OGH 15Os137/95(15Os138/95)

OGH15Os137/95(15Os138/95)23.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.November 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Unterrichter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Stefan S***** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 7.Juni 1995, GZ 34 Vr 2007/94-25, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gemäß §§ 50, 51 StGB zugleich mit dem Urteil gefaßten Beschluß nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Stefan S***** wurde des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt, weil er von 1989 bis 1992 (in den Entscheidungsgründen sind Zeitpunkte und Beträge konkretisiert - vgl US 3 ff -) in Linz mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, nachgenannte Personen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich über seine Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit sowie durch die Zusage, für die gewährten Kredite Zinsen zwischen 15 und 30 % jährlich zahlen zu wollen und auch die Kreditbeträge jeweils innerhalb eines Jahres, längstens jedoch binnen zweier Jahre zurückzahlen zu können, ferner durch Verschweigen anderweitiger erheblicher Verbindlichkeiten, insbesondere bestehender Bankschulden von über 400.000 S, zu Handlungen, nämlich zur Gewährung privater Darlehen in nachangeführter Höhe, verleitet hat, welche Siegfried G***** und Adolf K***** in einem insgesamt 500.000 S übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt haben, und zwar:

a) den Siegfried G***** zur Gewährung von Darlehensbeträgen in der Gesamthöhe von 370.000 S und weiters Anfang Oktober 1992 zur Ausfolgung von 120 Golddukaten und fünf Krüger Rand im Gesamtwert von zumindest 88.450 S sowie

b) den Adolf K***** zur Gewährung von Darlehensbeträgen in der Gesamthöhe von zumindest 230.000 S.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen erhob der Angeklagte eine auf die Z 3, 5, 5 a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Als nichtig (Z 3) rügt der Beschwerdeführer zunächst das Urteil deshalb, weil es nicht deutlich ausspreche, wegen welcher einzelner Darlehensaufnahmen er verurteilt, insbesondere ob er auch wegen des von Adolf K***** aufgenommenen Darlehensbetrages von 60.000 S schuldig gesprochen worden sei.

Entgegen der Beschwerdemeinung gebieten die hier angesprochenen Z 1 und 2 des § 260 Abs 1 StPO keineswegs, bereits im Urteilstenor "die einzelnen Darlehensgewährungen mit genauer Datumsangabe und mit genauer betraglicher Angabe des Darlehens zu konkretisieren". Das Gesetz fordert vielmehr bloß, daß im Urteilssatz ua die schuldig gesprochene Tat (das sind die für erwiesen angenommenen Tatsachen) durch konkrete Umstände in unverwechselbarer Weise umschrieben wird (vgl Mayerhofer/Rieder StPO3 § 260 E 21 ff, 70 f; § 281 Z 3 E 41) und die strafbare Handlung (den strafrechtlichen Gehalt der Tat bzw den unter Strafsanktion stehenden Tatbestand) - durch Wiedergabe des Wortlautes der konkreten Strafnorm - bezeichnet wird (vgl Mayerhofer/Rieder aaO § 260 E 75 f).

Diesen gesetzlichen Geboten Rechnung tragend, legt das Erstgericht sowohl im Urteilsspruch (US 1 f) als auch in den Entscheidungsgründen (US 6 zweiter Absatz erster Satz) unmißverständlich dar, daß es den Angeklagten nur wegen der von 1989 bis 1992 - in den Entscheidungsgründen werden die Tatzeitpunkte genau bezeichnet - in Linz betrügerisch herausgelockten Darlehen von insgesamt 370.000 S zum Nachteil des Siegfried G***** und von zumindest 230.000 S zum Schaden des Adolf K***** des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig gesprochen hat, nicht aber auch wegen weitergehender Beträge, die den in dieser Zeit geleisteten Rückzahlungsbeträgen von 10.000 S an G***** von 120.000 S an K***** entsprechen (vgl US 6 erster Absatz: "unter Abzug der Zurückzahlungen", bzw "unter Abzug der zurückgezahlten Summe von 10.000 S").

Da somit klargestellt ist, daß der Schuldspruch lediglich einen Teil der dem Beschwerdeführer von der Anklage der Staatsanwaltschaft vorgeworfenen Betrügereien (vgl ON 5) umfaßt, hätte hinsichtlich des darüber hinausgehenden Anklagevorwurfs - unbeschadet des Zusammenrechnungsgrundsatzes nach § 29 StGB - rechtsrichtig ein formeller (Teil-)Freispruch nach § 259 Z 3 StPO erfolgen müssen (vgl Mayerhofer/Rieder aaO § 259 E 14, 64 a). Dieser - keine Nichtigkeit bewirkende - formale Verstoß wurde jedoch vom Staatsanwalt nicht bekämpft, sodaß er auf sich beruhen kann (vgl Mayerhofer/Rieder aaO E 94 c).

Aus dieser Sicht enthält die in der Beschwerde relevierte, nur im Zusammenhang mit den vom Schuldspruch umfaßten Darlehensbeträgen zu beurteilende Urteilspassage (US 4 unten: "Bei allen ... ") auch keine Undeutlichkeit in der Bedeutung des § 281 Abs 1 Z 5 StPO.

Nicht zielführend ist die Mängelrüge (Z 5), mit der in Verkennung des Wesens dieses formellen Nichtigkeitsgrundes (vgl hiezu Foregger/Kodek StPO6 S 395) zu Unrecht Aktenwidrigkeit, Unvollständigkeit, unzureichende und mangelnde Begründung des erstgerichtlichen Urteils behauptet wird.

Unabdingbare Voraussetzung für die erfolgreiche Geltendmachung formaler Begründungsfehler ist nämlich, daß sie den Ausspruch über entscheidende (also entweder für die Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Strafgesetz oder für den anzuwendenden Strafsatz maßgebende) Tatsachen betreffen. Dabei ist es nicht notwendig, im Urteil weitwendig zu allen Vorbringen des Angeklagten Stellung zu nehmen und alle Umstände einer Erörterung zu unterziehen, die durch das Beweisverfahren hervorgekommen sind. Es genügt vielmehr, wenn der Gerichtshof im Urteil in gedrängter Form die entscheidenden Tatsachen bezeichnet, die er als erwiesen annimmt, und die Gründe dafür anführt, die zu seiner Überzeugung von der Richtigkeit dieser Annahmen geführt haben (Mayerhofer/Rieder aaO § 281 Z 5 E 7 f).

Unter diesem Aspekt ist es - der Beschwerde zuwider - daher unerheblich, ob der Angeklagte

* mit dem Gesellschafter Albert M***** ein monatliches Honorar von 10.000 S fix vereinbart hatte, oder ob er sich (wie der genannte Zeuge angab - 161 -) ohne Vereinbarung eines fixen Gehaltes am Anfang ungefähr 10.000 S monatlich genommen hat;

* vor dem 23.Jänner 1990 bzw bis Ende 1989 in tristen oder in sehr guten Einkommensverhältnissen gelebt hat, weil ihm im Urteil - was die Beschwerde jedoch prozeßordnungswidrig übergeht - nicht nur Zahlungsunfähigkeit, sondern gleichermaßen auch mangelnde Rückzahlungswilligkeit vorgeworfen wird (Mayerhofer/Rieder aaO § 281 Z 5 E 31), wozu kommt, daß das Erstgericht aus der Verantwortung des Angeklagten (41, 83 ff), er habe mit Ende 1989 auf eigenen Wunsch seine relativ gut dotierte Angestelltentätigkeit bei der A*****-Versicherung aufgeben, sich fortan - trotz erheblicher Schulden - als Geschäftsführer der V***** GesmbH mit monatlichen Entnahmen von 10.000 S zufrieden gegeben und in der Zwischenzeit ein Büro und seine Wohnung eingerichtet, mängelfrei auf triste Einkommensverhältnisse schon bei den ersten Darlehensaufnahmen im August und September 1989 (US 4) schließen konnte;

* im April 1992 als Geschäftsführer der V***** GesmbH entlassen worden, oder ob es - nach der Aussage des Zeugen Albert M***** (S 167) - wegen Erfolglosigkeit des Beschwerdeführers zur Trennung gekommen war;

* nicht nur Geschäftsführer der genannten Kapitalgesellschaft, sondern bis 1992 auch zu 25 % deren Gesellschafter war, wobei der Beschwerdeschrift in diesem Zusammenhang auch nicht ansatzweise zu entnehmen ist, inwiefern dieser Umstand - angesichts der vom Zeugen Albert M***** bekundeten ständigen Überschuldung des Unternehmens (163) - für den Angeklagten von Bedeutung sein soll;

* Ende 1991 dem Siegfried G***** (weitere) 21.000 S zurückgezahlt hat, weil aus der Aussage dieses Zeugen (117), auf die sich der Angeklagte bezieht, hervorgeht, daß Ende des Jahres 1991 auch unter Berücksichtigung dieser Zahlung noch eine Schuld von 70.000 S bestand und das Erstgericht ohnedies nur von bis dahin erlisteten Darlehen von insgesamt 70.000 S ausging (US 5);

* die Darlehensgeber - wie die Beschwerde isoliert sowie unter Verschweigung der weiteren im Urteil (US 1 f und 3 ff) festgestellten irrtumsrelevanten Umstände (Unfähigkeit und Unwilligkeit, die Kapitalbeträge samt Zinsen zwischen 15 und 30 % jährlich spätestens nach zwei Jahren zurückzuzahlen; bestehende erhebliche Verbindlichkeiten, insbesonders von mehr als 400.000 S Bankschulden) argumentiert - auch darüber täuschte, lediglich Geschäftsführer der V***** GesmbH bei monatlichen Entnahmen von 10.000 S gewesen und als solcher 1992 ausgeschieden zu sein;

* die von K***** und G***** vereinnahmten Darlehensbeträge zur Finanzierung seines gewohnten Lebensstandards (US 5 und 9) oder zur Finanzierung von Provisionszuschlägen benötigte, weil dem Tatmotiv fallbezogen keine entscheidende Bedeutung beizumessen ist;

* als Geschäftsführer das wirtschaftliche Schicksal der V***** GesmbH, deren Sanierung ihm aber nicht gelang, sodaß sie letztlich liquidiert wurde (163 f), durch Verringerung der Verluste tatsächlich positiv beeinflußt hat.

Die Feststellung hinwieder, der Angeklagte habe Anfang August 1989 dem Adolf K***** ausdrücklich zugesichert, den Darlehensbetrag von 100.000 S (mit einer jährlichen Verzinsung von 15 bis 30 %) längstens binnen zwei Jahren zurückzuzahlen (US 3 f), findet in der (gemeinsam mit Siegfried G***** erstatteten) Anzeige vom 6.September 1994 eine zureichende Stütze (35 iVm 105 f, 115).

Entgegen den weiteren Beschwerdeeinwänden hat sich das Erstgericht in den Entscheidungsgründen nicht nur mit der (jeglichen Betrugsvorsatz in Abrede stellenden) Verantwortung des Angeklagten über seine finanzielle Situation in der kritischen Phase der inkriminierten Darlehensaufnahmen sowie der Erlangung und Verwertung von 120 Golddukaten und fünf Krüger Rand ausführlich auseinandergesetzt, sondern auch die - oben in den Ausführungen zu § 281 Abs 1 Z 3 StPO erwähnten - vom Angeklagten zurückgezahlten Teilbeträge ebenso wie die Aussagen der Zeugen Adolf K*****, Siegfried G***** und Albert M***** mitberücksichtigt (US 8 ff) und solcherart in einer Gesamtschau aller maßgebenden Beweisergebnisse unter Verwertung des persönlich gewonnenen Eindrucks in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) die zur Verwirklichung des Verbrechens des schweren Betruges geforderten subjektiven und objektiven Tatsachenelemente festgestellt (US 3 ff) und aktengetreu, zureichend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) sowie in Übereinstimmung mit den Denkgesetzen begründet (abermals US 8 ff), warum es den Angeklagten für schuldig befunden hat, ohne dabei entgegenstehende bedeutsame Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen übergangen zu haben.

Dem bekämpften Urteil haften demnach die behaupteten formellen Begründungsmängel nicht an. Indem der Nichtigkeitswerber vorrangig aus einzelnen isoliert betrachteten Beweisergebnissen für ihn günstigere Schlußfolgerungen abzuleiten trachtet, kritisiert er in Wahrheit bloß unzulässig die zu seinem Nachteil ausgefallene tatrichterliche Lösung der Schuldfrage.

Dieser Vorwurf trifft auch auf die Tatsachenrüge (Z 5 a) zu. Denn mit den Hinweisen, die Ende 1989 bei der A*****-Versicherung aufgegebene Tätigkeit bei einem Monatsverdienst von 60.000 S spreche für eine vom Beschwerdeführer mit Sicherheit erwartete Verbesserung seiner Einkommenssituation, und die vom Zeugen G***** bestätigte optimistische Erwartungshaltung des Angeklagten lasse die Annahme eines Betrugsvorsatzes ebensowenig zu wie die vom Zeugen M***** - bezogen auf das Jahr 1990 - optimistisch eingeschätzte Entwicklung der Firma V***** GesmbH, werden in Wahrheit keine sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen den nach den Urteilsfeststellungen bereits bei der ersten Darlehensaufnahme vorhanden gewesenen betrügerischen Vorsatz des Angeklagten erweckt, sondern abermals bloß nach Art einer Schuldberufung argumentiert.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a), die Feststellungsmängel zur Wissens- und Willenskomponente des Angeklagten bezüglich seines bedingten (Betrugs-)Vorsatzes im Zeitpunkt der Aufnahme der von Adolf K***** stammenden Darlehen und der dem Siegfried G***** absichtlich herausgelockten Goldmünzen reklamiert, verfehlt eine prozeßordnungsgemäße Darstellung. Übergeht sie doch schlichtweg einen wesentlichen Teil der im Zusammenhang zu sehenden, unzweifelhaft sogar auf Absichtlichkeit iSd § 5 Abs 2 StGB (vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 5 RN 7) zugeschnittenen Konstatierungen (US 1 f; 4 f, 6 f, 10), denenzufolge der Angeklagte einerseits seine wahre (prekäre) finanzielle Situation den Darlehensgebern verschleierte, "um dadurch" die Darlehenssummen vereinnahmen zu können, wobei er deshalb über Tatsachen täuschte, "um" sich durch die Vereinnahmung der Darlehensbeträge unrechtmäßig zu bereichern (US 6 f), niemals die Absicht hatte, die Darlehen zurückzuzahlen (US 4) und er sich "auch" bei der Herauslockung der Goldmünzen durch die Handlung des Getäuschten Siegfried G***** entsprechend unrechtmäßig bereichern "wollte" (US 7 unten). Solcherart verstößte die Beschwerde jedoch gegen das zwingende Gebot, auch bei Geltendmachung von materiellrechtlichen Feststellungsmängeln am gesamten wesentlichen Tatsachensubstrat festzuhalten.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) zur betrügerischen Herauslockung der 120 Golddukaten und fünf Krüger Rand schließlich verläßt einerseits mit der Behauptung ("Ausgehend von dem mir mit Ersturteil unterstellten Vorsatz würde jedoch dieses Verhalten das Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 1.Fall StGB, nicht jedoch das Verbrechen des schweren Betruges darstellen.") vollends den Boden der vom Erstgericht hiezu mängelfrei getroffenen Feststellungen (US 2, 7, 10), die alle relevanten Tatbestandselemente des Betruges unmißverständlich zum Ausdruck bringen; andrerseits läßt die Beschwerde auch jegliche Begründung vermissen, aus welchen Gründen das konstatierte Verhalten des Angeklagten nicht der Strafnorm des Betruges, sondern jener der Veruntreuung zu unterstellen wäre, und führt demnach auch diesen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht den Prozeßgesetzen gemäß aus (Mayerhofer/Rieder aaO § 285 a E 44).

Sonach war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen, woraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufung sowie über die Beschwerde das Oberlandesgericht Linz zuständig ist (§ 285 i StPO).

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