OGH 1Ob629/95

OGH1Ob629/9522.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alfred S*****, vertreten durch Blasl & Winkler Rechtsanwalts-Partnerschaft OEG in Wien, wider die beklagte Partei R*****bank P***** reg.Genossenschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Axel Nepraunik, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 336.441,80 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 29.Juni 1995, GZ 5 R 113/94-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 9.April 1994, GZ 38 Cg 415/93-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 15.255 (darin enthalten S 2.542,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 18.1.1988 bestellte Gabriele V***** (in der Folge Käuferin genannt) beim Kläger eine Tonanlage und eine Lichtanlage zum Kaufpreis von insgesamt S 347.272,80. Am selben Tag vereinbarten die Käuferin und die beklagte Partei, daß diese den Ankauf (durch Kreditgewährung) finanzieren sollte. Mit Schreiben vom 26.1.1988 erklärte sie dem Kläger, daß sie die Finanzierung der Ton- und Lichtanlage übernehme und sich unwiderruflich bereit erkläre, den Verkaufspreis von S 347.272,80 auf ein bekanntzugebendes Konto prompt zu überweisen, wenn bestimmte Dokumente firmenmäßig gefertigt übermittelt werden. Diesem Schreiben war ein „Vertrag über die Übertragung des vorbehaltenen Eigentums“ angeschlossen. Darin ist ua festgehalten, daß der Kreditgeber im Einvernehmen mit dem Käufer im Sinne der §§ 1422 und 1423 ABGB die offene Kaufpreisforderung einlösen werde; gleichzeitig werde das vorbehaltene Eigentum am Kaufgegenstand dem Kreditgeber durch Erklärung übertragen werden. Am 10.3.1988 übersandte der Kläger der beklagten Partei mit einer Begleitnote, in der um Zahlung des Rechnungsbetrages ersucht wurde, ua den von ihm gegengezeichneten Vertrag über die Übertragung des vorbehaltenen Eigentums und die Rechnung über S 364.441,80, die den Vermerk „Eigentumsvorbehalt wurde an die Raiffeisenbank Perchtoldsdorf übertragen“ trug. Der beklagten Partei gingen diese Schriftstücke am 15.3.1988 zu. Mit Schreiben vom 16.3.1988 teilte sie dem Kläger „auftrags“ der Käuferin mit, der Kaufpreis könne nicht überwiesen werden; die Käuferin habe dies damit begründet, daß die Anlage nicht funktionstüchtig sei. Die beklagte Partei sehe sich daher zur Anweisung des Rechnungsbetrags außerstande und nehme „die Angelegenheit außer Evidenz“; der Kläger solle sich direkt an die Käuferin wenden. Ein Schreiben des Klagevertreters vom 22.3.1988 beantwortete die beklagte Partei am 24.3.1988 dahin, daß sie in ihrer Finanzierungszusage gegenüber dem Kläger keinen Einwendungsverzicht erklärt habe. Die Anlage funktioniere nicht, der Kaufpreis könne nicht bezahlt werden, die beklagte Partei müßte sich infolge vereinbarter Schad- und Klagloshaltung ansonsten sofort wieder beim Kläger regressieren.

Am 13.4.1988 brachte der Kläger gegen die Käuferin eine Klage auf Bezahlung des Kaufpreises ein. Nach einem aufwendigen Beweisverfahren und nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Käuferin (am 27.11.1992) wurde diese zur Zahlung von S 336.441,80 sA verurteilt. An diesem Verfahren war die beklagte Partei nicht beteiligt. Es ist nicht feststellbar, daß es in dieser Angelegenheit außer den dargestellten Kontaktaufnahmen bis zum 18.3.1993 noch zu weiteren Kontakten zwischen dem Kläger und der beklagten Partei gekommen sei.

Gestützt auf die Zusage der beklagten Partei, den Kaufpreis für die Käuferin zu bezahlen, und in Anbetracht des gegen die Käuferin erwirkten Urteils begehrte der Kläger von der beklagten Partei die Zahlung von S 336.441,80 samt 15 % seit 11.4.1988 und 20 % Umsatzsteuer aus den Zinsen.

Die beklagte Partei wendete ua Verjährung der Klagsforderung ein. Der Klage sei ein „fünfjähriges absolutes Schweigen“ vorausgegangen. Die vom Kläger am 15.3.1988 übermittelten Urkunden hätten nicht den vereinbarten Bedingungen entsprochen. Die Käuferin habe die Funktionstüchtigkeit der Anlage gerügt, weshalb die beklagte Partei auch wegen der Verpflichtung des Klägers zur Schad- und Klagloshaltung keine Zahlung geleistet habe.

Dem Verjährungseinwand hielt der Kläger entgegen, daß der Anspruch aus einer Vereinbarung über die Einlösung einer Forderung nicht der kurzen Verjährung des § 1486 ABGB unterliege. Die Erhebung der Verjährungseinrede sei sittenwidrig, weil die Zahlungszusage vom 26.1.1988 ausdrücklich unwiderruflich erfolgt sei. Die Judikatsschuld der Käuferin müsse die beklagte Partei vereinbarungsgemäß „einlösen“.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Für die Verjährungsfrage sei die zwischen den Streitteilen getroffene Vereinbarung, daß die beklagte Partei im Einvernehmen mit der Käuferin gemäß den §§ 1422 f ABGB die Kaufpreisforderung einlösen und der Verkäufer das vorbehaltene Eigentum durch Erklärung an die beklagte Partei übertragen werde, von Bedeutung. Wirtschaftlich diene der Erwerb der Kaufpreisforderung - aus der Sicht der beklagten Partei als Finanziererin - nur der Aufrechterhaltung des Vorbehaltseigentums nach Befriedigung des Verkäufers. Die „vertragliche Einlösung“ sei eine rechtsverbindliche Vereinbarung, die Schuld des Käufers zu bezahlen, was einen Zahlungsanspruch des Gläubigers bewirke. Die Klagsforderung beruhe nicht auf einem Forderungskauf. Die „Vereinbarung, die Schuld eines Dritten zu zahlen“, sei einer befreienden Schuldübernahme ähnlich; soweit es um die Zahlungspflicht des Finanzierers gehe, sei die für den Schuldbeitritt typische Interessenlage gegeben. Der Teil der Einlösungsvereinbarung, der für die Zeit bis zur tatsächlichen Einlösung eine Pflicht des Finanzierers - noch ohne Befreiung des Käufers gegenüber dem Verkäufer - vorsehe, sei als Schuldbeitritt zu deuten oder einem solchen zumindest so ähnlich, daß verjährungsrechtlich die für einen Schuldbeitritt geltenden Regeln heranzuziehen seien. Der der Schuld beitretende Finanzierer trete in die laufende Verjährungsfrist ein und müsse nach dem Beitritt eingetretene Unterbrechungsgründe gegenüber dem Käufer nicht gegen sich gelten lassen. Bereits im März 1988 seien die Voraussetzungen für die Zahlung des Kaufpreises (Erfüllung der Einlöseverpflichtung) geschaffen worden; mit Schreiben vom 16.3.1988 habe die beklagte Partei die Zahlung endgültig verweigert. Da dies vereinbarungswidrig erfolgt sei, hätte der Kläger gegen die beklagte Partei sofort mit Klage vorgehen müssen. Die Klage sei allerdings erst am 1.12.1993 erhoben worden. Demnach sei die Klagsforderung verjährt. Die Verjährung des Klagsanspruchs werde durch den Gebrauch des Wortes „unwiderruflich“ in der Verpflichtungserklärung der beklagten Partei nicht berührt; die Berufung auf eingetretene Verjährung stelle keinen Widerruf einer Zahlungszusage dar. Demnach erweise sich der Verjährungseinwand nicht als sittenwidrig.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die beklagte Partei habe ihre Zahlungsverpflichtung aus dem Einlösungsvertrag nicht erfüllt. Sie habe dem Kläger eine Geldleistung im Rahmen ihres kaufmännischen Betriebs zugesagt, weshalb sich die Klagsforderung als Forderung aus dem Geschäftsbetrieb einer Bank für eine Sachlieferung darstelle. Demnach unterliege der geltend gemachte Anspruch der Verjährungsbestimmung des § 1486 Z 1 ABGB. Darüber hinaus gelte für denjenigen, der die Schuld aus einem § 1486 ABGB zu unterstellenden Kaufvertrag übernommen hat, ungeachtet des Umstandes, daß der Gläubiger (hier: Kläger) gegen den ursprünglichen Schuldner (hier: Käuferin) einen Exekutionstitel erwirkt hat, die dreijährige Verjährungszeit des § 1486 ABGB. Der Kläger hätte nicht nur gegen die Käuferin, sondern zugleich auch gegen die beklagte Partei mit Klage vorgehen müssen, um dem Eintritt der Verjährung vorzubeugen. Die Erhebung einer Verjährungseinrede wäre nur dann sittenwidrig, wenn die beklagte Partei den Kläger vom Einbringen der Klage arglistig abgehalten hätte. Dies sei nicht gegeben. Die „unwiderrufliche Zusage“ der Erfüllung einer Forderung nehme dem Schuldner nicht das Recht, den Verjährungseinwand zu erheben.

Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Erwerb der Licht- und Tonanlage durch die Käuferin erfolgte im Wege der Drittfinanzierung in Form der Darlehenskonstruktion. Bei dieser Erscheinungsform des drittfinanzierten Kaufs schließen der Käufer und der Verkäufer einen Kaufvertrag, in dem vereinbart ist, daß der Käufer den Kaufpreis durch Kreditaufnahme bei einem Finanzierer (hier: bei der beklagten Partei) aufzubringen hat. Der Käufer schließt mit einem Kreditinstitut einen Finanzierungsvertrag ab, in dem ihm dieses ein in der Regel in Raten rückzahlbares Darlehen in der Höhe des Kaufpreises (zuzüglich der Kreditgebühren) gewährt, bei dem die Darlehensvaluta direkt an den Verkäufer auszubezahlen ist. In der Regel - so auch hier - erklärt der Käufer sein Einverständnis, daß der Verkäufer seine Kaufpreisforderung an den Finanzierer abtritt oder dieser die Forderung nach § 1422 ABGB einlöst. Auch das Vorbehaltseigentum an der Kaufsache wird an den Finanzierer übertragen. Es liegen bei dem im Wege der Darlehenskonstruktion drittfinanzierten Kauf zwei verschiedene Verträge (Kauf- und Finanzierungsvertrag) vor, die deshalb eng miteinander verknüpft sind, weil kein Vertrag ohne den jeweils anderen zustandegekommen wäre (SZ 58/39; JBl 1979, 91 ua; Aicher in Rummel, ABGB2 § 1063 Rz 11; Koziol/Welser I10 335). Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß sich die beklagte Partei gegenüber dem Kläger als Finanzierer „unwiderruflich bereit erklärte“ den Kaufpreis für die Käuferin zu bezahlen; der beklagten Partei sollte das vorbehaltene Eigentum am Kaufgegenstand bei Einlösung der Kaufpreisforderung übertragen werden. Zur Übertragung des vorbehaltenen Eigentums an die beklagte Partei ist es deshalb nicht gekommen, weil die Kaufpreisforderung von der beklagten Partei nicht eingelöst wurde.

Im Revisionsverfahren ist die zwischen den Streitteilen geschlossene Vereinbarung, daß die beklagte Partei die Schuld der Käuferin bezahlen (die Forderung einlösen) werde, in verjährungsrechtlicher Hinsicht zu beurteilen:

Das ABGB sieht in seinen §§ 1478 f eine allgemeine, lange Verjährungszeit von 30 Jahren vor. Daneben enthält das 4.Hauptstück des III.Teiles über Verjährung und Ersitzung im wesentlichen einheitlich eine besondere, kurze Verjährungszeit von drei Jahren. Die lange, 30jährige Verjährungszeit gilt als Auffangtatbestand. Ist keine jener Bestimmungen, die eine kurze Verjährungsfrist vorsehen, sei es unmittelbar, sei es kraft Analogieschlusses, anwendbar, hat es bei einer Verjährungszeit von 30 Jahren zu bleiben (Eypeltauer in ÖJZ 1991, 222 f mwN). Zweifelsohne ist im § 1486 ABGB die Forderung auf „Einlösung einer Forderung“ gemäß § 1422 ABGB nicht angeführt. Dieser Umstand würde vordergründig darauf hindeuten, daß die Klagsforderung der langen Verjährungszeit (1478 ABGB) unterliegt. Schon der Wortlaut des § 1422 ABGB läßt aber Zweifel daran aufkommen: Die Bezahlung der Schuld eines anderen, für die nicht gehaftet wird, bewirkt nämlich die Einlösung der Forderung, was nur bedeuten kann, daß die Zahlung das ausschlaggebende Element ist; die Einlösung der Forderung ist bloß Folge der Zahlung. Der Anspruch auf „Einlösung der Forderung“ ist demnach nichts anderes als der zwischen den Streitteilen vertraglich vereinbarte Anspruch auf Kaufpreiszahlung für die Käuferin, nur hat die Zahlung eben nicht Schuldtilgung, sondern die Einlösung der Forderung zur Folge. Das Begehren des Klägers kommt dem Begehren auf Bezahlung des Kaufpreises gleich, zu welcher nicht bloß die Käuferin, sondern - aufgrund der Einlösungszusage - auch die beklagte Partei (als Finanziererin) verpflichtet ist.

Kommt die dreijährige Verjährungszeit des § 1486 (Z 1) ABGB demjenigen, der die Kaufpreisschuld aus einem dieser Bestimmung zu unterstellenden Vertrag übernommen hat, ungeachtet der Tatsache, daß der Gläubiger gegen den ursprünglichen Schuldner selbst schon vor dem Schuldbeitritt einen Exekutionstitel erwirkt hat, zugute (SZ 13/160; EvBl 1988/26), so kann diese verjährungsrechtliche Konsequenz auch nicht dann verneint werden, wenn sich ein Dritter zur Zahlung der Kaufpreisschuld zwecks Forderungseinlösung verpflichtet hat. Abgesehen davon, daß die weite Fassung des § 1486 Z 1 ABGB nach Absicht des Gesetzgebers „so ziemlich den ganzen geschäftlichen Verkehr umfaßt“ (SZ 16/69 unter Berufung auf die Materialien zu § 194 Z 1 III.TN, HHB 160), Kaufleute daher ihre Forderungen grundsätzlich binnen drei Jahren geltend machen müssen (JBl 1935, 412 ua; zuletzt wieder 3 Ob 524/87), ist der Anspruch aus eigener Zahlungsverpflichtung des Finanzierers, die er dem Verkäufer gegenüber übernommen hat, als Forderung im Sinne des § 1486 Z 1 ABGB anzusehen, weil die Übernahme dieser Verpflichtung wie der Eintritt eines neuen Gesamtschuldners in ein schon bestehendes Schuldverhältnis zu behandeln ist (vgl dazu von Feldmann in Münchener Kommentar zum BGB3 § 196 Rz 5).

Gegenstand der Einlösungszusage der beklagten Partei war - wie schon weiter oben angedeutet - die Bezahlung des Kaufpreises für die Käuferin; an diese Zahlung sollte - nach dem Inhalt dieser Vereinbarung - keine Schuldtilgung, sondern ohne weiteres die Einlösung der Forderung durch den Finanzierer geknüpft sein. Schon deshalb ist die aus der Zusage entspringende Forderung des Klägers verjährungsrechtlich § 1486 Z 1 ABGB zu unterstellen.

Durch die Erwirkung eines Exekutionstitels gegen die Käuferin kann an diesem Ergebnis nichts geändert werden: Weder hat sich die beklagte Partei zur Zahlung einer Judikatschuld verpflichtet, noch muß sie erst nach der Einlösungszusage gegenüber der Käuferin eingetretene Unterbrechungsgründe gegen sich gelten lassen.

Die Klagsforderung war bereits 1988 fällig, sodaß sie - da die Klage beim Erstgericht erst am 1.12.1993 einlangte - verjährt ist.

Zutreffend haben die Vorinstanzen erkannt, daß die Berufung der beklagten Partei auf die Verjährung nicht sittenwidrig ist. Die beklagte Partei hat sich unwiderruflich zur Kaufpreiszahlung verpflichtet, doch beinhaltet diese Verpflichtung keinen Verjährungsverzicht, es wird lediglich zum Ausdruck gebracht, daß die Übernahme der Finanzierung und damit die Bezahlung der Kaufpreisforderung durch die beklagte Partei an keine Bedingungen geknüpft wurde. Der Einwand der Verjährung stellt keinen Widerruf der Zahlungszusage der beklagten Partei dar.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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