierende Sache auch bestimmungsgemäß im Sinne ihrer spezifischen Funktionsweise verwendet werde, ist unzutreffend. Die in der den Geschworenen erteilten Belehrung enthaltene Rechtsansicht, daß unter Waffen alle Gegenstände zu verstehen sind, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen durch unmittelbare Einwirkung zu beseitigen oder herabzusetzen, sowie daß eine Waffe dann beim Raub verwendet wird, wenn sie bei der Gewaltausübung gegen eine Person oder bei der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zum Einsatz gelangt (Rechtsbelehrung S 11 und 12) folgt der herrschenden Lehre und Rechtsprechung (Leukauf-Steininger Komm3 § 143 RN 6 ff) und ist damit auch richtig im Sinne des § 345 Abs 1 Z 8 StPO (Mayerhofer-Rieder, StPO4, § 345 Z 8 E 37). Für die Annahme der Qualifikation ist es, worauf im übrigen die Rechtsbelehrung durch Anführung zahlreicher Beispiele desgleichen zutreffend hinweist, nicht erforderlich, daß ein (dem Waffenbegriff unterfallendes) 30 cm langes Küchenmesser auch tatsächlich als Hieb-, Stich-, Stoß- oder Schneidwerkzeug zum Einsatz gelangt; genug daran, daß der Angeklagte dem Opfer mit diesem Messer einen Schlag gegen den Hinterkopf versetzte und es damit als Waffe zur Ausschaltung erwarteten Widerstandes einsetzte. Die diesbezüglichen Beschwerungsausführungen verfehlen damit sowohl unter dem Aspekt einer Rüge der Rechtsbelehrung (Z 8) als auch eines Subsumtionsirrtums (Z 12) ihr Ziel.

Ebenso erübrigte sich eine Frage nach dem Strafaufhebungsgrund des freiwilligen Rücktritts vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB). Gemäß § 313 StPO sind Zusatzfragen nach Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründen zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, die, werden sie als erwiesen angenommen, die Strafbarkeit ausschließen oder aufheben.

Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung im Sinne der Anklage schuldig bekannt (S 224). Tatplan und Tatablauf schilderte er derart, daß er ohne den wesensmäßigen Gebrauch des Messers und eine Verletzung seines Opfers in Erwägung zu ziehen, in einem ihm günstig scheinenden Augenblick den Tankwart in der Erwartung von hinten mit dem Messer einen Schlag gegen den Kopf versetzte, ihn für kurze Zeit auszuschalten und das im Tresor befindliche Geld wegzunehmen. Als das Opfer nach dem Schlag aber aufschrie, aufstand und sich umzudrehen anschickte, der Angeklagte somit erkannte, daß der Schlag nicht die erwartete Wirkung hatte, sei er geflüchtet (S 228, 229).

Diese Aussage weist entgegen den Beschwerdeausführungen nicht darauf hin, er hätte die Tatausführung möglicherweise freiwillig aufgegeben. Die Verantwortung des Angeklagten schildert vielmehr einen mißlungenen Versuch, bei dem jedoch strafaufhebender Rücktritt nicht in Betracht kommt (SSt 54/48). Dies gilt auch, wenn der Täter nach einem Fehlschlag von weiteren Angriffen absieht, weil Freiwilligkeit nicht erst auszuschließen ist, wenn er erkennt, daß er den Erfolg überhaupt nicht mehr herbeiführen kann, sondern schon dann, wenn er sich nach Mißlingen des ursprünglichen Tatplans zu einem neuen Unternehmen, fallbezogen möglicherweise unter Verletzung seines Opfers, entschließen müßte (Foregger-Serini, StGB5, Erl II letzter Absatz, III zu § 16).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verurteilte den Angeklagten (unter Anrechnung der Vorhaften) nach § 143 StGB zu fünf Jahren Freiheitsstrafe und wertete dabei als erschwerend die Verletzung des Opfers, den raschen Rückfall und drei einschlägige Vorstrafen, als mildernd hingegen sein umfassendes und reumütiges Geständnis, den Tatversuch, das Alter des Angeklagten zur Tatzeit unter 21 Jahren und den Umstand, daß er sich noch im Zustand "problematischer Reife" befand.

Zugleich wurden mit Beschluß die in den Verfahren zu 3 aE Vr 900/91 und 3 aE Vr 515/94 des Jugendgerichtshofes Wien gewährten bedingten Nachsichten von Freiheitsstrafen im Ausmaß von zehn und sechs Monaten widerrufen.

Die Staatsanwaltschaft wendet sich gegen den Strafausspruch des Geschworenengerichtes mit Berufung und beantragt Straferhöhung, der Angeklagte strebt mit Berufung Strafherabsetzung unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung an und bekämpft den Widerrufsbeschluß mit Beschwerde.

Auch die Berufungen und die Beschwerde sind nicht im Recht.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft ist zwar zuzugestehen, daß das Verfahren keine Hinweise dafür erbrachte, dem Angeklagten könnte aus Gründen einer Reifungsstörung über den Milderungsgrund des Alters von unter 21 Jahren zur Tatzeit noch eine Verminderung der Zurechnungsfähigkeit zugute gehalten werden. Im Hinblick auf den zugleich erfolgten Widerruf von Freiheitsstrafen ist bei besonderer Bedachtnahme auf die Wirksamkeit vor allem der Milderungsgründe des Geständnisses und des Versuchsstadiums der Tat die über den Angeklagten verhängte Mindeststrafe nach Lage des konkreten Falles von noch ausreichend abhaltender Wirkung.

Auch die Berufung des Angeklagten kann nicht zum Ziel führen. Die darin für ihn reklamierten weiteren Milderungsgründe liegen nicht vor. Größerer Schaden durch die Tat des Angeklagten ist deswegen nicht eingetreten, weil sie beim Versuch blieb, was vom Geschworenengericht ausreichend berücksichtigt wurde. Verlockende Gelegenheit und Unbesonnenheit des Täters liegen im Hinblick auf seine eigene Verantwortung über die Tatplanung nicht vor, weswegen kein Grund für die Unterschreitung der anzuwendenden Strafgrenze vorlag.

Gerade in Anbetracht der mehrfachen, einschlägigen und für das Alter des Angeklagten massiven Vorverurteilungen, ist zusätzlich zur im vorliegenden Fall verhängten Strafe der Widerruf der im angefochtenen Beschluß bezeichneten bedingten Strafnachsichten und der Vollzug der diesen zugrundeliegenden Strafen geboten, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, weswegen auch die dagegen erhobene Beschwerde erfolglos bleiben mußte.

Stichworte