Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie wie folgt zu lauten haben:
"Mag.Kurt W*****, geboren *****, ist als Vater der mj. Tatjana W***** und der mj. Teresa W***** schuldig, für deren Unterhalt - zusätzlich zu der ihm mit Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 30.11.1993, GZ 19 P 227/91-66, auferlegten Unterhaltsverpflichtung von monatlich S 4.000,-- je Kind, ab 1.8.1994 bis auf weiteres, längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit der Kinder, einen weiteren monatlichen Betrag von S 500,-- je Kind, zusammen daher einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 4.500,-- je Kind, zu Handen der Mutter Ursula W*****, geboren *****, zu zahlen."
Text
Begründung
Im Scheidungsvergleich vom 3.10.1991, 19 C 47/91f, des Bezirksgerichtes Donaustadt wurde festgelegt, daß die Obsorge für beide Kinder der Mutter allein zusteht; die Kinder werden im Haushalt der mütterlichen Großeltern versorgt.
Mit Beschluß vom 30.11.1993, ON 66, wurde der vom Vater zu leistende Unterhalt ab 1.1.1993 antragsgemäß auf monatlich S 4.000,-- je Kind erhöht. Das monatliche Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters wurde mit S 26.828,-- festgstellt.
Am 22.8.1994 beantragte die mütterliche Großmutter, den Vater ab 1.8.1994 zu einem monatlichen Unterhalt von S 4.500,-- je Kind zu verpflichten. Die Kinder hätten das 10. Lebensjahr vollendet. Die Mutter trat dem Antrag als gesetzliche Vertreterin der Kinder bei.
Das Erstgericht wies den Erhöhungsantrag ab.
Seit der letzten Erhöhung habe sich das Einkommen des Vaters nur auf durchschnittlich S 27.822,-- netto erhöht. Der Alterssprung allein führe nicht automatisch zu einem höheren Unterhalt.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter nicht Folge und bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes; den Rekurs der mütterlichen Großmutter wies es zurück. Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Die mütterliche Großmutter sei nicht rekurslegitimiert, weil die Obsorge allein der Mutter zustehe. Eine Unterhaltsverpflichtung könne nur geändert werden, wenn sich die Verhältnisse wesentlich änderten. Die Vollendung des 10. Lebensjahres allein sei noch keine wesentliche Änderung der Verhältnisse. Der - den Lebensverhältnissen des Vaters entsprechende - monatliche Unterhalt von je S 4.000,-- reiche nach wie vor aus, um die Bedürfnisse der Kinder zu decken.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Minderjährigen ist zulässig und berechtigt.
Die Minderjährigen machen geltend, daß das wahre Einkommen ihres Vaters erst im Verfahren über den Unterhaltserhöhungsantrag hervorgekommen sei. Im Antrag seien die Minderjährigen noch davon ausgegangen, daß ihr Vater durchschnittlich S 22.000,-- monatlich verdiene. Mit ihrem Antrag, den Unterhalt mit monatlich S 4.000,-- festzusetzen, hätten die Minderjährigen nicht auf den ihnen zustehenden Mehrbetrag verzichtet. Auch die Verhältnisse hätten sich wesentlich geändert; mit Vollendung des 10. Lebensjahres werde regelmäßig die Schule gewechselt. Mit dem Schulwechsel seien höhere Aufwendungen verbunden; der Vater habe das Gegenteil weder behauptet noch bewiesen.
Auch die im Außerstreitverfahren ergangenen Beschlüsse sind der formellen und materiellen Rechtskraft fähig (§ 18 AußStrG; SZ 25/170 = JBl 1953, 50 = NZ 1953, 44; ÖA 1992, 57 = RZ 1992/13 uva). Nachträglichen Änderungen des rechtserzeugenden Sachverhalts hält die materielle Rechtskraft aber nicht stand; solche Änderungen berechtigen zu einem neuen Antrag (Fucik, AußStrG 28 mwN). Wenn sich daher die Verhältnisse wesentlich geändert haben, kann der Unterhalt neu festgesetzt werden. Der Unterhalt kann aber - bei gleichgebliebenen Verhältnissen - auch dann erhöht werden, wenn ein Anspruch geltend gemacht wird, der noch nicht Gegenstand der vorangegangenen Entscheidung war. Über dieses (Mehr-)Begehren konnte das Gericht nicht entscheiden, weil auch im außerstreitigen Unterhaltsbemessungsverfahren die Dispositionsmaxime gilt (Fucik aaO 7 mwN). Das (Mehr-)Begehren war selbst dann nicht Entscheidungsgegenstand, wenn der frühere Antrag nicht als Teilantrag bezeichnet und die Nachforderung nicht ausdrücklich vorbehalten war (Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 302 Pkt. 6; 4 Ob 565/91 jeweils mwN; ÖA 1992, 57 = RZ 1992/13). Soweit ein Begehren nicht Entscheidungsgegenstand war, liegt kein rechtskräftiger Beschluß vor, der die Entscheidung über das (Mehr-)Begehren hinderte.
Gegenstand des dem Beschluß vom 30.11.1993 vorausgegangenen Verfahrens war ein Antrag der Minderjährigen, den Unterhalt ab 1.1.1993 auf S 4.000,-- je Kind zu erhöhen. Im Verfahren wurde das Einkommen des Vaters mit monatlich S 26.828,-- festgestellt; dieses Einkommen hätte je Kind, bei einem Anteil von 17 % am Einkommen des Vaters, einen monatlichen Unterhalt von S 4.560,76 gerechtfertigt. Da aber der Unterhaltserhöhungsantrag unter diesem Betrag lag, hatte das Gericht über den den Kindern an sich zustehenden Mehrbetrag nicht zu entscheiden. Rechtskräftig geworden ist daher nur der Beschluß, mit dem den Kindern ein monatlicher Unterhalt von je S 4.000,-- zugesprochen wurde; über die Differenz zwischen diesem Betrag und dem den Kindern an sich zustehenden Unterhalt liegt keine rechtskräftige Entscheidung vor. In einem solchen Fall setzt die Änderung des zugesprochenen Unterhaltes nicht voraus, daß sich die Verhältnisse wesentlich geändert haben. Auch bei im wesentlichen gleichgebliebenen Verhältnissen kann der Unterhaltsberechtigte verlangen, daß der Unterhalt auf den ihm zustehenden Betrag erhöht wird. Der Erhöhungsantrag kann auch für die Vergangenheit gestellt werden (SZ 61/143 ua).
Nach den Feststellungen des Erstgerichtes beträgt das monatliche Nettoeinkommen des Vaters S 27.822,--. Kindern im Alter von 10 bis 15 Jahren wird nach den von der Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz entwickelten Berechnungsformen, die als Orientierungshilfe und als Maßstab zur Gleichbehandlung gleichartiger Fälle herangezogen werden können (Putscheller/Salzmann aaO Rz 141; RZ 1992/49 uva), ein Anteil von 20 % am Einkommen des Unterhaltsverpflichteten zuerkannt; für jedes weitere Kind über 10 Jahre, für das der Unterhaltsverpflichtete zu sorgen hat, werden 2 % abgezogen (s Purtscheller/Salzmann aaO Rz 14). Der sich bei einem Prozentsatz von 18 % ergebende Unterhaltsbetrag liegt über dem begehrten Betrag von S 4.500,--. Den Kindern steht die beantragte Erhöhung von S 4.000,-- auf S 4.500,-- demnach zu; sie läßt sie angemessen an den Lebensverhältnissen des Vaters teilhaben. Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.
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