Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen (auf einstimmigem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden, auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des weiteren Mittäters Bilal Murat C***** enthaltenden) Urteil wurden Kadir G***** und Ibrahim A***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Satz zweiter Fall StGB, Zekeriya Ü***** des Verbrechens des schweren Raubes als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 erster Satz zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Nach dem Schuldspruch haben am 31.März 1995 in Wien Kadir G***** und Ibrahim A***** im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Ali E***** als Mittäter (§ 12 StGB) wechselseitig auf Walter J***** eingeschlagen, Ali E***** und Kadir G***** ihm abwechselnd einen Gasrevolver vors Gesicht und gegen den Körper gehalten, während E***** äußerte: "Schau, was ich hier habe, gib das Geld her", anschließend den Gasrevolver G***** übergab, der ihn gegen J***** richtete, äußerte: "Gib die Schlüssel her" und ihm mit der Waffe auf den Kopf schlug, A***** schließlich J***** mit der Faust ins Gesicht geschlagen und zur Herausgabe des Schlüssels aufgefordert, den er J***** dann aus der Hosentasche nahm und damit eine Kasse öffnete, der er eine Geldkassette mit 296.000 S entnahm, solchermaßen also Walter J***** mit Gewalt gegen dessen Person und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben den Geldbetrag mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, wobei der Raub unter Verwendung einer Waffe verübt wurde (A des Schuldspruches);
Zekeriya Ü***** und der rechtskräftig verurteilte Bilal Murat C***** zu diesem Verbrechen des schweren Raubes dadurch beigetragen, daß C***** unmittelbar vor dem Überfall den Tatort auskundschaftete, das Fluchtfahrzeug lenkte und während des Überfalles Aufpasserdienste leistete (B/1.) und
Zekeriya Ü***** einen Gasrevolver für den Überfall an Ali E***** übergab und während der Tat gemeinsam mit Bilal Murat C***** vor dem Tatort im PKW wartend Aufpasserdienste leistete (B/2.).
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Kadir G***** (§ 345 Abs 1 Z 6, 8, 10 a und 12 StPO) und Zekeriya Ü***** (Z 6 und 10 a leg cit) sind nicht berechtigt.
Beide behaupten eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (Z 6) wegen Unterbleibens einer Eventualfrage nach dem Verbrechen des (einfachen) Raubes nach § 142 Abs 1 StGB.
Eine Eventualfrage gemäß § 314 Abs 1 StPO ist nur für den Fall zu stellen, daß in der Hauptverhandlung vorgebrachte Tatsachen die Annahme indizieren, es liege anstelle des angeklagten vollendeten Verbrechens oder Vergehens der Versuch dieser Tat vor, der Angeklagte wäre nicht als unmittelbarer Täter, sondern als Beitragstäter anzusehen oder daß die Tat unter ein anderes Strafgesetz fallen würde, das nicht strenger ist, als das in der Anklageschrift angeführte. Bei Beantwortung einer das Grunddelikt in qualifizierter Form beschreibenden Hauptfrage können die Geschworenen ihre allfällige Überzeugung, daß zwar dieses, nicht jedoch die dargestellte Qualifikation verwirklicht sei, durch die auf das Grunddelikt eingeschränkte Bejahung der Hauptfrage, nicht aber durch deren Verneinung (als Voraussetzung zur Stellung einer Eventualfrage) zum Ausdruck bringen. Die Geschworenen wurden über die Möglichkeit der Qualifikationsausschaltung gemäß § 321 StPO schriftlich ebenso belehrt wie in der allgemeinen Rechtsbelehrung nach § 325 Abs 1 und 2 StPO (StPO-Form RMB 1), in welcher unter Verwendung des Wortlautes des § 330 Abs 2 StPO die Möglichkeit der Beantwortung der Hauptfrage mit einer Beschränkung dargestellt wurde.
Zekeriya Ü***** releviert Fragestellungsmängel auch deshalb, weil keine (uneigentliche) Zusatzfrage gemäß § 316 StPO in Richtung des § 41 StGB gestellt wurde, obwohl die Milderungsgründe überwogen hätten.
Gegenstand der Fragestellung gemäß § 316 StPO können bei Vorliegen eines entsprechenden Tatsachenvorbringens in der Hauptverhandlung nur im Gesetz namentlich angeführte Erschwerungs- oder Milderungsgründe sein, die die Anwendung eines anderen Strafsatzes bedingen. Nach § 41 StGB kann bei beträchtlichem Überwiegen der Milderungsgründe und begründeter Annahme, daß der Täter auch bei Unterschreiten der gesetzlichen Mindeststrafe keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde, diese unter den weiter im Gesetz angeführten Voraussetzungen auch darunter ausgesprochen werden. In diesem Fall wird jedoch der Strafsatz nicht davon betroffen, die außerordentliche Strafmilderung ist vielmehr erst bei der (vom Schwurgerichtshof und den Geschworenen gemeinsam vorzunehmenden) Beratung über die Strafe in Betracht zu ziehen, wenn also der konkret anzuwendende Strafsatz schon feststeht (vgl SSt XX/149).
Soweit dieser Beschwerdeführer ferner vorbringt, er wäre bei der unmittelbaren Raubausführung nicht beteiligt gewesen, übersieht er, daß ihm eine Beteiligung am Verbrechen des schweren Raubes nach § 12 dritter Fall StGB zur Last liegt.
Der Instruktionsrüge (Z 8) des Angeklagten Kadir G***** zuwider enthält die den Geschworenen schriftlich erteilte Rechtsbelehrung ausreichende Ausführungen zum Gebrauch einer Waffe beim vorgeworfenen Verbrechen (Punkt 12. zur Hauptfrage wegen des Verbrechens des schweren Raubes). Eine Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung, die die Laienrichter hätte beirren können, liegt somit nicht vor.
Keine der Tatsachenrügen (Z 10 a) vermag auf Aktengrundlage Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen hervorzurufen. Der von Kadir G***** betonte Umstand einer (allenfalls) untergeordneten Beteiligung gegenüber einer führenden Rolle des Angeklagten Ali E***** betrifft ebenso lediglich die Strafzumessung, nicht aber eine für die Schuldfrage entscheidende Tatsache, weil ihm Mittäterschaft angelastet wird, für deren Annahme bereits ein vom Vorsatz getragenes Zusammenwirken bei der Tatausführung im Sinne eines arbeitsteiligen Verhaltens ausreicht.
Soweit die Beschwerde des Zekeriya Ü***** durch aus dem Zusammenhang gelöste Betrachtung einzelner Verfahrensergebnisse die Glaubwürdigkeit der Mitangeklagten G***** und A***** zu erschüttern trachtet, erschöpft sie sich bloß in einer im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung.
Die Rechtsrüge (Z 12) des Angeklagten Kadir G***** behauptet, bei Heranziehung "anderer Verfahrensergebnisse" wäre die Tatwaffe nicht als "ernstzunehmende" sondern als "Schußwaffenattrappe" anzusehen gewesen, weil der Bedrohte den ungeladenen Zustand der verwendeten Gasrevolvers erkannt habe.
Abgesehen davon, daß die Rechtsrüge von dem im Wahrspruch festgestellten Tatsachen und nicht von "anderen Verfahrensergebnissen" auszugehen hat, konnte das Opfer keineswegs erkennen, ob sich im Lauf der Waffe nicht doch eine Patrone befand (S 159 und 160/II). Überdies wird eine Schußwaffe auch dann bei Begehung eines Raubes verwendet, wenn der Täter aus ihr keine Schüsse abgibt, sondern sie als Schlagwaffe oder Mittel der (qualifizierten) Drohung benützt. Dabei genügt für die Verwirklichung der Qualifikation des § 143 StGB auch die Drohung mit einer ungeladenen Schußwaffe (Leukauf/Steininger Komm3 RN 6 und 14 zu § 143).
Dem trägt die (an der herrschenden Judikatur orientierte) Rechtsbelehrung Rechnung. Die darauf basierende Annahme der Qualifikation des schweren Raubes im Wahrspruch der Geschworenen erfolgte somit rechtsrichtig.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren deshalb zu verwerfen.
Das Geschworenengericht verurteilte Kadir G*****, Zekeriya Ü***** und Ibrahim A***** (unter Anrechnung der Vorhaften) nach § 143 StGB zu Freiheitsstrafen, und zwar Kadir G***** zu sechseinhalb Jahren, Zekeriya Ü***** zu fünfeinhalb Jahren und Ibrahim A***** zu sechs Jahren. Dabei wertete es als erschwerend bei Kadir G***** und Ibrahim A***** eine einschlägige Vorstrafe, bei Zekeriya Ü***** keinen Umstand, als mildernd hingegen bei Kadir G***** das großteils, bei Ibrahim A***** das vollständig abgelegte Geständnis, das zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, bei Zekeriya Ü***** wiederum das Teilgeständnis und den bisher ordentlichen Lebenswandel.
Die dagegen von den Angeklagten erhobenen Berufungen streben Strafherabsetzung unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung, jene des Angeklagten Kadir G***** auch bedingte Nachsicht eines Strafteiles an.
Sämtliche Berufungen sind unbegründet.
Kadir G***** will für sich ein vollständiges Geständnis in Anspruch nehmen, übersieht dabei jedoch, daß er den wesentlichen Umstand seiner Gewaltausübung durch den Schlag mit der Tatwaffe auf den Kopf des Opfers leugnete (S 143 und 157/II), sodaß das Erstgericht zu Recht nur von einem "großteils abgelegten Geständnis" (US 10) ausgehen konnte.
Angesichts einer (wenn auch nicht besonders ins Gewicht fallenden) Vorverurteilung wegen eines gegen die körperliche Integrität gerichteten Deliktes kann ein bisher ordentlicher Lebenswandel dieses Angeklagten nicht als Milderungsgrund angenommen werden. Bei der Verübung eines Deliktes durch mehrere als Mittäter ergibt sich bereits aus dem Wesen dieser Täterschaftsform, daß die Mittäter aufeinander Einfluß üben (vgl Mayerhofer/Rieder, StGB4, § 34 E 22 b), insbesondere wenn wie im vorliegenden Fall vor allem auch die besonders aktive Rolle des Angeklagten bei der Gewaltanwendung zu berücksichtigen war. Die Berufung versucht insgesamt die Aktivitäten des Angeklagten beim Raub zu minieren, scheitert damit aber bereits an dem im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Tatsachen. Mit Ausnahme der (von den Geschworenen sowie im Rahmen der Strafbemessung auch vom Schwurgerichtshof diesbezüglich ersichtlich abgelehnten) Verantwortung hat das Verfahren auch keinen Hinweis darauf ergeben, daß beim Angeklagten eine Zurechnungsminderung im Sinn des § 35 StGB vorgelegen wäre. Der Charaktermangel einer Spielleidenschaft kann nicht als mildernd herangezogen werden. Auch unter Berücksichtigung seiner Familie kann letztlich weder von achtenswerten Beweggründen noch einer tatsächlich bedrückenden Notlage gesprochen werden, die den Berufungswerber zur Tatbegehung bestimmt hätte.
Zieht man demgegenüber den vom Erstgericht vernachlässigten Umstand in Betracht, daß das Tatopfer vor allem auch durch die Einwirkung dieses Angeklagten nicht unbeträchtlich verletzt wurde (s unjournalisierter Unfallbericht des Unfallkrankenhauses Meidling vom 3. April 1995, vor S 11/I), die Tat durch mehrere Täter begangen und dabei beide in § 142 Abs 1 StGB bezeichneten Nötigungsmittel eingesetzt wurden, kann keine Herabsetzung der in erster Instanz verhängten Strafe erfolgen.
Die Berufung des Angeklagten Zekeriya Ü***** bemängelt, daß das Erstgericht seine Verantwortung bloß als Teilgeständnis gewertet hat, geht in diesem Zusammenhang aber an dem Umstand vorbei, daß er stets leugnete, die Tatwaffe zur Verfügung gestellt zu haben (ON 20 und S 142/II). Der ordentliche Lebenswandel wurde dem Angeklagten bei der Strafbemessung zugute gehalten, von einer Tatbegehung unter Einwirkung eines Dritten kann schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil aus der (diesbezüglich geständigen) Verantwortung des Kadir G***** vor der Polizei hervorkam, daß die Idee zum Raubüberfall von Zekeriya Ü***** und Ali E***** stammte (S 181/I; Verlesung in der Hauptverhandlung S 161/II). Eine durch Spielleidenschaft (S 199/I) hervorgerufene Notlage kann ebensowenig als mildernd in Betracht kommen wie der Umstand, daß der Angeklagte vor dem Wettbüro, in dem der Raub ausgeführt wurde, deswegen Aufpasserdienste leistete, weil er infolge der Bekanntheit seiner Person in diesem Büro vermeiden mußte, dort bei der Tat gesehen zu werden (S 144 und 145/II). Letztlich wurde das Geständnis dieses Berufungswerbers in ausreichender Weise berücksichtigt. Infolge des Umstandes, daß der Angeklagte einen wesentlichen Beitrag zum Tatplan leistete, indem er das Wettbüro, das beraubt wurde, gemeinsam mit einem anderen Täter bezeichnete, kann keine Strafherabsetzung erfolgen.
Der in der Berufung des Angeklagten Ibrahim A***** als mildernd reklamierte ordentliche Lebenswandel kann schon deshalb nicht angenommen werden, weil die Berufung selbst eine (wegen des auf derselben schädlichen Neigung beruhenden Deliktes gegen fremdes Vermögen erfolgten) Vorverurteilung zugestehen muß. Nach der aus dem Wahrspruch hervorkommenden Tatplanung kann Unbesonnenheit ebenso nicht in Betracht kommen wie eine Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit infolge behaupteter Alkoholisierung. Wird bedacht, daß auch dieser Angeklagte Gewalt gegen das Raubopfer ausübte (Faustschlag ins Gesicht), er dem Opfer den Kassenschlüssel aus der Hosentasche zog, damit die Kasse öffnete und daraus die Geldkassette mit der Raubbeute entnahm, kann auch nicht von einem entfernten Tatbeitrag ausgegangen werden.
Allein schon im Hinblick auf die vom Erstgericht unberücksichtigt gebliebenen, bedeutenden Erschwerungsgründe (s.o.) war über die Berufungen wie im Spruch zu erkennen.
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