OGH 7Ob637/95

OGH7Ob637/9522.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** AG, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Eckert, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach der am 18.August 1992 verstorbenen Margarethe R*****, vertreten durch Dr.Johannes Ruckenbauer, Rechtsanwalt in Wien, als Verlassenschaftskurator, und dem auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten Peter H*****, vertreten durch Dr.Andreas Doschek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision des Nebenintervenienten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 18.Juli 1995, GZ 40 R 279/95-31, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 7.Jänner 1995, AZ 6 C 388/94z-22, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig der beklagten Partei und dem Nebenintervenienten die mit je S 2.031,36 (darin jeweils enthalten S 338,56 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und dem Nebenintervenienten die mit S 4.660,12 (darin S 1.980 Barauslagen und S 446,68 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Hauseigentümerin kündigte der beklagten Verlassenschaft die Wohnung W*****, G*****gasse 17/30, unter Berufung auf § 30 Abs.2 Z 5 MRG auf. Seit dem Tod der bisherigen Mieterin am 18.8.1992 sei keine eintrittsberechtigte wohnungsbedürftige Person gemäß § 14 Abs.3 MRG vorhanden.

Die beklagte Partei wendete dagegen ein, daß der Nebenintervenient, ein Enkel der Verstorbenen, vor und im Zeitpunkt des Todes der verstorbenen Hauptmieterin im gemeinsamen Haushalt mit dieser gelebt habe. Zinsenvorschreibungen ihm gegenüber stellten ein Anerkenntnis seines Eintrittsrechtes dar.

Das Erstgericht hob die Kündigung auf und stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die verstorbene Hauptmieterin Margarethe R***** war die Großmutter des nunmehrigen Nebenintervenienten Peter H*****. Dieser wohnte von 1990 an bis drei Monate vor deren Tod im Durchschnitt etwa drei bis vier Tage wöchentlich bei seiner Großmutter in der aufgekündigten Wohnung; den Rest der Woche verbrachte er bei seiner Mutter in deren Wohnung in der W***** *****straße. Peter H***** kaufte für seine Großmutter ein, kochte für sie und wusch das Geschirr. Er bezahlte ihr die Hälfte der Miete, der Strom- und Telefonkosten sowie die Kosten für Lebensmittel; er erledigte seiner gehbehinderten Großmutter auch erforderliche Wege, und nahm, soweit ihm dies aus beruflichen Gründen möglich war, mit ihr die Mahlzeiten ein. Margarethe R***** wurde drei Monate vor ihrem Tod in ein Spital eingeliefert. Dabei erklärte sie, daß sie nicht wünsche, daß sich während ihres Spitalsaufenthaltes irgendjemand in ihrer Wohnung aufhalte. Diesen Wunsch hat Peter H***** respektiert. Nach dem Begräbnis Margarethe R***** teilte die Mutter Peter H***** der Hausverwaltung der Klägerin mit, daß ihre Mutter gestorben sei und deren Enkel in der Wohnung wohne. Die angesprochene Angestellte kopierte die Sterbeurkunde und erklärte, daß die Hausverwaltung von sich hören lassen werde. In einem Schreiben vom April 1993 forderte die Hausverwaltung Ilse H***** (die Mutter des Nebenintervenienten) auf, die Wohnung zu räumen. Daraufhin schickte Peter H***** am 13.5.1993 ein von seiner Mutter ausgefülltes und von ihm unterschriebenes Formular der Mietervereinigung (Beilage 4) an die Hausverwaltung der Klägerin, in dem er dieser nochmals mitteilte, daß seine Großmutter Margarethe R***** verstorben sei und daß er mit ihr im Zeitpunkt des Todes im gemeinsamen Haushalt gelebt habe und gemäß § 14 Abs.3 MRG in den Mietvertrag eingetreten sei und die Hauptmietrechte fortsetze. Die Hausverwaltung wurde darin ersucht, in Hinkunft den Mietzins Peter H***** vorzuschreiben. Daraufhin übersandte die Klägerin dem Nebenintervenienten am 3.6.1993 eine Betriebskostenabrechnung für 1992 mit dem Begehren um Nachzahlung von S 430,89 für die aufgekündigte Wohnung (Beilage 2) und am 29.6.1993 trotz einer bereits anhängigen Aufkündigung zu 6 C 704/93v des Erstgerichtes Peter H***** drei auf seinen Namen lautende Mietzinsvorschreibungen für die Monate Juli, August und September 1993, wiederum unter Angabe der aufgekündigten Wohnung. Als die Hausverwaltung dem Nebenintervenienten keine weiteren Vorschreibungen zustellte, bezahlte dessen Mutter den Mietzins mit selbst ausgefüllten Zahlscheinen unter dem Namen "Margarethe R***** (Peter H*****)". Im Mai 1993 hatte die Klägerin eine Aufkündigung gegen die Verlassenschaft eingebracht, die zufolge unrichtiger Angabe der diese vertretenden Person nicht zugestellt werden konnte. Ein am 13.August 1993 eingeleitetes weiteres Aufkündigungsverfahren gegen die Verlassenschaft, als deren Vertreterin fälschlich Ilse H***** als "eingeantwortete Erbin" bezeichnet wurde (der Nachlaß war ihr gemäß § 73 AußStrG an Zahlungs statt überlassen worden).

Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß ein allfällig bestehender gemeinsamer Haushalt zwischen Margarethe R***** und ihrem Enkel drei Monate vor ihrem Tod über ihren Wunsch aufgelöst worden sei. Die Zusendung dreier Mietzinsvorschreibungen sowie einer Betriebskostenabrechnung auf seinen Namen habe aber von Peter H***** bei vernünftiger Würdigung der Umstände nicht anders verstanden werden können, als daß die klagende Partei den ihr unmittelbar zuvor bekanntgegebenen Anspruch auf Eintritt gemäß § 14 Abs.3 MRG anerkenne. Daran könnten auch die in der Folge von der beklagten Partei angestrebten Aufkündigungen nichts ändern.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung in einer Erklärung der Rechtswirksamkeit der Kündigung und Stattgebung des Räumungsbegehrens ab. Es erklärte die ordentliche Revision für unzulässig. In Übereinstimmung mit dem Erstgericht folgerte es, daß zum Zeitpunkt des Todes der verstorbenen Hauptmieterin ein gemeinsamer Haushalt zwischen dieser und dem Nebenintervenienten nicht vorgelegen sei. Die Übersendung von drei Mietzinsvorschreibungen auf den Namen des Nebenintervenienten sowie einer Betriebskostenabrechnung für das Jahr 1992 in Reaktion auf die Mitteilung des Nebenintervenienten nach § 14 Abs.3 MRG könnten jedoch nicht als konstitutives Anerkenntnis des Hauptmietrechtes des Nebenintervenienten gewertet werden. Peter H***** habe nicht gewußt bzw aus dem Verhalten des Vermieters nicht mit Recht ableiten können, dieser kenne den für die Kündigung in Betracht kommenden Sachverhalt zumindest im wesentlichen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung vom Nebenintervenienten erhobene Revision ist berechtigt.

Die Frage, ob ein gemeinsamer Haushalt zwischen der verstorbenen Hauptmieterin und ihrem Enkel gegeben war, hängt weitestgehend von der Beurteilung der Tatfrage ab. Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, daß ein solcher (nur) bis drei Monate vor dem Tod der Hauptmieterin bestanden habe. Wunsch der Hauptmieterin, daß während ihres Spitalsaufenthaltes niemand in ihrer Wohnung wohnen dürfe, einer Auflösung des gemeinsamen Haushaltes gleichkommt, erscheint eher zweifelhaft, weil es hiezu noch der Feststellung bedurft hätte, daß Margarethe R***** nicht mehr die Absicht gehabt habe, den Haushalt mit ihrem Enkel wieder aufzunehmen. Dies kann aber dahingestellt bleiben, weil auf Grund des Verhaltens der Klägerin davon auszugehen ist, daß sie Peter H***** als eintrittsberechtigten Mieter (konstitutiv) anerkannt hat.

Die Vorschreibung bzw unbeanstandete Annahme eines regelmäßig auch bezahlten Entgeltes für die dem anderen eingeräumte Benützung von Räumen durch längere Zeit kann nach der Rechtsprechung grundsätzlich zu einem konkludenten Abschluß eines Bestandverhältnisses führen; doch ist bei der Beurteilung von Handlungen auf ihre Konkludenz größte Vorsicht geboten und ein strenger Maßstab anzulegen, weil die Gefahr besteht, daß dem Handelnden damit Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn waren; Die Zurückhaltung der Rechtsprechung, in diesen Fällen, den konkludenten Abschluß eines Mietvertrages anzunehmen, beruht darauf, daß der Vermieter nach Auflösung des Bestandvertrages grundsätzlich gezwungen ist, Mietzinszahlungen auch von Dritten anzunehmen.

Eine konkludente Zustimmung darf nur dann angenommen werden, wenn sie nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, daß der Wille, eine Rechtsfolge in eine bestimmte Richtung herbeizuführen, vorliegt. Ein konkludenter Eintritt eines Dritten in einen Mietvertrag hat daher zur Voraussetzung, daß der Bestandgeber ein Verhalten setzt, das einen sicheren Schluß auf seinen rechtsgeschäftlichen Willen zuläßt. Es müssen Handlungen vorliegen, die ein so hohes Maß an Eindeutigkeit aufweisen, daß eine andere Auslegung vernünftigerweise nicht in Frage kommt (MietSlg 37.108 f mwN). Im vorliegenden Fall konnte Peter H***** nach der Geltendmachung seines Eintrittsrechtes im September 1992 auf Grund der eine Entscheidung in Aussicht stellenden Antwort der Klägerin zunächst nur der Auffassung sein, daß seine Ansprüche geprüft werden. Ein Eintritt wurde jedoch vorerst (Schreiben der Klägerin vom April 1993) abgelehnt. Auf die nochmalige schriftliche Geltendmachung seines Eintrittsrechtes mit Schreiben vom 13.5.1993, in dem Peter H***** erklärte, im Zeitpunkt des Todes seiner Großmutter mit dieser in gemeinsamem Haushalt gelebt zu haben und deshalb in den Mietvertrag in Fortsetzung der Hauptmietrechte seiner Großmutter einzutreten, reagierte die Klägerin aber in der Weise, daß sie auf das (ebenfalls) in diesem Schreiben gestellte Ersuchen hin, in Hinkunft den Mietzins auf seinen Namen vorzuschreiben, Peter H***** umgehend zunächst eine Betriebskostennachforderung für das Jahr 1992 und kurz nach drei auf seinen Namen lautende Erlagscheine für den Mietzins für die Monate Juli bis September 1993 zukommen ließ (und die Zahlungen auch annahm). Damit wurde eine auf die Behauptung eines Eintrittsrechtes korrespondierende Handlung gesetzt, die nicht anders gedeutet werden kann als dessen Anerkennung. Da das Eintrittsrecht des Nebenintervenienten vorher strittig war, kommt dieser Handlung der Klägerin rechtlich die Qualifikation eines konstitutiven Anerkenntnisses zu (vgl Ertl in Rummel2, Rz 6 zu § 1380 ABGB). Ein Gegenbeweis, wie er bei einem deklarativen Anerkenntnis möglich gewesen wäre, war der Klägerin daher verwehrt. Die zeitlich parallel dazu erfolgte Aufkündigung der Wohnung gegenüber der Verlassenschaft am 19.5.1993 zu C 704/93 des Erstgerichtes war zu Handen des Gerichtskomissärs als Verlassenschaftsvertreter gerichtet worden; es steht nicht fest, daß sie Peter H***** bekannt geworden ist. Dies hätte jedenfalls die Klägerin zu beweisen gehabt. Im Gegensatz zu dem in der Folge gegen Peter H***** zu 6 C 1048/93g des Erstgerichtes geführten Räumungsverfahren hat die Klägerin im vorliegenden Aufkündigungsverfahren die Vorschreibung des Mietzinses an Peter H***** nicht als Irrtum bezeichnet. Der Revision des Nebenintervenienten war daher Folge zu geben und das Ersturteil wurde wieder herzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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